Wo ich Peter Nowak zustimme: Es geht bei den westlichen Faschismusvorwürfen, ziemlich punktgenau herausgekramt seit dem "Angriffskrieg" Russlands, um die Verteidigung des Kapitalismus - von mir aus dem "woken" - und seiner bürgerlich-nationalistischen Gesellschaft, die dem "Staat-über-Alles" mehrfach schon und in verschiedenen Formen zur Geburt verholfen haben. Deutschland, Italien, Frankreich, England, Japan, Spanien, USA, ... um nur einige zu nennen, die den Faschismus zwar nicht immer bis in die Regierungsmacht, es aber dennoch zu relevanten faschistischen Bewegungen gebracht haben.
Bestrebungen den Faschismus aus dem Schoß des bürgerlichen Nationalismus in den Staatssozialismus des Sowjet-Imperiums zu verlegen, damit gleichzusetzen und zu relativieren gab es spätestens seit der "Totalitarismustheorie" und ähnlichen, deren richtungsweisender Zweck darin bestand, "schlimm" und "noch schlimmer" so zu vergleichen, dass durch "schlimmere Vergehen" auf sozialistischer Seite die der "eigenen" Nation heruntergespielt werden sollten. So ist es bei deutschen Patrioten bis heute beim Thema "Holocaust" eine Standardreaktion geworden auf stalinistische Säuberungen oder auch mal auf die Massenvernichtungen der "Indianer" in den USA zu verweisen. "Die anderen ja auch!" soll da als blödsinnige Rechtfertigung für die völkische Sortierung des deutschen Reinheits-Staates herhalten, als seien staatliche Grausamkeiten dann voll in Ordnung, wenn Andere, ganz oberflächlich gesehen, ähnliche Brutalitäten durchgezogen haben.
Seither machten andere national denkende Theorien die Runde, dass die Juden selbst Gründe zu ihrer staatlich geplanten Vernichtung geliefert hätten, bis hin zu Erklärungen, dass die Sowjetunion dies verschuldet hätte oder Hitler "eigentlich ein Kommunist" gewesen sei, und anderem weisswäscherischem Schwachsinn.
Dass Herr Mason ohne große Umschweife und beweistechnisch sehr freigeistig auf eine Verurteilung des neu-entdeckten russischen "Faschismus" verfällt, für die er sogar die "jungen, antifaschistischen Linken" einspannen will, deren "alte" Erklärungen aus der Brutstätte des bürgerlichen Nationalismus ihm nicht passen, verweist mehr auf die allgemeine geistige Wende im pro-westlichen Denkertum, anlässlich der russischen Störung des US/EU-Anspruchs auf westliche Vorherrschaft über den Rest der Welt.
Die Äußerungen anderer vordenkender Experten, sowie sein eigenes Zitat gegen die unterstellten Absichten Russlands, kann man nämlich auch umgekehrt lesen: Die "Einigkeit der NATO" als zuständiger Weltpolizist darf nicht in Frage gestellt werden, die EU muss für die Weltordnung ebenso zuständig sein und darf nicht "ins Abseits" gestellt werden, die UN, die, wie Nowak richtig feststellt, sonst nur dann zu irgendwas ermächtigt wird, wenn es nationalen Interessen nützt, darf nun von Russland jedenfalls nicht auf die Rolle des "Zuschauers reduziert (?)" werden und schließlich dürfen die Weltangelegenheiten nicht zum 3-Mächte-Spiel umgestaltet werden, mit Russland als gewichtigem Mitspieler. Was anderes soll das darstellen, wenn nicht die Forderung nach dem Privileg weltweiter NATO- und EU-Vorherrschaft?
Die Vorwürfe des "Faschismus" an die Seite der Russen (und Chinesen) brauchen dabei überhaupt gar keinen "wissenschaftlichen" Kriterien oder "Definitionen" standhalten. Die Einordnung in "faschistisch", "imperialistisch", an der sich mit "Kennzeichen" und "Merkmalen" auch im Forum abgearbeitet wird, verdankt sich nur der Gleichsetzung von russischen Interessen, die den westlichen Hoheitsanspruch stören, mit einem einzigen "Unrecht", dazu noch gesteigert in die Form des moralisch "bösen Unrechts". Und was taugt dafür besser als die Chiffre des "Faschismus"? Würde man die Listen von "Definitionen" und "Merkmalen" für Faschismus wirklich ernst nehmen, nach Nationalismus, "Führerkult", Militarisierung und imperialistischer Einmischung abklappern, so würden wohl auch einige westliche Führungsstaaten in teilweisen Faschismus-Verdacht geraten können. Ab und zu tun sie das ja auch. Gegen Deutschland z.B. gab's aufgrund seiner zunehmenden EU-Vorherrschaft von Briten, Franzosen und Griechen schon mehrmals den Nazi-Vorwurf. Mal bei Kohl, mal bei Merkel oder deutschen EU-Diktaten aus der zweiten Reihe. Und auch dort war es völlig egal, was nun "sachlich" an solchen Vorwürfen tatsächlich dran ist und was nicht. Krieg wurde deshalb allerdings darum nicht geführt, es blieb beim diplomatischen Schlagabtausch und Stimmungsmache.
