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  • Karl Sten

mehr als 1000 Beiträge seit 14.08.2015

Re: Jaja, die schlimmen Jäger wieder mal..

/Rak schrieb am 06.12.2024 19:37:

... die dem armen Bambi ganz fies die Mutter weg schießen...diese fiesen Jäger, diese!

Aber tatsächlich ist der Wald eigentlich gar nicht der natürliche Lebensraum von Rotwild, Familie Rothirsch ist eigentlich Steppenbewohner und Rotwild bevorzugt eigentlich Wiesen und Lichtungen, auch weil man von dort Feinde schon von Weitem erkennen kann - das sind eben Fluchttiere. Auch Rehe sind eigentlich keine Waldbewohner, die leben am liebsten am Waldrand und bevorzugen auch Steppen, Wiesen und sonstige offene Flächen zum Äsen.

Das Problem ist allerdings, dass das wie schon gesagt Fluchttiere sind. Und dass die vom Menschen in den Wald getrieben werden. Denn die Flüchten eben sehr schnell, wenn Menschen irgendwo in Sicht sind. Außer in den Zonen, in denen sie nicht bejagt werden - und wo die Menschen immer auf den Wegen bleiben und nicht näher kommen (in Naturschutzgebieten etwa..), da kann man sie auch mal aus 150m Entfernung noch gemütlich äsen sehen. Ansonsten geben sie oft schon aus 800m bis 1km Distanz Fersengeld.
Dort im Wald können sie zwar sehr gut überleben, finden aber nur wenig Futter. Und fressen daher Rinde und Jungtriebe von den Bäumen. Was dann wiederum die natürliche Erneuerung der Wälder massiv stören kann. Einzäunen kann man das nicht alles (wie schon im Artikel erwähnt) auch weil man damit wiederum die tatsächlichen Waldbewohner wie die Wildschweine oder Füchse und Dachse stören würde. Alle jungen Bäume mit Kunststoff ummanteln ist zwar eine Lösung - aber eigentlich ist das auch eine ziemliche Schnapsidee. Denn das macht auch wieder ziemlich Müll. Und man kann die Bäume damit auch nur dann schützen, wenn sie sehr jung sind. Rehe und Rotwild frisst aber auch gern mal an leicht älteren Bäume die Triebe kaputt - und kann dabei bis auf über 1,6m kommen um junge Triebe weg zu fressen, denn die können sich durchaus auf die Hinterbeine stellen und noch hoch springen um nach Zweigen zu schnappen, auch wenn sie das nur im Notfall machen, wenn es sonst nichts zu futtern gibt. Zudem fressen sie auch Rinde von den Bäumen oder schädigen diese Massiv beim Schlagen mit dem Geweih.

Ein weiteres Problem ist, dass der Mensch mal eben Wolf und Bär ausgerottet hat. Wölfe kommen zwar langsam wieder - das sind aber immer noch viel zu wenige hier um Reh und Rotwild natürlich regulieren zu können - die haben also fast keine wirklichen natürlichen Feinde mehr hier (nur noch Füchse, die gelegentlich mal ein Kitz erwischen können) - und vermehren sich daher stark, mit einer Fortpflanzungsrate/Reproduktionsrate von ca. 100% bis 120% (jede Geiss bringt jedes meist 2 Kitze auf die Welt, von denen meist eines überlebt, manchmal auch beide), auch Rotwild hat um die 80% bis 90% Reproduktionsrate, die Kühe bringen da ab 2 Jahren auch jedes Jahr ein Kalb zur Welt , d.h. die Populationen können sich ohne Regulierung durchaus fast verdoppeln jedes Jahr. Und reguliert wird das Ganze ohne Jäger mittlerweile nur noch durch das Futterangebot (was zum besagten Baumverbiss führt), durch fatale Krankheiten und durch Füchse und durch Trekker mit einem Kreiselmähwerk.

Weswegen eine Nicht-Bejagung in einem Revier dort schnell mal dazu führen kann, dass dort z.B. die Weißtanne durch das Wild und den Verbiss ausgerottet wird innerhalb von kurzer Zeit, denn das sind eben nun mal die bevorzugten Futterbäume. Das betrifft im Gebirge aber auch z.B. den Bergahorn, der von zu vielen Gemsen zu tief im Tal an den Rand der Ausrottung gebracht wird.

Daher: JA, es müssen jährlich schon ziemlich viele Rehe und Hirsche und Gemsen geschossen und entnommen werden um deren Population nicht ausufern zu lassen. Weil sonst der Wald zerstört wird. Und weil man auch nicht möchte, dass Krankheiten und Seuchen in viel zu großen Populationen oder unterernährten Populationen die Entwicklung in Zaum halten - denn das kann schnell mal unkontrollierbar werden und ebenfalls ganze Populationen ausradieren. Aber Krankheiten können auch mutieren und für andere Arten gefährlich werden. Und gar keine Jagd mehr ist eben mindestens genau so schädlich wie die übertriebene Rotwildzucht mit zu vielen Tieren, die einige konservative Trophäenjäger da in ihren Pachten praktizieren.

Alternativ könnte man auch einfach wieder vermehrt Bären und Wölfe ansiedeln und sehr viele km² Felder und Wiesen um die Wälder herum zu Naturschutzgebieten machen und die Population des homo sapiens in den an die Wiesen dann angrenzenden Gebieten noch stark reduzieren (etwa auf 1 Person/km² im Schnitt, z.B. durch große Besiedelungs- und Zuzugverbote für diese Regionen usw.), dann könnte man sich das Jagen dort tatsächlich sparen. Und man hätte wieder eine "natürliche Entwicklung" in den Wäldern.

Aber ich denke, dass das auch kein Option ist, denn die Dörfer und die landwirtschaftlichen Flächen, die oft erst im 15 bis ins 17. Jahrhundert in die deutschen Wälder gerodet worden sind, die kann man eben nicht mehr" weg machen". Zumal damals auch nur ganze 10 bis 15 Mio Menschen im ganzen Reich gelebt haben, keine 100+ MIo, die heute auf dem ehem. Gebiet leben. Und das war damals auch noch konzentriert in ein paar wenigen Städten (Köln: Stadt mit 40 000 Einwohnern..) und vielen Dörfen, die meist von weiten, in weiten Teilen nicht stark bewirtschafteten Wäldern umgeben waren. Heute kannst du in einigen "ländlichen" Regionen oft keine 3km zu Fuß an der Straße entlang gehen ohne direkt im nächsten Dorf mit 500+ Einwohnern zu stehen. Und wir haben keine Wälder mehr - wir haben da nur noch stark bewirtschaftete Forste und reine Wirtschaftswälder, von ein paar Nationalparks mal abgesehen.

Auf allen Truppenübungsplätzen gibt es erfahrungsgemäß sehr viel Wild, da dort aus Sicherheitsgründen nicht gejagt wird.

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