Livius schrieb am 07.09.2024 23:20:
Die aktuellen wirtschaftspolitischen Maßnahmen orientieren sich im wesentlichen am BIP. Somit besteht das Ziel, permanent ein möglichst hohes quantitatives Wirtschaftswachstum zu erreichen. Werden allerdings qualititative Faktoren als wirtschaftspolitisch erstrebenswert definiert, so ändern sich auch die politischen Maßnahmen.
Aber nur solange, bis die Hütte brennt. Wenn immer mehr Menschen weniger konsumieren, geht der Absatz von Produkten und Dienstleistungen zurück, d.h. die "quantitative" Wirtschaft schrumpft. Es kommt zu Firmenpleiten, Arbeitslosigkeit und in Folge zu noch mehr Pleiten und Arbeitslosigkeit... die freigesetzten Mitarbeiter haben ja auch nix mehr auf Tasche, um zu konsumieren. Eine Abwärtsspirale setzt ein, die rasch unkontrollierbar wird. Das ist der Fluch, der im Kapitalismus steckt: Er ist ein dynamisches System, das entweder wächst oder kollabiert. Da wieder rauszukommen, ist unglaublich schwierig.
Natürlich hat Paech recht damit, dass der Öko-Vandalismus sein Ende finden wird, "by design or by desaster". Und es ist selbstverständlich vernünftiger, ihn rechtzeitig "by design" zu beenden, es also einigermaßen kontrolliert zu tun, bevor uns alles um die Ohren fliegt. Doch dafür braucht man einen wirklich guten Plan.
Gleichzeitig könnte durch eine Orientierung an qualitativen Merkmalen ein Umdenken bei großen Teilen der Bevölkerung einsetzen. Dann ginge es nicht mehr im wesentlichen um mehr materiellen Besitz, sondern um immaterielle Werte wie eine Vermehrung der gewonnenen Einsichten oder um künstlerische Erbauung.
Am besten beides gleichzeitig, also Klavier üben. Ich hab da Spaß dran, aber es gibt auch viele andere Beschäftigungen, an denen man wächst und die einen zufrieden machen - da ist bestimmt für jeden was dabei. Überhaupt, wenn man sich mal ansieht, was die Glücksforschung herausgefunden hat, dann wird schnell klar: Noch mehr Wachstum brauchen wir echt nicht. Stattdessen bessere soziale Beziehungen, interessante Aufgaben, Anerkennung, sinnstiftende Beschäftigungen, Zeit, sowas. Ich glaube, man könnte auch eine Menge Mitbürger davon überzeugen, vermutlich wissen es die meisten sogar bereits. Das Problem taucht an anderer Stelle auf: Wie kommt man aus der Wachstumsmühle raus, ohne dass gleich alles zusammenbricht?