Ansicht umschalten
Avatar von nickless_guy
  • nickless_guy

368 Beiträge seit 14.08.2017

Re: Wie Kriege enden

hdwinkel schrieb am 30.05.2024 10:56:

nickless_guy schrieb am 30.05.2024 10:39:

Darauf u beharren, dass du aber moralisch im Recht warst, ist keine gute Tat, wenn du dadurch das leiden verlängerst.
Um das Leiden zu beenden muss der Krieg enden.

Ich kann Ihre Argumentation durchaus nachvollziehen und Sie stellen die richtige Frage, was wir eigentlich zur Beendigung des Krieges anzubieten haben.
Letzteres müsste eigentlich die Talkshows füllen, statt ein peinliches 'mehr Unterstützung für die Ukraine' wo doch jeder sehen kann, wie blank wir dastehen.

Eine Sache unterschätzen Sie m.M. nach allerdings: Bevor irgendeine Interessens- und Lösungsfrage beantwortet werden kann, wird immer zuerst die Frage der Loyalität gestellt.
Das plumpe immer wieder implizit hervorscheinende 'Was Du bis für einen Waffenstillstand, dann kannst Du ja nur ein Freund Putins sein' einiger besonders Eifriger, ist ja nichts anderes, als die Fragestellung, wo stehst Du.
Weil wir das wissen, sollten auch Sie ab und an das klarmachen.
Ich für mich habe da eine recht klare Meinung:
- Putin-Russland hat sich hinter die eigenen Grenzen zurückzuziehen
- Putin-Russland hat Reparationen zu zahlen
- Die Staatsführung Putin-Russlands gehört angeklagt und wegen Führens eines illegalen Angriffskrieges auch verurteilt

Das bleibt auch richtig, wenn tatsächlich keine realistische, nicht auf noch höherem Leid beruhende Lösung existiert, wie im Augenblick.

Ok, moralisch mag das verständlich sein.
Und damit können wir uns natürlich auf die Schulter klopfen und sagen, was wir doch für moralische Menschen sind. Aber merkst du nicht (sorry, im Internet ist Sie für mich eine bewusste Distanzierung, keine Höflichkeit), dass das natürlich nicht passieren wird?
Zumal, wenn du ehrlich bist, kein Krieg der letzen Jahrzehnte einfach nur geführt wurde, weil grade irgendein "König" Lust darauf hatte.
Schon 1832 schrieb von Clausewitz darüber, das Krieg nur die Verlängerung von Politik sei, oder, wie es später wohl bekannter ausgedrückt wurde:
Krieg ist die Fortführung von Politik mit anderen Mitteln.
Der Grund für diesen Krieg liegt in der Versäumnis, eine europäische Sicherheitsarchitektur für die Zeit nach dem Kalten Krieg zu schaffen, woran auch immer das im Detail gescheitert sein mag. Die Wahrheit ist in solchen Fragen immer Komplex.

Aber, wie gesagt, das ist aktuell nicht entscheidend, entscheidend ist die Realität auf dem Schlachtfeld.
Damit deine Forderungen durchgesetzt werden könnten, müsste ein millitärischer Sieg zumindest wahrscheinlich sein, warum sollte Russland sich sonst darauf einlassen?
Das bedeutet, du musst für ein Eingreifen des Westens sein, du musst eine nukleare Eskalation riskieren. Und schon klingt deine scheinbar moralisch so gute Position eher ziemlich wahnsinnig, oder? Nicht, weil du per se ein Irrer wärst, sondern weil du nur darauf geschaut hast, wie es anfing, und daraus geschlossen hast, wie es enden muss, aber eben nicht gefragt hast, wie man überhaupt dort gelandet ist, oder wie man vom jetzt an den Punkt kommt, an den du willst.
Wäre es noch 22, würde ich im Ergebnis fast mit dir mitgehen.
Die Krim ist russisch, was russisch, und wird immer russisch sein, egal was auf irgendeinem Papier steht. Zum Rest waren die Ideen in Istanbul recht vernünftig, evtl. hätte der Donbas sich friedlich von der Ukraine lösen müssen, vielleicht nicht, das wäre eine innere Angelegenheit gewesen, man kann für beides historische Gründe finden. Aber dafür braucht es sicher keine russischen Truppen.

Aber, es kam eben anders, es sind russische Truppen in der Ukraine, und sie gewinnen.
Und das berücksichtigst du nicht, damit ist das, was du möchtest, letztlich nichts als ein Wunschkonzert. Aber nicht realistisch.
Keine deiner Forderungen ist erfüllbar, ohne einen Weltkrieg.
Und, das gibt die Verhältnismäßigkeit einfach nicht her.
Das letzte mal sind mehr Menschen gestorben, als es überhaupt Ukainer gibt.
Um das zu rechtfertigen braucht es schon einen Hitler, und Putin ist nicht mal ein Taschenstalin. Einer von vielen Mischformen zwischen Präsident und Diktator, letztlich vergleichbar mit einem Erdogan, und letztlich auch Biden (oder Trump, macht keinen echten Unterschied), die Syrer wissen auch nicht, was sie den Türken getan haben, die Irakis waren an 9/11 nun wirklich nicht schuld, wo ist der Unterschied? Sind Ukrainer mehr wert als Iraker? Oder syrische Kurden?
Was ist mit Tigray? Nur N***? Sorry wenn ich etwas zynisch werde, aber ich kann es nicht mehr hören. Weisst du, wie viele Kriege es aktuell gibt? Nicht googlen. Und an jedem verdienen wir mit. Sudan? Uiguren? Bergkarabach? War da was?

Dieser Krieg ist der wichtigste, da er der gefährlichste ist.
Und, egal wie unterschiedlich wir den Weg hierhin einschätzen mögen, in einem sind wir wohl einig.
Das, was du willst, wird nicht eintreten, wenn nicht etwas sehr drastisches passiert, oder?
Und außer einem Kriegseintritt des Westens ist aktuell nichts absehbar, was dazu führen würde, oder?
Und einen Kriegseintritt des Westens wollen wir nicht, weil dann droht die gegenseitige Vernichtung. Sind wir auch da einig?

Dann sind wir uns also einig, dass das, was du geschrieben hast, nicht eintreten wird, ohne die Welt in Brand zu stecken.
Damit stellt sich eine neue Frage.
Sind deine Forderungen einen Weltkrieg mit potentiellem nuklearen Schlagabtausch wert?
Ich sage ganz klar nein, da muss ich nicht lange nachdenken, du etwa?

Und abschließend stellt sich dann wieder die Frage vom Anfang, jetzt präzisiert.

Was ist ein realistisches Szenario für das Ende dieses Krieges?

Bewerten
- +
Ansicht umschalten