Während bei Wiwo vor einigen Wochen noch getitelt wurde "Billiger Rubel treibt Russen in die Armut", will Herr Koltashov nun die Russen durch eine weitere Abwertung des Rubels von der Armut befreien. Die in dem Interview geäusserten wirtschaftspolitischen Vorstellungen sind insgesamt so unausgegoren, dass man den Eindruck gewinnt, sie stellen nur die Garnierung für die eigentlich intendierten Botschaften des Artikels bzw. des Interviews dar, wie "der Zusammenbruch kommt so oder so" oder "Putin wird ausgetauscht".
Ich habe in einem Posting zu dem vor drei Tagen erschienenen Artikel über die Wirtschaftsentwicklung Russlands - die für Tp offensichtlich interessanter ist als die in Deutschland - versucht, ein differenziertes Bild der Auswirkungen von Sanktionen und Rubelabwertung zu zeichnen. Während die höheren Importpreise das Budget der privaten Haushalte und den Staatsetat belasten, nutzen sie andererseits wichtigen Sektoren der russischen Wirtschaft, wie der Landwirtschaft, der Lebensmittelverarbeitung, der Pharmazie, der chemischen Industrie u.a.. Die bereits vor Jahren entwickelten Programme der Import-Substitution können nun deutlich beschleunigt realisiert werden. Durch den billigen Rubel und sicher auch begünstigt durch die "Waffenschau" in Syrien konnte und kann Russland (leider) zudem seine Waffenexporte deutlich steigern.
In der englischsprachigen Wirtschaftspresse, z. T. auch bei Wiwo und dem Handelsblatt (FAZ und SZ kann man dagegen völlig vergessen) finden sich durchaus seriöse Analysen der aktuellen Wirtschaftsentwicklung Russlands. Die zu einem abgerundeten Artikel zusammen zu fassen, wäre sicherlich sehr viel besser, als die Tp-Leserschaft regelmässig mit kruden Äusserungen irgendwelcher Putin-Gegner zu konfrontieren.