Ansicht umschalten
Avatar von hwimmer_67
  • hwimmer_67

121 Beiträge seit 13.10.2022

Grundsätzlich richtig, aber eben nicht die ganze Wahrheit...

Ein paar haben hier gemeckert, dass Preiserhöhungen eben vorausschauendes Wirtschaften wären - sich aber um die Antwort gedrückt, wieviel Preiserhöhung eine Prognose erzwingt. Die Landwirtschaft wurde in den letzten Jahrzehnten durch die Abnehmer immer mehr in eine prekäre Situation gedrängt, weil die Abnehmer übermächtig sind. Jetzt hat sich eine Situation ergeben, in der diese Abnehmer bereit waren, mehr zu zahlen, weil ihnen klar ist, dass die Situation auch ihr Geschäftsmodell bedroht. Und da haben die Landwirte zugeschlagen und, wenn sie konnten, gleich noch die versteckte Inflation der letzten 30 Jahre, die nämlich die Landwirte bezahlt hatten, mit drauf gepackt.

Ich hab' das mit meinen Kunden genauso gemacht: Ich hab' die letzten zehn Jahre meine Preissteigerungen nicht offen weitergeben können, sondern musste die in Mehraufwand "verstecken", Handwerker haben das in den Materialbeschaffungspreisen untergebracht, Werkstätten in Ersatzteilpreisen - und 2022 gab es eine Bereitschaft, über die Basispreise zu reden und da habe ich nicht nur aktuelle Preissteigerungen eingepreist, sondern eben auch eine gewisse Kostenehrlichkeit hergestellt.

Das sieht im Detail in den unterschiedlichen Gewerken meistens anders aus, weil die Strukturen in Angeboten und Rechnungen unterschiedlich sind - und manchmal sind das nur dämliche Traditionen. Es gibt Gewerke, die rechnen stur nach Flächen ab, weil das alle so machen - tatsächlich sind die Lohn- und Materialkosten (der linear mit der Fläche steigende Kostenanteil) aber nur wenig gestiegen, während Administration, Vertrieb, Marketing und R&D zum Teil erheblich zugelegt haben - die überhaupt keine Verbindung zu den verrechneten Flächen haben. Da die meisten Unternehmen tendenziell von einem Kundenstamm leben und der weiß, was es letztes Jahr gekostet hat, ist das Umlegen der Kosten in so einem Bereich ziemlich schwierig. Und dann lässt man die Ertragssituation lieber in den Knirsch laufen, als dass man Umsatz gefährdet.

Bis es eine Gelegenheit gibt, die Situation zu bereinigen. Und die löst natürlich immer Kettenreaktionen aus.

Es kommt vor allem darauf an, wie lange die - realen - Preissteigerungen anhalten, also auch wieviele Wirtschaftszweige noch so eine Bereinigung ausstehen haben. Es wäre durchaus denkbar, dass die Inflation nach den offiziellen Metriken nächstes Jahr wieder deutlich zurückgeht. Ein Indiz dafür könnte sein, dass die Inflationsraten in einigen europäischen Ländern - die das Inflationsziel von 2% in den letzten 20 Jahren recht gut eingehalten haben - jetzt schon deutlich zurückgegangen sind. Und bei uns dauert das halt länger, weil wir die Zielinflationsrate seit 30 Jahren selten getroffen haben und meistens deutlich darunter lagen - so 1,5% im Schnitt, meine ich. Da fehlen aufsummiert näherungsweise 15 bis 20%...

Die Resilienz - vulgo: Vermögen - der meisten deutschen Haushalte wurde durch 30 Jahre Lohnzurückhaltung für den Export praktisch pulverisiert und für viele Haushalte sind vergleichsweise geringe Preissteigerungen an den falschen Stellen existenzbedrohend.

Dass uns das in Deutschland so hart trifft, ist meiner Meinung nach vor allem den Fehlern der Vergangenheit geschuldet - dem Kinderkapitalimus der deutschen Eliten bzw. ihrer Unfähigkeit Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft auseinander zu halten. Das allerdings ist eine Krankheit, die auch deutsche Medienrezipienten oft hart befällt.

Bewerten
- +
Ansicht umschalten