Strick spricht von Faschismus, wenn auch digitalem, nur in einer Art Begriffsreflex auf linke Analysen und Definitionen des Faschismus, nicht etwa weil er einen konsistenten linken Begriff von Faschismus hätte. Was Faschismus ist bzw. sein könnte, interessiert ihn nicht. Schon gar nicht interessieren ihn Faschismusbegriffe, die aus den Diskussionen im Anschluss an die Marxsche Kapital(ismus)analyse und unter der Erfahrung des "Nationalsozialismus" im 20 Jhdt. entstanden sind.
Die Mehrheit hier im Forum versucht wahlweise die linksliberalen Identitäts- und Diversitätsakrobaten oder die Regierung mit einer plumpen, weil völlig verfehlten Umdeutung des Faschismusbegriffs als Faschisten zu brandmarken. Das sind sie selbstverständlich nicht. Sie sind die verwirrte Speerspitze aufgeklärten Bürgertums, das entweder für die selbst geschaffenen Probleme keine systemischen Lösungen mehr hat und deshalb in idealistische Scheinlösungen wie Sprach-Genderismus oder Kultur-Diversität verfällt oder als Regierung die kapitalistischen Verwerfungen sozialer und ökologischer Art verwaltet, aber keinesfalls löst, weil sie diese nicht lösen kann.
Faschismus als Begriff in der linken Diskussion meint nicht den italienischen Faschismus (auch wenn der Name sich darauf bezieht), sondern eine bestimmte Herrschaftsform des Kapitals.
Hier nur eine (!) Definition, nämlich die von Reinhard Opitz aus dem Buch "Faschismus und Neo-Faschismus", 1984, S. 240 ff (teils als Zitat, teils paraphrasiert):
"Die besondere geschichtliche Funktion des Faschismus besteht darin, in einer monopolkapitalistischen Gesellschaft dem Finanzkapital [verstanden als Fusion des Industrie-, Handels- und Bankkapitals] den Übergang zu seiner terroristischen Diktatur zu ermöglichen [...] bzw. diese terroristische Diktatur zu realisieren."
[...] Faschistische Bewegungen, Gruppierungen, Vereinigungen etc. sind demnach aber in nicht faschistisch regierten Gesellschaften solche, die in der Bevölkerung Anhängerschaft für den Übergang zur faschistischen Diktatur sammeln - und dies notwendig stets in demagogischer Form. Denn die Sammlung kann nur unter Systemunzufriedenen erfolgen; diese jedoch sind, da das bestehende politische System ein monopolkapitalistisches, vom Monopolkapital beherrschtes ist, mit der Herrschaft eben gerade des Monokapitals unzufrieden und gegen sie eingenommen. Die Gefolgschaftswerbung für den Übergang gar zu dessen terroristischer Diktatur muß daher notwendigerweise ausschließlich unter einem demagogischen Schwindeletikett - auf dem zumeist das Wort "Volk" aufgraviert ist - erfolgen.
Erkennbar sind die faschistischen Bewegungen mithin darin, daß
- sie ...." den Rest des Einflusses von "Arbeiterparteien und Gewerkschaften" ausschalten wollen,
- ihr politisches Feindbild deckungsgleich mit dem des Monopolkapitals ist,
- sie die parlamentarischen Parteien des Monopolkapitals an "Radikalität der [...] Schlussfolgerungen übertreffen",
- sie selbstverständlich aber diesen monopolkapitalistischen Standort ableugnen.
Solange bürgerliche Demokratie auch vom Monopolkapital bevorzugt wird, wie es zur Zeit der Fall ist, und deshalb das politische Feindbild der faschistischen Bewegungen/Parteien noch nicht deckungsgleich mit dem des Monopolkapitals ist, haben faschistische Bewegungen/Parteien vor allem folgende Funktionen:
- "Die Auffangfunktion bzw. die Funktion der Ableitung und Umfunktionierung von Protestpotentialen".
- "Die Barometerfunktion (Ablesbarkeit [... für] eine tragfähige antiparlamentarische Massenbasis".
- "Die Alibifunktion für reaktionäre Regierungspolitik" (Berufung der Regierung auf Forderungen in der Öffentlichkeit).
- "Die aktive Antreiberfunktion" (faschistisches Druckpotenzial, Regierung rückt nach rechts, reaktionäre Teile des Monopolkapitals üben Druck auf gemäßigtere Kapitalfraktionen aus).
- "Die langfristige ideologische Umorientierungsfunktion (... 'Geschichtsbildrevison', Irrationalismuspropaganda ....)".
- "Die terroristische Einschüchterungs- und Hilfspolizei-Funktion gegenüber demokratischen Bewegungen" (aktuell z.B. national befreite Zonen)(.
- "Die Destabilisierungsfunktion" (aktuell v.a. Förderung des Eindrucks der "Unregierbarkeit" der Gesellschaft).
- "Die Straßenkampf- und Bürgerkriegsfunktion" (momentan erst in Ausnahmen verwirklicht).
Wer in diesem Definitions- und Begriffsrahmen die AfD als Vorfeldorganisation faschistischer Machtübernahme begreift, liegt richtig.