... namens Inosmi.ru ("ausländische Medien".ru), auf dem seit 2007 ausschließlich übersetzte Originalartikel aus großen westlichen Medien veröffentlicht werden. Ich habe dort vor anderthalb Jahrzehnten ab und zu vorbeigeschaut und zwar vor allem wegen erheiternden der Kommentare unter den übersetzten Artikeln. Die Russen amüsierten sich seinerzeit köstlich darüber, welche Eigenschaften ihnen die Autoren von Washington Post usw. andichteten. Und dass sie per se im "Reich des Bösen" leben wissen sie ja spätestens seit Ronald Reagan.
An Herrn Kleinebeckels Artikel würde die russischen Leser wohl zunächst der letzte Satz erheitern, also der verunglückte Versuch, sich als Russlandkenner auszugeben und zu diesem Zweck die Allerweltswendung "mies gelaufen" in Russisch zu präsentieren. "хреново вышло" bzw. "хреново получилось" sagt der Russe in diesem Fall - zahlreiche Videos im Internet tragen diesen Titel - aber nicht "mißglückter Lauf" (Неудачная пробежка).
Was nutzt Kleinebeckel denn für ein jämmerliches Übersetzungsprogramm?
Der Rest des Artikels ist mit Verlaub gesagt von ähnlicher Güte. Zunächst muss ein Gedicht des Ukrainers Iwan Franko, dessen deutscher "Übersetzung" man schwerlich seinen poetischen Charakter anmerkt, dafür herhalten, den russischen Nationalismus zu charakterisieren, obwohl der durchgehend zur K & k Zeit im westukrainischen Galizien lebende Franko seine Zeilen natürlich seinen ukrainischen Zeitgenossen gewidmet hatte.
Dann darf Georges Nivat den ganz großen Bogen spannen und die entsprechenden Requisiten päsentieren: Chiliasmus, Utopismus und Grausamkeit regierten schon immer im Osten - während die feinsinnigen Westeuropäer gleichzeitig weltweit die Bergpredigt umsetzten, die Ermüdeten und Beladenen erquickten und mit diesem menschenfreundlichen Programm bis nach Stalingrad vordrangen.
Unheimlich, grausam, finster, anachronistisch, waghalsig lauten die verwendeten und wenig originellen Attribute. Selbst der Sieg der Roten Armee war dem Autor zufolge heldenhaft nur in Anführungszeichen. Über wen er errungen wurde lässt Kleinebeckel wohlweißlich außen vor.
Auftritt Feng Yujun. Wenn ein Artikel eines Chinesen bei britischen "Economist" publiziert wird, so kann es sich nur um einen ganz wichtigen Chinesen handeln ("zählt zum Beraterkreis chinesischer Behörden"), meint wohl Kleinebeckel. Oder der Chinese äußert womöglich dasjenige, was gewünscht wird.
Herr Feng weiß nun erstaunliches zu berichten, jedenfalls in Kleinebeckels Nacherzählung. Den in einer "Informationsblase" gefangenen Russen fehle es nämlich an Flexibilität, Diplomatie und der Fähigkeit zur Korrektur. Ein solches Urteil ist deshalb bemerkenswert, weil dieselben Russen sich nachweislich ab dem 4. Kriegstag, dem 28.2.2022, an den Verhandlungstisch setzten.
Man fragt sich, wieviele Kriege den Herren Feng und Kleinebeckel wohl bekannt sind, in denen nach vier Tagen die Verhandlungen der Kriegsgegner begannen.
Der ukrainische Präsidialamtssprecher Arestowitsch erklärte vor wenigen Monaten, Putin habe damals erkannt, dass er einen _Fehler_ begangen habe und habe umgehend versucht, ihn durch die Verhandlungen zu korrigieren.
Aber was weiß schon Arestowitsch. Ja, wer ist das überhaupt; hat der schon beim "Economist" veröffentlicht? Eben.
Auch was die "nationale Geschlossenheit" der Ukrainer anbetrifft muss Herr Feng über sehr spezielle Informationen verfügen. Die ukrainischen Medien gaben jedenfalls vor zwei Tagen bekannt, dass die Zahl der ukrainischen Grenzer von der Rada um 15.000 Mann aufgestockt wurde.
https://news.liga.net/politics/news/verhovnaya-rada-uvelichila-chislennost-pogranichnikov-na-15-000-chelovek
Entweder die Ukrainer sorgen sich um eine Invasion aus dem Westen oder man hat vor, die aus dem Land flüchtenden Männer wirksamer aufzuhalten.
Vom Mobilisierungsgesetz wollen wir besser gar nicht erst anfangen.
Insofern muss man Herrn Feng auch wieder recht geben: irgendwer scheint sich in einem "information cocoon" zu befinden.