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mehr als 1000 Beiträge seit 01.12.2023

Unterschiedliche Stimmgewichtung

Zuvorderst geht's wirklich nur um "Pfründesicherung". Es gibt keinen Grund für die Sperrklausel, weder 5% noch 3% noch 2%. Dabei gibt es IMMER eine "Sperrklausel" - nämlich die Mindestzahl Stimmen, die es einfach braucht, um einen Sitz im Parlament zu ergattern.

Das Europaparlament ist 720 Sitze stark, d.h. 1/720 lässt sich anteilig abbilden. "Kleiner" geht nicht, denn "halbe Sitze" gibt es nicht. Es gibt 350M wahlberechtigte Europäer, pro Sitz müssen bei 100% Wahlbeteiligung also rund 490.000 Europäer abstimmen. Die Wahlbeteiligung liegt europaweit bei 51%, so dass am Ende pro Sitz ca 248.400 Stimmen erforderlich sind. Stimmts?

Nein. Dazu muss man aber analyisieren, wie "schief" eigentlich das EU-Parlament wirklich aufgestellt ist. Die Sitzverteilung basiert auf Wahlberechtigten, nicht auf tatsächlicher Wahlbeteiligung und bevölkerungsarme Länder werden sehr viel stärker berücksichtigt als bevölkerungsreiche Länder.

Die Wahlbeteiligung:
Das Land mit der höchsten Beteiligung war Belgien mit satten 89,8%
Das Land mit der geringsten Beteiligung war Kroation mit 21,3%
Deutschland liegt mit 64,8% im oberen Mittelfeld.
Frankreich repräsentiert mit 51,5% ungefähr die europäische Mitte.

Die Sitzanteile orientieren sich an den Wahlberechtigten im Lande:
Frankreich mit 49,5M Wahlberechtigten erhält pro 611k Menschen einen Sitz
Ein Sitz für Deutschland benötigt für einen Sitz 644k Menschen.
Bei 12 Sitzen für Kroation sind nur 308k Wahlberechtigte pro Sitz erforderlich
Ein belgischer Sitz im Parlament ist 384k Wahlberechtigte "schwer"

Die vier Länder auf abgegebene Stimmen runtergebrochen:
Belgien kommt auf 22 Sitze im Parlament bei 7,6M abgegeben Stimmen.
Kroation stellt 12 Sitze im Parlament, gewählt haben aber nur 378k Wähler.
Deutschland wird mit 96 Sitzen repräsentiert , ca. 42,1M Wähler sind an die Urne gegangen
Frankreich erhält 81 Sitze im Parlament bei 24,7M Stimmabgaben.

Jetzt mal kurz im Kopf die Zahlen zusammenwerfen: ein Sitz wäre im Schnitt rund 490k Stimmen gewichtet. Deutschland braucht aber pro Sitz 644k Stimmen, Kroatien dagegen nur 308k Stimmen. Ich "normalisiere" mal die vier Beispielländer, wie EIGENTLICH die Sitzverteilung aussähe, wenn jeder Sitz gleichgewichtet wäre. Leider wird immer öfter deutlich, dass "Verhältnisgleichungen" (Dreisatz) nicht beherrscht werden in der EU.

Deutschland (korrigiert): 127,3 Sitze -> 127 Sitze
Frankreich (korrigiert): 101,8 Sitze -> 102 Sitze
Belgien (korrigiert): 17,49 Sitze -> 17 Sitze (knappe Sache)
Kroatien (korrigiert): 7,6 Sitze -> 8 Sitze

Keines der drei genannten Länder wird nach realer Sitzgewichtung repräsentiert. Würde ich noch die Wahlbeteiligung hinzunehmen, ist eine kroatische Stimme übermäßig schwer: 12 Sitze zu 378k Wähler ergibt 31,5k Stimmen pro Sitz. Derweil ein deutscher Sitz 438,5k Stimmen benötigt. Das Verhältnis ist 13,9 zu 1: eine kroatische Stimme ist also fast 14x so schwer wie eine deutsche Stimme nach Wahlbeteiligung zu Sitzen.

Also nicht nur, dass kleine Länder stärker berücksichtigt werden als größer, geringere Wahlbeteiligung "boosted" den Wert einer Stimme noch zusätzlich. Nicht berücksichtigt wird die Wirtschaftsstärke des EU-Mitglieds, sondern zusätzlich marginalisiert: die größteren EU-Staaten sind auch die wirtschaftsstärkeren, die zusätzlich auch noch unterrepräsentiert sind im Parlament. Im Falle von Deutschland fehlen über 30 Sitze zur "Normalgewichtung" nach Wahlberechtigung, auch Frankreich fehlen 21 Sitze.

Wir brauchen uns eigentlich NICHT wundern, wenn die "EU-Demokratie" nicht mehr als solche wahrgenommen wird. Hier stimmt überhaupt nichts, es gibt praktisch keinen direkten Zusammenhang zwischen Sitzen und Wahlbeteiligung aufgrund der vielen zusätzlichen Einflüsse. Der brutale Unterschied zwischen einer kroatischen Stimme und einer deutschen Stimme macht das eigentlich am deutlichsten. Selbst wenn jeder Kroate zur Wahl gegangen wäre, ist die Stimme eines deutschen Wahlberechtigten nur halb so schwer.

Dazu die Kungelei um die EU-Präsidentschaft, die grundsätzlich nicht wählbaren EU-Kommissare ... you name it. Nein, diese EU ist nicht demokratisch. Und der Lack ist entgültig ab. Und die Sperrklausel dürfte da nur zum Nachteil der großen Länder gereichen, während die kleineren Staaten zusätzlich geboostet werden.

(Als Quellen wurden https://www.europarl.europa.eu und Wikipedia verwendet)

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (12.06.2024 01:12).

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