Ich denke, dieser Artikel ist ein typisches Beispiel des "Wir und sie". Der Autor vetritt eine typische westliche und linksliberale Sichtweise, die zwar für alles offen sein möchte, tatsächlich aber andere, der eigenen Vorstellungen nicht entsprechende Normen ablehnt. Und das ganze dann noch in wohlklingende, aber letztendlich nichtssagende Worte kleidet.
Das, was hier der russischen Regierung (aka. Putin) vorgeworfen wird, wie z.B. die Ausbildung eines Racket-Staates trifft mMn genausogut auf die sich als selbst so bezeichnenden Demokratien zu. In den europäischen Staaten haben vor allem mächtige Lobbies, Verbände und Unternehmen, die vor allem transatlantisch und neoliberal kapitalistisch ausgerichtet sind, das Sagen in der Politik. Es geht vor allem um Privatisierung von Allgemeingut per Verträge (modernes Fencing) und das Einbringen von noch mehr Kapital für die, die schon viel besitzen. Eventuelle Verluste werden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Das ganze wird durch von diesen Rackets selbst formulierten Gesetzen abgesichert und von Polizei und Justiz durchgesetzt - womit für das Volk ein Anschein von rechtmäßigem Vorgehen aufrecht erhalten wird.
In diesem Sinne kann man die USA als beispielhaften Racket-Staat sehen, wo nur eine kleine und mit hohem Vermögen ausgestattete Clique Staatsämter unter sich verteilt, wie z.B. das Präsidentenamt.
Ich kann hier keine großen Unterschiede zwischen uns (dem Westen) und ihnen (den Russen) erkennen. Falls der Begriff Racket-Staat jetzt manchen Ohren zu hart klingt: Man kann es auch Oligarchen-Herrschaft nennen, oder auch Neo-Feudalismus.
Wenn Russland nun vorgeworfen wird, den Krieg gegen die Ukraine begonnen zu haben (was Russland eindeutig hat) und damit die russische Führung als "aggressiv" bezeichnet, fällt auch das wieder auf den Westen zurück. NATO-Ostwerweiterung, verschiedene Kriege im Nahen Osten und Unterstützung von gewaltsamen Regime-Changes sind keine Erfindung der Russen, hier ist der Westen und vor allem die USA führend. Wobei auch hier wieder zum Durchsetzen der politischen Ziele Mafiamethoden angewendet werden, wie Beschlagnahme von Staatsvermögen und -eigentum, dass dann in die eigenen Kassen umgeleitet wird, um weitere Kriege zu finanzieren. Jüngstes Beispiel ist z.B. die Beschlagnahme und Umwidmung des afghanischen Auslandsvermögen, dass u.a. für die Entschädigung der Opfer von 9/11 verwendet werden soll (Anm.: soweit ich weiß, waren die meisten der damaligen Attentäter Saudis).
Herr Nowak macht hier also das, was viele sich selbst als linksliberal bezeichnende Menschen machen: Sie spiegeln die Unzuläglichkeiten der eigenen Gesellschaft/des eigenen Staates auf andere Staaten, um sie so wegschieben zu können. (Das gleiche wird auch mit den Mitmenschen gemacht, die nicht ins eigene Bild passen, siehe Cancel-Culture).
Es scheint schwer zu sein, zuerst vor der eigenen Haustüre zu kehren. Dies heißt jetzt nicht, das die in diesem Staat kritisierten Zustände nicht herrschen. Glaubwürdiger wäre die Kritik an den anderen jedoch, wenn man auch kritisch gegenüber sich selber ist.
Noch ein Nachsatz: Herr Nowak, wenn Sie mit Rainer Trampert auf antisemitische Tendenzen in der britischen Labour Party hinweisen, ist Ihnen wahrscheinlich nicht bewusst, dass diese konstruiert wurden, um mit Jeremy Corbyn einen kritischen Geist loszuwerden. Dieser wurde den Herrschaftscliquen des britischen Racket-Staats gefährlich, da er tatsächlich was am System zu ändern gedachte.