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  • Jens Niestroj

131 Beiträge seit 23.07.2023

Klimaschutz ist kein technisches Problem

Es fällt auf, dass trotz erheblicher Steigerung der regenerativen Energieerzeugung und trotz bedeutender Steigerung der Energieeffizienz der Energieverbrauch in Deutschland bestenfalls stagniert. Und die CO2 Emissionen sinken nur äußerst langsam, viel zu langsam, will man etwas bewirken.
Warum ist es so? Und warum sagen Politik und Medien in ihrer Masse, alles werde gut, falls hinreichend viel Geld in regenerative Energieträger investiert werde? Die Wissenschaft / der „freie Markt“ / die Eliten würden dann schon etwas finden und alles wird gut, solange man nur stark genug daran glaube.
Und warum werden die anderen ebenfalls wesentlichen Menschheitsherausforderungen wenn überhaupt nur am Rande betrachtet? Mit der Senkung der auf CO2 Emissionen alleine wäre es auch nicht getan: die Erhaltung der Artenvielfalt, eine Sicherung der Lebensmittelversorgung durch nachhaltige Landwirtschaft und Erhaltung der Böden, Versorgung der Menschen mit sauberem Trinkwasser, ungerechte Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die Aufrüstung mit der Gefahr eines die Menschheit vernichtenden Atomkrieges etc. müssen auch beachtet werden. Warum also?
Weil es eh schon zu kompliziert ist, und man sich erst einmal auf das Wesentliche konzentrieren möchte?
Da werden politische Entscheidungen, wie das 9 Euro Ticket / 49 Euro Ticket fast einmütig gefeiert. Und dies obwohl das 9 Euro Ticket – wenn überhaupt – nur minimal zu einer Verkehrsverlagerung weg vom motorisierten Individualverkehr geführt hat. Statt dessen wurden massiv Neuverkehre erzeugt, was nun wirklich nichts mit Klimaschutz zu tun hat. Die Regionalzüge waren häufig so voll, dass erheblichen Verspätungen die Folge waren, die Bahn also zu einem noch unzuverlässigerem Verkehrsmittel wurde. Hinzu kommt, dass überfüllte Züge alles andere als bequem sind. Erhebliche Verschmutzungen in den Zügen und nicht funktionierende Toiletten (durch deren Überlastung) waren wohl kaum Werbung für den Verkehrsträger Bahn. Was die Sache noch schlimmer macht: Um diesen für treue Bahnkunden unbefriedigenden Zustand zu erreichen, wurden Milliarden an Bundesmitteln eingesetzt, die dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs fehlen.

Nächstes Beispiel: Heizenergie / Energie für Warmwasser. Trotz deutlich verbesserter Wärmedämmung in den letzten Jahrzehnten, trotz Solaranlagen und effizienteren Gaskesseln ist es nicht gelungen, den fossilen Energieverbrauch für das Heizen zu senken. Warum? Weil parallel die Wohnfläche pro Einwohner deutlich gestiegen ist. Was ist die Schlussfolgerung unserer Regierung: massive Einsätze von einzelnen Wärmepumpen. Betrieben mit Strom, den wir nicht haben und dessen Netze nicht hinreichend ausgebaut werden (können). Lösungen Vor Ort durch gemeinschaftlich genutzte Nah- oder Fernwärmelösungen? Reduzierung der Wohnfläche pro Person? Hört sich alles nach „Verzicht“ und „Sozialismus / Kommunismus“ an und sind des Teufels.

Nächstes Beispiel: Seit einige Jahren ist es üblich, von „Elektromobilität“ zu reden. Wobei nur der motorisierte Individualverkehr gemeint ist und übersehen wird, dass wir bereits seit deutlich mehr als 100 Jahren elektromobile Verkehrsmittel haben: Eisenbahn, Tram und U-Bahn. Hinzu kommt, dass vergessen wird, dass der motorisierte Individualverkehr (MIV) auch mit Batterie oder mit Wasserstoff alles andere als nachhaltig ist. Ein Auto kann in seiner Lebenszeit, wenn es gut geht, 350.000 km zurücklegen. Dies ist die Laufleistung eines ICE. Pro Jahr. Bei 40 Jahren Betriebszeit... Und dann die Ladeinfrastruktur: Wie stellt man sich den Netzausbau vor, falls jeder Anspruch auf eine Ladestelle für seinen eigenen PKW hat? Wie soll dies angesichts der Wärmepumpenvorgaben funktionieren? Ganz davon abgesehen, dass der Strom für diese Form der Elektromobilität schlicht nicht vorhanden sein wird. Aber physikalische Unmöglichkeiten sind kein Grund, von einem Vorhaben abzulassen, das … was genau ermöglichen soll? Dass alles weiter bleibt, wie bisher? Warum??
Hinzu kommt, dass der PKW (und LKW) schon in der Herstellung und beim Recycling eine Nachhaltigkeitskatastrophe sind. Ich weiß nicht, wie viel Elektromotoren mittlerweile in ein Auto eingebaut werden. Es werden Dutzende sein. Hinzu kommen Platinen etc. für die Fahrzeugelektronik mit wertvollen Metallen und Halbmetallen. Und wenn das Auto am Ende seiner Lebenszeit fachgerecht und ordnungsgemäß entsorgt wird, gehen die Platinen und das Kupfer etc. der Kleinstmotoren unwiederbringlich verloren. Und nicht nur das: Da sich das Kupfer im Stahlschrott befindet, kann der Stahl nur noch für minderwertige Zwecke genutzt werden. Kupfer im Stahl bedeutet immer erhebliche Qualitätseinbussen...

