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  • Dracocephalus

mehr als 1000 Beiträge seit 25.09.2002

Öffentlicher Personennahverkehr...

Sehr aufschlußreich finde ich ja die Begründung der
Staatsanwaltschaft Leipzig.

> "Die Voraussetzungen des in Betracht kommenden Tatbestandes der
> Volksverhetzung sind nicht erfüllt. Die Spieler und Betreuer des VfB Fortuna
> Chemnitz, auf die das Lied bezogen war, sind kein ,Teil der Bevölkerung' im
> Sinne des Gesetzes", teilte sie dem verblüfften Schiedsrichterassistenten
> Lickfeldt schriftlich mit. Der bloßen Textzeile "Wir bauen eine U-Bahn von
> Chemnitz nach Auschwitz" könne nicht entnommen werden, dass die Vergasung der
> Chemnitzer Spieler nach dem Vorbild des KZ Auschwitz gewünscht und damit der
> Völkermord in Auschwitz als Vorbild gutgeheißen wird.

Gut, mag sein, wenn man die Gesetze entsprechend auslegt, daß dieses
unsägliche Lied NICHT volksverhetzend war. Könnte ja sein, daß die
tatsächlich nur den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs
meinten und den Chemnitzer was Gutes tun wollten. Das macht
insbesondere dann Sinn, wenn man den Kontext betrachtet, in dem
dieses Leid gesungen wurde. Zwischen aufgeheizter Stimmung,
"erheblichen rassistischen und antisemitischen Beschimpfungen durch
Zuschauer und durch Spieler" und dem allgemeinen politischen Profil
in der Bevölkerung KANN eigentlich nur ein Kontrapunkt durch ein Lied
zur Personenbeförderung gesetzt werden. Das der Zielbahnhof Oswiecim
fälschlich mit dem historisch vorbelastetem "Auschwitz" angegeben
wurde, hat seine Wurze(l)n indes in der Unfähigkeit der meisten
Deutschen, polnische Namen auszusprechen. Woher soll denn der
Normalbürger wissen, wo die Zugfahrt enden soll? Oswiecim kennt doch
niemand. Das infame Vorurteil, durch die besser verständliche
Verwendung des Namens und den Hinweis auf Züge, würde ein Bezug zum
KZ Auschwitz und die Deportation von zig Tausenden (zum Zwecke derer
Ermordung), ist klar zu widersprechen. Wo kämen wir denn da hin, wenn
man im freien Teuschland nicht mal mehr eine polnische Ortschaft und
einen Zug in einem Atemzug nennen darf? Oswiecim hat einen Bahnhof!
Ist das auch rechtsradikal?

Ja, ich glaube, so muß es gewesen sein. Nur so DARF es gewesen sein!
Tralala, alle haben sich lieb, keiner ist eine rechtradikale
Hohlbirne und darum können wir dieses kleine Mißgeschick einfach
vergessen, oder?

Was lernt man daraus? Na, klar. Was uns die Politik im Großen
vormacht (Lügen ist OK, ist ja nur Wahlkampf! Bestechung ist OK, man
muß ja nur sein Ehrenwort geben! Totalitäre Systeme sind böse, außer
wir sind es selber! Wer so gar keine Ahnung hat, sollte das mit
möglichst viel unwissenden Worthülsen kaschieren! [Liste beliebig
erweiterbar]) funktioniert auch im Kleinen: Wegsehen. Ignorieren (aka
Totschweigen). Aussitzen (oder war es Auschwitzen?). Ablenken.
Vergessen. Erledigt? Gut. Anderes Thema....

Und wie man sieht: Die Gerichte ziehen wieder brav mit. Man könnte
von geschlossenen Reihen sprechen, um man wieder ins braune Liedgut
zu wechseln, die sich der Aufklärung entgegenstellen. Nicht
auszuschließen ist natürlich, daß die Gesetze auch mit weitesten Fall
tatsächlich nicht greifen. Dann kann man den Richtern keinen Vorwurf
machen, sondern nur unserer Legislativen. Die ist ja auch nicht
abgeneigt, ganze Teile des Grundgesetzes über Bord zu schmeißen, um
damit paranoiden Wahnvorstellungen nachgehen zu können oder bei
solchen Lapalien wie Urheberrechtsverletzungen durch private
Downloader die GANZ GROSSE Keule auszupacken und diese auf die Stufe
von Schwerstkriminellen zu heben. Das ging alles ganz schnell und
einfach. Proteste aus Fachkreisen und der Bevölkerung tropfte einfach
ab.
Geht es aber um Rechtsradikalismus (nicht Linksradikalismus, da ist
man ja ohnehin schon auf der Terrorstufe angekommen und solche können
inzwischen präventiv erschossen werden), kommt erstmal das große
Schweigen, dann eine gewisse Empörung ("Wir machen doch schon
soviel!"), dann der Unglaube ("Es gab sicherlich einen anderen
Hintergrund.") und bei erdrückender Beweislast die Abgrenzung ("Das
sind Einzeltäter ohne Rückhalt in der Bevölkerung." oder auch gerne
"Ein Dummer-Jungen-Streich, nichts weiter."). Von Verschärfungen will
man nichts wissen ("Die Gesetze greifen weit genug."), ganz im
Gegensatz zu Terror, Raubkopie und Kinderschänder, wo weit irgendwie
nie weit genug ist. Wenn man den Wahlkampf der SPDCDUSU ansieht,
wundert das aber nicht wirklich....

Und ich bin mir sicher, das wird alles andere als besser in den
nächsten Jahren....

D.

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