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  • Rkahr

mehr als 1000 Beiträge seit 25.04.2023

Re: Der Artikel hat Recht: Schuld ist die Politik der langjährigen Politiker....

Der Kniff liegt darin, wenn man dies aus einem Winkel von 45 Grad betrachtet, erscheint es erheblich anders.

Man stelle sich vor, man wäre nicht begünstigt.

Nun gut, das Privileg begann, als man darüber nachdachte, dass es zwischen diesen beiden Gruppen einen Unterschied gibt.

Das nächste Mal könnte die Polizei mit Blaulicht rasen und alle festnehmen, oder sie dürfen den Messerwisser auf der Intensivstation besuchen, weil ihm jemand beide Hände gebrochen hat und das Messer dorthin geschoben wurde, wo die Sonne nicht scheint. Für die Zartbesaiteten: Das Messer ist in der HOSENTASCHE gelandet und hat sich dort so dumm verfangen, dass es operativ entfernt werden musste. Deshalb muss der Messerwisser jetzt auf dem Bauch liegen und ganz fest weinen. Weil die Markenunterhose jetzt kaputt war.

Auf dem Land sind erst einmal alle Jugendlichen gleich. Es gibt zu wenig zu tun, es gibt zu wenig, was man machen kann, und man sieht den Klassenkampf zwischen den Stadtkindern und den Landeiern. Die einen beschweren sich, dass der einzige coole Laden im Viertel schließt, die anderen haben genau einen Laden, der ihre Sachen verkauft. Innerhalb von 50 Kilometern.

Schauen wir jetzt, Crépol, werfen wir einen Blick auf Google Maps, das ist genau so ein Kuhkaff. Vermutlich ist es bildhübsch, sehr ansehnlich, ruhig wie sonstwas, aber als Jugendlicher langweilt man sich halt. Als Erwachsener kann ich schon verstehen, warum man dort ein Haus kauft, ganz auf dem Land, und es sich gutgehen lässt. Nur für die Kinder ist das wie Folter, weil sie dort nichts zu tun haben.

DAS ist das Problem.

Wenn man dort früher eingreift und vielleicht 50 Euro hier und da für einen Jugendclub rüberwachsen lässt... oder für ein Jugendtaxi, das die Leute zum Kinogucken in die 10 Kilometer weiter gelegene Kleinstadt bringt... Perfekt.

Nur wenn man dort so eine Dorfdisco hat, ist das schon klar. Da kommt alles aus dem Umkreis, weil das die Sensation ist. Da ist etwas los. Da wird alles in die Autos geworfen, was Beine hat, und man geht, auch wenn die Musik zum Kotzen ist, man die Leute nicht mag, und einem langweilig ist, man geht halt, weil wenigstens etwas los ist. Dann hat man wenigstens etwas zum Lachen, wenn sich jemand bis zum Kotzen zudröhnt, und Besoffene schleppen ist auf dem Land ein Volkssport.

Und die Eltern würden vermutlich gerne woanders leben, aber man drückt halt mal beide Augen zu. Man sieht es ja nicht so gerne, dass sich dort Jugendliche die Kante geben, aber man steckt den Jungs genug Geld zu, sich Kondome zu kaufen, die Mädels kriegen auch noch ein bisschen Geld, und dann hat es sich. Ist zwar blöd, dass man sich besaufen muss, um dort zu leben, aber irgendwie versteht man das schon. Ein bisschen Dampf ablassen muss eben sein.

Zum Vergleich, der Ort hatte 500 Bewohner. Auf der Feier waren 400 Gäste. Das sagt nicht "das war eine Privatparty", das sagt, jeder ist hingegangen, um wenigstens etwas zu haben.

So... und jetzt drehen wir das mal um.

Nehmen wir die Distanz von dem Kuhkaff zu der Hochhaussiedlung. 30 Kilometer. Da waren so an die 10 Leute.

Rechnen wir das auf der Serviette, das sind so 2-3 Autos.

Wir stellen uns das bildlich vor. Wir haben also 10 Leute, die sich verabreden, 30 Kilometer Konvoi zu fahren.

30 Kilometer durch mehrere Dörfer, die nicht gerade Bilder des Reichtums sind. 30 Kilometer, weil da so gar nichts los ist, wo man sonst hinkönnte. Keine Kneipe, weil es ist ja blöd, wenn die Jugend säuft. Kein McDonald's, kein Supermarkt, kein gar nichts.

30 Kilometer, weil dort eine Party mit Eintritt ist. Und vier Securities. Eine "organisierte Feier". Von einem Komitee. Auf der Coolness-Skala steht das nur knapp unter "Tante Ernas 80'ster Geburtstag", wo die ganze Umgebung eingeladen wird. Das ist nicht eine wilde Techno-Rave-Party, das ist kein Fest im Kornfeld, das ist kein Koma saufen am Baggersee, das ist organisierter Partyspaß.

So. Wir haben also ein Bild der Verwüstung, wo sich jeder fragt, warum konnte das so passieren?

Und niemand kommt auf die Idee zu sagen, ja, warum denn nicht? Warum hat es so lange gedauert?

Wenn man so etwas verhindern will, geht es ganz leicht.

