1. Die Schlüssel im Artikel
a)
Washington und Moskau sind aber die Orte, auf die es tatsächlich ankommen wird ... sehr unverbindliche(n) Gespräche in dieser Woche ... Die Beitrittsperspektive der Ukraine zur Nato vorerst auf Eis zu legen - und damit die eigenen Beschlüsse zu revidieren –(wäre eine Konzession, blablawuffwuff) ... (aber wir) sollten das machen ... Für die Dauer der Verhandlungen sollte ein "Freeze" bei der Frage der Nato-Erweiterung vereinbart werden.
a1) Die vorgebliche "Unverbindlichkeit" laufender Unterhandlungen ist eine Wunschvorstellung oder Lüge
Die russische Delegation hat keinen Zweifel daran lassen wollen, daß der Kreml die laufende Runde für verbindlich erklärt hat, und wenn der Kreml das tut, dann ist es halt auch so, das liegt in der Natur von Gesprächen, an deren Horizont von einer Seite, oder beiden, Waffeneinsätze gestellt worden sind. Der Inhalt, den Ryabkov für verbindlich erklärt hat: Russland verlangt, daß die USA stellvertretend für die NATO den Beitritt Georgiens und der Ukraine zur Verhandlungsmasse deklariert. Falls die USA das verweigerten, habe jedes weitere Gespräch allenfalls militärische Schadensbegrenzung zum Gegenstand.
Eine Begründung dieser Deutung der Auskünfte Ryabkovs (und weiterer offizieller Stellungnahmen) bleibe ich schuldig, darüber würden sich die Teilnehmer monatelang verzetteln, falls dann nicht schon die Waffen sprechen.
a2) Eine zweite Lüge (oder unverzeihliche Ignoranz) ist die Behauptung, ein Moratorium des Beitritts der Ukraine (oder / und Georgiens) stelle eine Revision vergangener Beschlüsse dar.
Das Gegenteil ist der Fall
Statt fiktive Invasionstruppen Russlands an der ukrainischen Grenze (die Truppenkonzentration gibt das mangels Masse nicht her) ins Feld zu führen, könnte Johannes Varwick die russische Seite fragen:
Was wollt ihr eigentlich, was soll das Getue, ein Beitritt kommt weder für Georgien noch die Ukraine in einer absehbaren Zukunft in NATO-Betracht.
Denn davor steht die NATO-Charta, die eindeutig verfügt, Staaten, die in laufende Territorialkonflikte verwickelt sind, könnten nicht aufgenommen werden.
Die russische Seite könnte auf diese Vorhaltung antworten, die fortdauernde Mitgliedschaft der Türkei beweise, die NATO-Charta tauge nix, die Türkei habe einen territorialen Angriffskrieg gegen Syrien begonnen, der obendrein andauere.
Darauf könnte Varwick (oder könnten Macron, oder Olaf Scholz, oder Mark Rutte, oder Mattarella ... oder Mette Frederiksen) antworten: Ich, Ich, ich stehe hier dafür, daß die NATO-Charta im Falle der Ukraine und Georgien eingehalten wird, andernfalls tritt mein Land aus.
Wollt ihr bitte mal bemerken, wie fiktiv die diplomatische Front beiderseitig ist (die militärische Front ist es nicht!)?
Die Ukraine steht in einem Territorialkonflikt, weil sie das so deklariert hat. Die "Volksrepubliken" seien eine russisch besetzte Zone steht in allen diesbezüglichen Staatsakten seit 2015, und die Krim, die nach einem Beitrittsbegehren ihrer Autonomiebehörde in die RF aufgenommen, also annektiert worden ist, bleibe eine russisch besetzte ukrainische Provinz.
Einschub:
Ja, es gibt seit dem Sommer 2021 eine konkrete russische Interventionsdrohung gegen die Ukraine. Die hat ein ziemlich unzweideutiges Wording: Falls es im Umkreis des ukrainischen Bürgerkriegs zu weiterem Massenmorden komme, konkret: zu einen "Srebenica-Moment", werde die russische Armee einschreiten. Russland sieht sich nicht in einem Territorialkonflikt.
(Wäre dankbar, wenn jemand das Dokument nachtragen würde, mir fehlt für solchen Monstranzenfuck die Lebenszeit)
a3) Obendrein haben Deutschland und Frankreich im Jahre 2008 ein Veto gegen ein NATO-Beitrittsversprechen an die Ukraine eingelegt, also zu einer Zeit, als noch kein Territorialkonflikt da war. Verabschiedet wurde danach eine Absichtserklärung ohne verbindlichen Charakter.
a4) Unabhängig vom diplomatischen Firlefanz gibt es unzweideutige, aktuelle Aussagen der relevanten westlichen Entscheidungsträger zum evtl. NATO Beitritt der Ukraine:
- Weißes Haus PLUS Pentagon (Austin) haben im September erklärt: Noch lange nicht.
- Dito kürzlich die EU-Kommission
- Dito die NATO: In den letzten Stellungnahmen Stoltenbergs ist von "Hilfe zur Schaffung der Voraussetzungen für einen künftigen Beitritt" die Rede.
Summe: Jeder Staatschef eines NATO-Mitgliedslandes kann derzeit das erklärte aktuelle Verhandlungsziel des Kremls aus eigener Macht erfüllen, indem er einen NATO-Beitritt der Ukraine und Georgiens für die Dauer des laufenden diplomatischen Konfliktes ausschließt.
Neben Dänemark (Ostseefront!) können das selbstredend die Staatschefs Rumäniens und Bulgariens tun, in diesen Fällen wäre das besonders wirksam, weil beide NATO-Regime mit Blick auf die Bevölkerung und die innere Stabilität bei weitem prekärer sind, als etwa Deutschland. Wäre der NATO, wäre den NATO-Truppen ein ohnehin fiktiver Beitritt der Ukraine eine Gefährdung ihrer Positionen in Dänemark, Rumänien, Bulgarien - Griechenland, das mit der Türkei in einem unerklärten Territorialkrieg liegt, lasse ich beiseite - wert?
Nein, wäre es nicht. Varwick sagt etwas anderes, als das, was seine Worte sagen sollen / wollen.
Hier schließe ich erstmal, Fortsetzung folgt.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (14.01.2022 11:15).