Bei den Russen hat das einen höheren Stellenwert, weil die nun mitten in Europa einen unerwünschten Krieg führen, bei dem es eigentlich fast egal sein könnte, ob sie den neben ihren sicherheitspolitischen Staatsinteressen nun auch noch als erklärte "Faschisten" führten. - Fast egal, weil es für die westliche Verurteilung des unrechten "Angriffskrieges" doch auf etwas mehr ankommt, als einfach zu sagen: Die Russen wollen einen Anteil an der Weltordnung, die doch uns gehört; dieser nationale Gewaltanspruch stört uns, also machen wir ihn klein. Das selbst-gerechte westliche Verteidigungsbündnis legt Wert auf rechts-moralische Unterscheidungen zwischen sich und dem unerlaubten Störenfried, auf jeder ideologischen Ebene. Jeder Experte, der Russland schon auf hoffnungsvollen Weg in die mittelmäßige Unterordnung sah, weiß nun nach dem "Angriffs"-Booster endgültig bescheid. Russlands Kapitalismus ist gar kein "normaler" Kapitalismus, mächtige "Oligarchen beherrschen" die Wirtschaft und unanständigerweise die Politik, und die Politik umgekehrt auch die Wirtschaft. Soviel Durchblick muss reichen für die Expertise: Gaaanz anders als wie bei uns, im guten Kapitalismus, wo Wirtschaft viel Freiheit, aber nie zuviel politischen Einfluss hat und Politik mit tausenden Regelungen für diese ergiebige Freiheit sorgt.
Ebenso der (staatliche) Nationalismus. Bei uns alles demokratisch und schon deshalb rechtens, im Ausnutzen der weit gefächerten internationalen Beziehungen genau wie im Inneren, wo eben noch gegen "Corona-Diktatur" und möglicher dauerhafter Einschränkungen der Grundrechte protestiert wurde. "Dissidenten" gibt's hier nicht. In Russland dagegen, völlig undemokratisch, "autokratisch" bis "faschistisch", weil der Führer dort Kritiker verfolgt und von "Wiedervereinigungen" räsoniert, die wir ihm nicht erlaubt haben und in diesem Fall für puren "rückwärtsgerichteten Wahnsinn" halten. Hat sich der frühere KGB-Mann wohl was bei Deutschland abgeschaut, das seine Grenzen gerne bis in ehemalige deutsche Ost-Gebiete erweitern wollte, dann aber "nur" die DDR erlaubt bekommen hat. In Deutschland als "menschliches Zusammenwachsen" zum guten, normalisierten Nationalismus deklariert, steht sowas bei Putin, Krim und Donbass angeblich für einen ungewöhnlich schlechten Nationalismus, der sich durch den Zusatz "Ultra" ganz und gar nicht mit einem deutschen, amerikanischen, französischen, usw. vergleichen lassen soll.
Das Gerede vom "russischen Faschismus" beschäftigt sich also weder mit der Frage nach dem besonderen russischen Nationalismus, noch mit der nach dem Nationalismus überhaupt und ist daher hauptsächlich für eines gut: Den eigenen Nationalismus, je nach Länderzugehörigkeit im Westen, hochzuhalten, jede Ähnlichkeit zu russischen Interessen und Nationalidiotien zu leugnen und ihre ideologische Umgestaltung zum faschistischen Übel zu einem weiteren moralischen Kriegserfordernis aufzubauen. Oder eben als Lieferung weiterer schwerer Waffen in die Ukraine zu befördern. Der Westen kämpft also nun auch noch gegen den bösen Faschismus - der Russen jedenfalls. Hat in früheren Fällen von "neuen Hitlern" wie Milosevic, Saddam, Assad, ... ja medial auch recht gut funktioniert.