Die Frau wirft ihm ja gerade keine Vergewaltigung vor, nur dass er wütend wurde

Ein großer Teil des Textes hätte man sich sparen können, denn es dürfte kaum jemand ernsthaft in Frage stellen, dass auch Groupies, die an sich Sex anstreben, das Recht haben, sich anders zu entscheiden. Deshalb ist es auch nicht so wichtig, ob eine Person eine solche Motivation als Groupie hatte oder gar keine sexuellen Absichten hatte.

Der entscheidende Punkt ist, dass die Frau Till Lindemann ja gar keine Vergewaltigung vorwirft. Ich zitiere aus dem Artikel: "er sei wütend geworden, als sie nicht wollte – eine Vergewaltigung wirft sie ihm nicht vor".

Es ist ja selbstverständlich, dass sie das Recht hatte, keinen Sex zu wollen und es ein Verbrechen gewesen wäre, wenn sie dazu gezwungen worden wäre - was aber anscheinend nicht der Fall war. Hier wird anscheinend gerade versucht, eine neue Norm zu etablieren. Alleine schon, dass Till Lindemann (angeblich) wütend wurde, als sich herausstellte, dass die Frau keinen Sex wollte, soll als etwas sehr Schlimmes behandelt werden - entweder wird versucht, zu suggerieren, es sei ein Delikt, in einer solchen Situation wütend zu werden oder man müsse jemanden in diesem Fall "canceln", auch wenn es kein illegales Verhalten ist.

Da sollte man sich sehr genau überlegen, ob man tatsächlich in diese Richtung gehen will. Menschen werden aus den verschiedensten Gründen wütend, und es wäre sehr gefährlich, alleine schon das Erkennenlassen solcher Emotionen als Verbrechen zu behandeln, und es gäbe dann natürlich auch unlösbare Abgrenzungsprobleme - ab wann ist die Wut klar genug?

Ein ganz anderes Thema ist der im Artikel erwähnte von der Frau geäußerte Verdacht, dass etwas in den Drink gemischt worden sei. Das wäre natürlich strafrechtlich relevant und muss untersucht werden - bisher sind keine Beweise oder Indizien bekannt -, aber es hat überhaupt nichts damit zu tun, ob Lindemann "wütend wurde" und wird im Artikel auf unseriöse Weise mit der Frage des Wütendwerdens vermischt.