Das nennt sich Jugendarbeit, und das kostet Geld. Geld, das die Leute nicht willens waren, zu investieren.

Man hat den Jugendlichen keine Party im Schwimmbad angeboten.

Man hat ihnen kein Programm gemacht.

Man hat ihnen nicht gesagt, komm, in der alten Laube von Tante Erna, die steht eh leer, die machst du zu deinem Partybunker.

Es gab keinerlei Unterstützung von oben. Das wurde selbst organisiert.

Das, was mich am meisten schockiert...

Die Leute durften wieder abrücken.

Ich sage das nicht von ungefähr, ich sage das, weil ich auf dem Land aufgewachsen bin. Ich war auf diesen Kuhkaff-Dorf-Diskos. Ich hab da mitgefeiert und Betrunkene auf dem Bollerwagen geschleppt. Ich war auf mehr als einer Keilerei, und hab nachher meiner Mutter vorgelogen, ich wäre gestürtzt.

Ich war eines dieser Landkids.

Wenn damals bei uns so etwas passiert wäre, mit Messerangriff und so, dann wäre das Erste, was passiert ist, dass die drei Autos von außerhalb auf einmal feststellen, sie haben vier platt Reifen. Und dann sagt so ein recht netter Typ, der den ganzen Tag nichts anderes macht, als Fleisch zu verladen: "So, jetzt gucken wir mal, wie sehr ihr laufen könnt." Jeder, der zurückbleibt, kriegt alle Keile, die er vertragen kann. MIt dem Baseballschläger. (es war damals bei uns sehr kosmopolitsisch. Wir hatten so 20 Baseballschläger, 4 Basebälle, und einen einzigen Fanghandschuh. )

Dass da kein einziger von denen zugeschlagen hat, sodass der 10-Mann-Spähtrupp auf einmal nur noch neun Mann hat, und dass der Polizeiruf mit den Worten beginnt "Kommen sie schnell, es gab hier einen Überfall, die stehen alle um einen der Überfallenen rum und schlagen auf ihn ein, der ist tot, wenn sie sich nicht beeilen", und wenn die Polizei anrückt, gab es "niemanden, der sich so richtig daran erinnern kann, wer da was gemacht hat..." "Hab ich in dem ganzen Durcheinander nicht mitbekommen, wer da was gemacht hat." (man merke: )

Das zeugt von einer Dorfgegend, die sehr zivilisiert ist. Viel zivilisierter als das, wo ich aufgewachsen bin.

Da kann man sich jetzt lange fragen, was hätte man da nur tun können, um das zu verhindern... Die Antwort ist Jugendarbeit. Dafür sorgen, dass bei jeder kleinen Feier eben eine Zwei-Mann-Streife in der Nähe steht, mit Polizisten, die im Notfall kommen. Im Notfall nimmt man zwei junge Polizisten, gibt ihnen genug Geld für McDonald's mit und sagt, das ist euer Urlaub, wir wissen, dass da nichts passiert, aber Präsenz zeigen. Das gefällt den Wählern. Und vielleicht denen einbläuen, dass sie sich doof stellen sollen, wenn die Jugendlichen heimtorkeln. Damit sind sie bei den Kids ganz groß.

Dass man auf dem Land nicht jeden einzelnen Club schließt oder umformt, sondern mehr Geld ausgibt. Die Jugendfeiern vielleicht sogar mit einem Kasten Bier unterstützt, natürlich alkoholfrei, zwinker zwinker, man war ja auch mal jung.

Denn die Prestigeprogramme in der stadt, weil es so gut läuft, die können mal mit 10.000 € weniger auskommen. Das ist vielleicht mal ein Sprecher weniger oder ein Künstler, der leer ausgeht.

400 Gäste x 4 Euro Eintritt = 1600 Euro Kosten, von denen alles gedeckt war. Runden wir es mit Miete und so auf, haben wir 2000 Euro, die könnten auf dem Dorf 5 solcher Feiern machen. Es könnte da alle 2 Monate so eine Party geben.

Aber wenn man das Geld eben lieber für die Prestigesachen ausgibt, muss man damit leben, dass so etwas passiert.

Nur das Dumme ist, die Jugendlichen sind die nächste Generation Wähler. Die wissen ganz genau, ob sich da etwas tut. Und beim nächsten Mal, wenn es da keine Besserung gibt, ist da nichts mehr mit "Oooh, nein, da ist jemand mit Messern, besser zurückziehen...."

Da ist dann nur noch "Beim letzten Mal war die Polizei auch erst da, als wir uns gewehrt haben. Du, ich glaube, der nette junge Mann will herausfinden, wie schnell er laufen kann, weil sein Auto geht auf einmal nicht mehr an. Die vier Wagen mit kurzhaarigen Leuten die ihm hinterherfahren, du, die stellen nur sicher, dass er gut nach Hause kommt. "

Jugendliche sind nicht doof. Die wissen ganz genau, wenn sich jemand um sie kümmert. Nur wenn dann halt auf der einen seite nix passiert, und "da nicht die Manpower da ist", und auf der anderen Seite dann GANZ SCHNELL die Polizei da ist...

Dan wird man sich das noch zehnmal überlegen ob das beim nächsten mal so glimpflich ausgeht.

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