Was soll dies alles? Warum wird nicht grundsätzlich diskutiert? Wie ich oben angerissen habe, liegen unsere Probleme nicht in rückständiger Technik. Sondern in der Einstellung. Wie wollen wir leben? Wie soll unsere Gesellschaft verfasst sein? Was benötige ich tatsächlich zum Leben, was wäre ganz nett, und was ist sogar schädlich? Bei diesen Diskussionen käme man schnell darauf, dass auch die anderen o.g. Menschheitsherausforderungen (Erhaltung der Artenvielfalt, Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser, gerechte und friedliche Gesellschaften) auch betrachtet werden müssen, soll der Klimaschutz erfolgreich und nachhaltig sein.
Fragen müssen gestellt und um Lösungen gerungen werden. Werden sie aber nicht. Weil die Phantasie fehlt? Weil es keine Alternativen gibt?
Um es klar zu sagen: Technik kann nicht die Lösung von Problemen sein, die auf gesellschaftliche Einstellungen zurückgehen.
Daher ein Blick auf unser Wirtschaftssystem.

Unser Wirtschaftssystem / -ideologie möchte ich „Kapitalismus“ nennen. Dieses weist folgende Grundprinzipien auf:
1. Es ist alles erlaubt, was nicht verboten ist.
2. Egoistisches Handeln ist ausdrücklich erwünscht.
3. Optimierungsgröße ist die kurz- bzw. mittelfristige eigene Rendite bzw. die Rendite des Unternehmens für das man tätig ist
4. Jedes wirtschaftliche und politische aber auch gesellschaftliche Handeln lässt sich in Geld ausdrücken.
Die untermauernde Ideologie behauptet, dass die egoistischen Motive der Einzelnen durch die unsichtbare Hand des Marktes letztlich gut für die Gemeinschaft seien. Schließlich fiele auch für die weniger leistungsfähigen durch das egoistische Handeln der Leistungsträger (hierz eine Anmerkung: Alleine die unterschwellige Behauptung, Menschen mit hohem Einkommen seien Leistungsträger, die mit sehr niedrigem Einkommen dagegen nicht, ist schlicht eine Frechheit. Leistet ein Rentier (jemand, der von Kapitalerträgen lebt) mehr, als Pflegende im Krankenhaus?) so viel ab, dass ein in der Geschichte beispielloser Wohlstand für alle folge.
Für eine nachhaltige Entwicklung sei es aber wichtig – so die „grünen“ Ideologen des Kapitalismus – dass alle externen Kosten in das Gesamtsystem eingepreist werden. Dann lenke der Kapitalismus die Mittel automatisch zu Vorhaben, die eine nachhaltige Entwicklung ermöglichen so dass auch die für den Klimaschutz notwendigen Innovationen angestoßen werden.
Weitere Maßnahmen abseits der kapitalistischen Grundausrichtung seinen nicht nur unnötig, sondern sogar kontraproduktiv, da ansonsten die Mittel fehlgeleitet würden und – besonders wichtig – die Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft behindert würde.

