watcher od madness schrieb am 31.03.2016 21:01:
Mag sein, dass die Tiefe der ökonomishen Zusammenhänge vom Interviewer gar nicht gewünscht war, weil einfach zu schwierig. Aber wichtige Sachen hätte Herr Koltashov nicht verzerren bzw. herbeilügen.
Die russische Wirtschaft kriselt tatsächlich, auch wenn es noch keine starken äußeren Anzeichen dafür gibt. Richtig ist auch, dass die Wirtschaft wegen fehlennder Kredite nicht wächst. Aber warum vergeben russische Banken kaum Kredite an die russische Wirtschaft? Das verschweigt er.
Weil die Abnehmer für die russischen Waren fehlen. Die Sanktionen helfen an diesem Punkt ein bisschen, aber im Ganzen gesehen schaden sie.
Das Problem liegt darin, dass die Kreditvergabe der russischen Banken an die westliche Finanzwirtschaft ausgerichtet ist, die seit Jahren eben diese Kreditvergabe an die eigene Industrie nicht hinbekommt.
Auch im Westen ist das so, dass wenn die Unternehmer keinen Sinn darin sehen zu investieren, weil zusätzlich Produkte nicht an den Mann zu bringen wären, die Investitionen eben unterbleiben.
Russische Banken sind viel zu eng mit dem todkranken westlichen dollarzentrierten Finanzsystem verflochten und ist daher voll mit Risiken beladen.
Auch große russische Firmen haben Dollar- und Euro-Kredite. Gleich zu Anfang der Sanktionen gab es frohlockende Zeitungsberichte, dass ein Ölförderer einen fünf(?) Milliarden-Dollar-Kredit zurück zahlen musste, und die Dollar-Refinanzierung durch die Sanktionen verstellt war.
Glasjew schlug deswegen auch eine Umorientierung des russischen Bankensystems weg vom westlichen Finanzkapital hin zur unabhängigen rubelbasierten Wirtschaft vor.
Selbstverständlich wäre dafür eine massive Unterstützung des Rubel durch die russische Zentralbank notwendig. Dort läßt man dagegen den Rubel frei "floaten", ganz nach dem wohlbekannten liberalen Modell.
Vermutlich wäre Russlands Devisenreserven bereits aufgebraucht, wenn es sich gegen die Abwertung seit 2014 gewehrt hätte. Stattdessen hat die Rubelabwertung Russland geholfen, den drastischen Ölpreisrückgang zu kompensieren. Durch die Abwertung brachten die Energie-Exporte mehr Rubel in die Kassen.
Klar, dass sich der Rubel dann nicht vom Dollar abkoppeln und zu einer "eigenen" Währung werden kann.
???
Wenn der Rubel-Wechselkurs nicht künstlich durch Käufe und Verläufe fixiert wird, ist er doch frei. Blöd ist nur, dass noch Fremdwährungskredite schlummern.
Die Chinesen sind hier schon viel weiter.
Die haben jahrelang ihren Währungswechselkurs künstlich nieder gehalten, um die Exportwirtschaft zusätzlich zu puschen.
Mit ihrem Yuan-anteil im internationalen Währungskorb und der Asiatischen Entwicklungsbank, die ganz ohne USA Kredite vergeben kann, bringen sie die USA regelmäßig dazu, eine Yuan-Aufwertung zu fordern.
Natürlich ärgern sich die Amerikaner über den BRICS-Währungsfond, aber die Aufwertung fordert Amerika natürlich, weil sie der Billig-Exporteur aus Asien nervt.
China kann bereits mitreden, Russland noch lange nicht. Zumindest solange die Zentralbank die westliche Finanzindstrie bedient.
China kann mitreden, weil deren Wirtschaft tatsächlich leistungsfähig ist und einen Riesenumfang hat. Sobald Russlands Wirtschaft ebenfalls in die ganze Welt liefert, riesige Fremdwährungsreserven in Billionen-Dollar-Umfang angespart hat, kann man Russland auch mit China vergleichen.
Die Geldmengenerhöhung nach Glasjew wäre eine massives Konjunktuprogramm mit starken protektionistischen Massnahmen für die heimische Wirtschaft,
Er hat das doch erklärt. Wer soll denn in Infrastruktur investieren, wenn nicht der Staat? Protektionistisch wäre lediglich, dass russische Firmen das bauen sollen und die Baukredite mit niederen Zinssätzen vergeben werden.
basiert auf einer rubelorientierten Kreditvergabe.
Um Himmels Willen, wieso sollen die Russen ihre Häuser- und Straßen-Deals nicht mehr mit Rubel abwickeln?
Wenn diese erfolgreich wäre, würde die erstarke heimische Industrie den riesigen Importanteil an allen möglichen Waren drastisch reduzieren und somit die von Koltashov prognostizierte Inflation verhindern.
Im Interview ging es um Wohnhäuser und Infrastruktur. Das andere ist die Konsumgüterproduktion. Die Industrie müsste gesondert aufgebaut/modernisiert werden. Dass das nicht einfach ist, zeigen Länder wie Spanien. Das zwar billiges Gemüse in die ganze EU exportiert, aber der Wirtschaftsbooms ab 2000 und der Miniboom ab 2013 basierten rein auf Bauwirtschaft. Sowas schwebt dem Interviewten vor.
Das soll dann den Konsum/die Konsumindustrie beleben und natürlich die Staatseinnahmen.
Bezeichnenderweise wurden Glasjews Thesen von der neoliberalen Wirtschaftselite und Wirtschaftspresse zerrissen und für absurd erklärt.
Allein diese Tatsache macht seine Thesen aber richtig interessant, vor allem wenn man bedenkt, dass die liberalen Chicago-Boys bisher kenerei Rezepte gegen die globale Wirtschaftskrise hervorgebracht sondern die Krise nur verschärft haben.
Das sehe ich auch so.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (01.04.2016 18:42).