Toll, dann kann man dem Pöbel, der aus seinem Dorf nicht rauskommt, wieder erzählen, dass die Leute im Nachbardorf kleine Kinder fressen (oder dort das Gras viel grüner ist und "wir" das ganz dringend selbst benötigen, zumal es ja ohnehin "uns" gehört...) und man ihnen ganz dringend den Schädel einschlagen muss. Kann ja keiner die Richtigkeit dessen überprüfen, und wenn die Herrschaft das so sagt, wird das schon stimmen, schließlich sind die ja noch mobil.
Wir haben die letzten Jahrzehnte in Europa hauptsächlich deshalb Frieden gehabt, weil die Menschen sich kennenlernen konnten, sich gegenseitig besuchen und Kultur und Land des jeweils anderen erleben. Da zogen dann irgendwelche Märchen nicht mehr, wie schrecklich es doch "drüben" wäre und dass man das ganz dringen ändern müsse, weil das sind ja eigentlich gar keine Menschen mehr, sondern ganz gefährliche Mörder und Menschenfresser, die es auf "uns" und "unser" Hab und Gut abgesehen haben.
"Völkerverständigung", "Völkerfreundschaft", waren nur durch eine neugewonnene und für weite Bevölkerungsteile erschwingliche Massenmobilität möglich. Und aufgrund der ökonomischen "Bedürfnisse" musste diese zur Individualmobilität werden, weil man wirtschaftlicherseits die Menschen unabhängig von einander von A nach B verschieben können musste (z.B. damit dann auch der Untergang von "Schienenbussen" (1960er sehr beliebt) auf Eisenbahnnebenstrecken und schließlich deren kompletter Rückbau (Danke, Herr Mehdorn!) und auch nicht auf zig gleichzeitig "Urlaubende" (aka "Abgängige") verzichten kann. (Gegenbeispiel Frankreich ;o) )
Was das Fehlen der Kenntnis und Mystifzierung des "Anderen" anzurichten vermag, sehen wir gerade im aufkeimenden Russenhaß, der nur gedeihen kann, weil kaum jemand sich für dieses Land und seine Menschen seit der Öffnung des Eisernen Vorhangs abseits ökonomischer Interessen jemals wirlich interessiert hat. Außer vlt. noch Dostojewski,Tolstoi und Tschaikowski kennt doch hier kaum jemand überhaupt die russische Kultur. Da ist es natürlich einfach und schnell erzählt, dass "der Russe" in seiner Natur böse und mörderisch ist, wie es uns ja sogar im ÖR-TV von einer "Expertin" erzählt wurde, die nah an "genetischer Veranlagung" vorbeischrammte, was dann vlt. doch noch etwas zu sehr an ein für einige Jahrzehnte verurteiltes Menschenbild erinnert hätte, das aber gerade wieder hoffähig gemacht wird.
Kultureller Austausch, und damit die Grundlage kulturellen, sozialen, gar zwischenmenschlichen Verstehens und somit das solideste Fundament für Frieden und Schutzwall gegen Propaganda und Verhetzung, funktioniert aber nur mit Mobilität. Das geht im Kleinen auf kommunaler Ebene los, und setzt sich zum globalen fort.
Wer es dabei dann noch schafft und wagt, die vorgegebenen Pfade der Touristen, das eingehgte Erkunden, damit das gewünschte Bild nicht wackelt, zu verlassen, der kann dabei oftmals überraschende Einblicke in die Realität gewinnen, die er, gelenkt von an Konflikt und zugrundeliegender Unkenntnis Interessierten, eigentlich gar nicht bekommen soll... Zum positiven wie negativen und hüben wie drüben...
Bleibt man hingegen nur auf "seiner Scholle" und tätigt keinen Blick über den ohne Mobilität ohnehin nicht erreichbaren und damit nur unnötiges "Fernweh" fördernden Tellerrand, dann ist man halt am Ende gezwungen, das zu glauben, was einem von interessierter Seite erzählt wird, und all die Bilder unkritisch als bare Münze zu nehmen, die einem von entfernten, unerreichbaren, Orten vor die Nase gesetzt werden; und das inklusive der Botschaft, die damit vermittelt werden soll.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (20.07.2022 09:59).