Ich kann die positive Interpretation des Kapitalismus nicht teilen, und zwar zum ersten, weil die die wesentliche Optimierungsgröße die Renditen der Manager bzw. die Renditen des Unternehmens sind. Daraus folgt:
1. Um die Renditen zu steigern, wird stetig versucht, den Wettbewerb auszuschalten bzw. zu verringern. Selbst falls dies nicht explizit illegal ist (illegal wären z.B. „wettbewerbswidrige“ Preisabsprachen), führt dies dem Grunde nach zu negativen gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen, z.B.
1.1 der Kapitalismus hat an einer Marktwirtschaft kein Interesse6. Schließlich bedeutet Marktwirtschaft, dass der damit verbundene Wettbewerb Renditen schmälert. Dass Kapitalismus zu Lasten des Wettbewerbs im großen Stil praktiziert wird, zeigen Google, Microsoft, die Mineralölkonzerne, Anwalts-, Notar- und Apothekerordnungen, die Pharmaindustrie usw.
Wettbewerb gibt es nur in den unteren Ebenen, also z.B. zwischen Bäckern oder zwischen Arbeitern oder zwischen Angestellten. Marktbeherrscher dagegen können sich weitgehend unbehelligt und hemmungslos auf Kosten der Gesellschaft bereichern.
1.2 Die Ergebnisse von Forschung und Entwicklung werden nicht mit anderen geteilt, weil die „Marktbegleiter“ davon profitieren und so die eigenen Renditen kleiner ausfallen könnten. Bedrohen die Forschungsergebnisse lukrative Produkte des forschenden Unternehmens werden die Ergebnisse nicht genutzt. Daher wird die Innovation der Gesellschaft weitgehend ausgebremst. Verschlimmert wird die Lähmung der Innovationskraft noch dadurch, dass selbst staatliche Forschungsinstitute der Ideologie der Urheberrechte / Patente folgen. Es wird eifersüchtig darauf geachtet, den „Marktbegleitern8“ möglichst nichts von den eigenen Erkenntnissen zukommen zu lassen.
Nebenbei: Ein Leibnitz oder ein Einstein wären nie auf die Idee gekommen, die eigenen Gedankenansätze nicht mit anderen zu teilen, und zwar alleine deshalb, weil sie in der Sache weiter kommen wollten, nicht aber um Renditen oder den eigenen Ruhm zu steigern.

2. Knappheit von Waren und Dienstleistungen sind gut für die Renditen. Marktbeherrschende Unternehmen werden daher immer bestrebt sein, Knappheit zu erzeugen bzw. bestehen zu lassen. An Versorgungssicherheit auch für lebensnotwendige Produkte besteht logischerweise kein Interesse. So herrscht schon sein Jahren auch bei uns in Deutschland Mangel an einigen Antibiotika und Krebsmitteln, ja selbst an Fiebersaft für Kleinkinder, und dies trotz (oder vielleicht wegen) der hohen „Profitabilität“ von Pharmakonzernen9. Weitere Beispiele für künstliche Knappheit: die US Stromindustrie mit verrotteten Leitungen und Kraftwerken, die gleichzeitig für die Verbraucher in Zeiten des daraus resultierenden Mangels zu exorbitanten Strompreisen führen.

Zum Zweiten fördert der Kapitalismus die gierige Seite im Menschen, während die großzügige Seite bestenfalls als naiv verspottet wird. Aber nicht nur bei jedem einzelnen wird die gierige Seite gefördert. Besonders gierige Menschen besetzen überproportional Spitzenpositionen, weil Egoismus / Gier Optimierungsgröße ist.
Die Optimierungsgröße „Egoismus“ wird hin und wieder naturwissenschaftlich mit Verweis auf Darwins Thesen begründet. Allerdings sind die Thesen von Herrn Darwin „survival of the fittest“ bis hin zum Kampf jeder gegen jeden, in der belebten Natur nicht bestimmend. Die Thesen von Herrn Darwin beschreiben nur einen kleinen Teil der belebten Welt. Weitaus wesentlicher sind Kooperationen und gegenseitige Hilfe. Kooperationen und gegenseitige Hilfe sind nicht nur in der „Natur“, sondern auch in der überwiegenden Mehrheit der menschlichen Kulturen in Gegenwart und Vergangenheit bestimmend.

Zum Dritten fördert der Kapitalismus die Vergrößerung von Einkommens- und Vermögensungleichheit. Diese These kommt zwar nicht unerwartet, soll aber nicht unerwähnt bleiben. Vermögen / Kapital muss im Kapitalismus als Selbstzweck wachsen. Große Vermögen wachsen stärker, als die Vermögen der arbeitenden Menschen. Diese können nämlich sowohl absolut als auch relativ einen nur deutlich kleineren Teil ihrer Einkünfte in Vermögenssteigerungen stecken, weil sie einen erheblichen Anteil ihrer Einkünfte zunächst für das Lebensnotwendige konsumieren müssen. Kapital, das ich nicht direkt nutze, wächst in einem erheblichen Umfang aus sich selbst heraus. Typische Kapitalrenditen sind immer deutlich höher, als das Wirtschaftswachstum, woraus eine Vergrößerung der Ungleichheit folgt. Und nicht nur das: eine wesentliche Konsequenz ist die entschädigungslose Enteignung des Wertes von Arbeit.

