Letztes Jahr Anfang Oktober hab ich ein Buch von einem gewissen Prof. Dr. Fred Mast gelesen: Black Mamba oder die Macht der Imagination – Wie unser Gehirn die Wirklichkeit bestimmt. Besorgt hatte ich mir das Buch wegen des Titels (Macht der Imagination), den ich interessant fand, da ich mich schon länger mir Kognition, Wahrnehmung und Phänomenologie befasse. Das Buch war gut zu lesen, den Text empfand ich als spannend und aufschlußreich. Doch am Ende legte ich das Buch enttäuscht weg: Im letzten Kapitel (Mehr Fantasie) beginnt der Autor, in Bausch und Bogen auf die sog. Verschwörungstheoretiker einzudreschen:
Fixierungen auf Fantasien sind gefährlich, und sie beeinflussen, wie wir die Realität bewerten und sie gestalten. Mit Fantasien sind Menschen verführbar, nicht mit der Realität. Verschwörungstheorien können nur überzeugen, weil sie uns dort abholen, wo wir beginnen, an den Fakten zu zweifeln. Wir können in der Fantasie alternative Wirklichkeiten aufbauen. Ob wir uns darauf einlassen, hängt davon ab, wie wir die Fakten gewichten. Anhänger der These, dass die Terrorattentate vom 11. September 2001 auf die Stadt New York und das Pentagon in Washington von Geheimdiensten inszeniert waren, holen keine Informationen ein, die ihre Sichtweise infrage stellen. Sie suchen selektiv nach Informationen, die ihre These bestätigen. Unterhaltungen mit ähnlich Gesinnten bestätigen ihre Weltsicht und stiften ein Gefühl der Verbundenheit. Neue und gegenläufige Evidenz wird gemieden oder umgedeutet. Das Problem einer Verschwörungstheorie ist allerdings nicht ihre Erfindung. Ganz im Gegenteil: Die Idee, dass es für die Attentate eine andere Erklärung als die offizielle geben könnte, ist ein hervorragendes Beispiel von Fantasie. Es ist durchaus sinnvoll, solche Gedanken zu entwickeln. Es könnte ja in der Tat etwas dran sein. Fakten darf und soll man hinterfragen.
Daß der Autor sich in diesem Absatz selbst wiederspricht, scheint er nicht zu realisieren: einerseits bezeichnet er Verschwörungstheorien als alternative Wirklichkeiten, deren Vertreter bei ihrer Informationsbeschaffung gewissermaßen unseriös vorgehen, gerade so, als ob es die eine richtige, echte Wirklichkeit tatsächlich gäbe, nämlich die der offiziellen Version von den Anschlägen des 11. Septembers 2001. Doch am Ende des Absatzes räumt er dann doch ein, daß man sich durchaus Gedanken darüber machen dürfe, ob es nicht doch eine andere Erklärung als die offizielle gäbe, man solle Fakten hinterfragen.
Zudem scheint der Autor bei diesem Thema an einer Art Begriffsverwirrung zu leiden oder doch zumindest keine klare Vorstellung z.B. vom Realitätsbegriff zu haben. Realität ist das Fremdwort für den Wirklichkeitsbegriff. Wirklichkeit kann aber niemals direkt wahrgenommen werden; wir verwalten in unserem Verstand immer nur Wirklichkeits-Modelle. Kein Mensch erfaßt vollständig das, was er für die Wirklichkeit hält, auch wenn die meisten zu glauben scheinen, die Wirklichkeit sei genau so, wie sie sich das vorstellen. Alle Vorstellungen sind im Grunde Theorien, ob sie jetzt von Verschwörungen handeln oder von sonstigen Zusammenhängen. Natürlich gibt es Menschen, die sich von Theorien überzeugen lassen, weil sie in ihr Weltbild passen, und die diese dann Theorien als Fakten wahrnehmen – als wahr annehmen. Wahrheitsglaube oder Realitätsglaube ist aber im Grunde eine Art Aberglaube, weil wir niemals 100 Prozent sicher sein können, daß unser jeweiliges Modell, das wir in unserem Kopf mit uns herumtragen, in allen Punkten dem entspricht, worauf es im Außen zeigt. Realitätsglaube beruht daher auf nichts anderem als auf der kognitiven Technik, alle nur denkbaren Zweifel auszublenden, d.h. zu verdrängen.
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Worauf ich damit hinweisen wollte: Menschen, die Bücher schreiben, mögen deren Inhalte auch noch so klug klingen oder gar als weise interpretiert werden, kochen auch nur mit Wasser. Sie sind denselben Irrtümern, kognitiven Fallstricken und sozialen Einflüssen ausgesetzt wie jeder andere auch.