Zum Vierten führt der Kapitalismus zu einer geistigen und geschmacklichen Verarmung. Durch den Zwang, des Vermögenswachstums werden immer mehr Bereiche in den Kapitalismus integriert und über z.B. Urheberrechte „geschützt“. Musik und Kultur sind reines Geschäft, tatsächliche oder eingebildete Aneignung / Weitereinwicklung von z.B. Musik wird strafrechtlich verfolgt. Hinzu kommt, dass Kultur damit seicht wird, weil sie große Menschenmengen ansprechen muss, damit sie sich rentiert. Wettbewerb wird auch hier ausgeschaltet.
Oder es werden wesentliche Bevölkerungsanteile von Kultur ausgeschlossen. Man versuche nur einmal Karten für die Elbphilharmonie oder die Berliner Philharmoniker zu bekommen, diese sind so teuer, dass sich untere Einkommensgruppen dies schlicht nicht leisten können. Man vergleiche dies mit der Situation von vor 35 Jahren.
Nächstes Beispiel für geschmackliche / gesellschaftliche Verarmung sind die weltweiten Ketten, wie Mc Donald, Burgerking, Starbucks. Überall in der westlichen Welt wird das gleiche fade Zeug gegessen. Durch den Zwang der hohen Stückzahl geht es aber noch weiter: Bäcker nutzen oft die selbe Backmischung, ob in Hamburg oder in Stuttgart. Daher schmecken auch Bäckerbrötchen fast überall gleich.

Zum Fünften fördert der Kapitalismus die Bürokratie. Diese These mag auf den ersten Blick seltsam erscheinen. Aber: die überbordende Bürokratie hilft nur den großen Vermögen. Komplizierte Vorschriften schaffen eine Scheinlegalität (und Scheinlegitimität), da sie ja für alle gleich sind. In Wirklichkeit hilft die Vielzahl einender teilweise widersprechender Vorschriften nur Konzernen mit ihren umfangreichen Rechtsabteilungen und nahezu unbegrenzten Mitteln zur Beschäftigung externer Kanzleien. Dies gilt nicht nur für das Steuerrecht, das Wettbewerbsrecht, sondern auch für alle anderen Rechtsgebiete. Hinzu kommt, dass Gesetze und Vorschriften von (gut bezahlten) Juristen erzeugt werden, die wiederum nur durch (gut bezahlte) Juristen interpretiert werden. Beim Umweltrecht sind mittlerweile inhaltliche Aspekte nebensächlich, Hauptsache man begeht keine Formfehler. Um diese zu vermeiden (oder nachzuweisen) braucht es wiederum Juristen – eine schöne Selbstbeschäftigung ohne jeden gesellschaftlichen Nutzen.

Zum Sechsten erfordert der Kapitalismus ein grenzenloses Wachstum. Ohne Wachstum funktioniert das System noch schlechter. Grenzenloses Wachstum ist aber in einer begrenzten Welt nicht möglich.
Der Zwang zum Wachstum hat noch andere Folgen, die nicht direkt sichtbar sind. Es werden Getriebene geschaffen, die immer höhere „Renditen“ erwirtschaften müssen. Beispielsweise waren die Konquistadoren Cortes und Pizarro trotz der unermesslichen Reichtümer, die sie bei Azteken und Inkas plündernd erbeuten konnten, permanent pleite. Dies galt auch für ihre Mitstreiter. Sie nahmen Kredite auf, mit denen sie ihre Ausrüstung bezahlten, auf die sie aber aufgrund des „Risikos“ so hohe Zinsen zahlen mussten, dass sie immer weiter machen „mussten“. In ähnlicher Situation waren die Glücksritter, die Potosi unter billigender Inkaufnahme von Massenmord ausgebeutet haben, die Plantagenbesitzer in der Karibik, die Sklavenhändler, die Ostindienkompanie, die westlichen Akteure in den Opiumkriegen usw.. Diese Prinzipien des Kapitalismus mit zwanghaft zu Gier getriebenen Protagonisten gelten im Übrigen noch heute.

Zum Siebten ist der Kapitalismus grundgesetzwidrig. Beispiel Artikel 14 Satz 2 des Grundgesetzes (GG): (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Damit kann man nicht uneingeschränkt über Eigentum verfügen. Ein Negieren dieses Ansatzes ist grundgesetzwidrig.

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