Mirko schrieb am 6. März 2007 12:52
> caleridas schrieb am 5. März 2007 17:45
>
> > das ist allerdings eine aufs Absurde reduzierte Sicht der Arbeit
> > eines Wissenschaftlers, denn seine Aufgabe besteht darin *neue*
> > Sachverhalte darzustellen
>
> Ist das wirklich so? Ich glaube, dann dürften sich weltweit höchstens
> ein paar hundert Leute "Wissenschaftler" schimpfen. Wieviel ist schon
> wirklich neu?
ziemlich viel; sogar ein "das hat noch niemand ausprobiert weil
niemand glaubt dass es funktioniert, aber wir haben es jetzt
ausprobiert und es funktioniert tatsächlich nicht" würde ich noch so
gerade als "neu" akzeptieren; dummerweise ist das, was gelegentlich
publiziert wird, weitaus stumpfsinniger
[snip]
> ... Verbrennungsmotor ...
[snip]
gegen die Kombination aus Bekanntem um etwas Neues zu schaffen habe
ich auch nix; allerdings begnügen sich zu viele Arbeiten damit, nur
Bekanntes wiederzukäuen, mit einer absolut minimalen eigenen Idee.
Besonders beliebt sind "Vergleichspapers": da werden zwei
Unterschiedliche Positionen zitiert, verglichen, festgestellt dass
sie gegensätzliche Aussagen treffen, und schlussgefolgert dass da
Forschungsbedarf ist -- fertig ist die Veröffentlichung!
> schon so revolutionär gewesen? Druck in Bewegung umwandeln konnten
> schon Dampfmaschinen, und das ein Benzin-Luft-Gemisch explodiert
> dürfte auch schon vorher bekannt gewesen sein. Auch z.B. neue
> chemische Verbindungen in der Pharmaindustrie fallen i.a. nicht vom
> Himmel in das Hirn eines Wissenschaftlers.
>
> > -- dass die beschriebenen Inhalte nicht abgeschrieben sein dürfen
> > ergibt sich aus der Forderung der "Neuheit"
>
> Aber wie soll es einen Fortschritt ohne Basis geben? Wie hätte das
vielleicht durch Gebrauch des eigenen Gehirns?
> Rad erfunden werden sollen, wenn man die zu zersägenden Baumstämme
> nicht erwähnen darf?
die Baumstämme kann man erwähnen wenn's für's Verständnis des Rads
notwendig ist. Ein "modernes" wissenschaftliches Paper würde
allerdings ersteinmal Seitenlang über Wachstumsbedingungen
verschiedene Hölzer referieren (mit korrektem Zitat versteht sich),
danach Sägeblätter und geeignete Materialien, Sägetechniken. Inmitten
einer solchen zehnseitigen Arbeit würde sich dann die Erkenntnis
verstecken, dass eine zur Wachstumsrichtung senkrecht gesägte Scheibe
eines Baumes prima rollt. (Das ist eine super Erkenntnis. Dafür hätte
ich aber nicht zehn Seiten Mist durchlesen müssen).
Das ist der "Stil", in dem oft veröffentlicht wird, und ist darauf
ausgerichtet die "Zitationshäufigkeit" zu maximieren (anstatt, wie es
sein sollte, gute Ideen zu produzieren und "Zitationshäufigkeit" als
Seiteneffekt und als Indiz zu betrachten): minimale Ideen in ein
Paper stecken, ganz viel Zitieren um von den Kollegen im Gegenzug
ebenfalls zitiert zu werden (in Arbeiten, die dann gleichermaßen
gehaltvoll sind).
Aber genau diese Einstellung (aus formalen Gründen irgendeinen Text
produzieren, Inhalt ist egal weil eh niemand was Neues erwartet)
macht plagiieren lukrativ.
> > Bei einem Mangel an "Neuheit" einer Arbeit spielt es für mich
> > überhaupt dann eigentlich keine Rolle mehr ob's nu abgeschrieben ist
> > oder nicht, der Fehler ist schon viel früher
>
> Jepp. Schon der Anspruch von "Neuheit" ist meist eine Farce.
Nein ist es nicht. Wenn man jetzt mal nicht Forschung zum Selbstzweck
betreiben will sondern mit Praxisbezug dann macht man ja eine
Literatur-Recherche nicht zum Selbstzweck, sondern um bei einem
konkreten Problem weiterzukommen, Ideen oder konkrete Lösungen zu
finden. Toll finde ich z.B. immer Paper die helfen "tote Enden"
auszuschließen (weil sie zeigen dass etwas prinzipiell nicht gehen
kann o.ä.). Und da gibt es natürlich immer ne handvoll guter Paper
die nur so vor Kreativität strotzen, aber ich rege mich jedesmal über
den veröffentlichten geistigen Dünnschiss auf, durch den ich waten
muss bevor ich diese gefunden habe.
> Aber: Wenn's schon nicht wirklich neu ist, sollten doch wenigstens
> die Lieferanten der Basisarbeit erwähnt werden. Allerdings würde die
> Liste bei manchen Bereichen dann irgendwann doch ziemlich lang...
Wenn's nicht neu ist, sollte es nicht veröffentlicht werden. Das ist
völlig verschwendete Zeit und bringt die Menschheit nicht weiter.
"Wissenschaft" heißt "Wissen schaffen", und nicht "Therapiegruppe".
> caleridas schrieb am 5. März 2007 17:45
>
> > das ist allerdings eine aufs Absurde reduzierte Sicht der Arbeit
> > eines Wissenschaftlers, denn seine Aufgabe besteht darin *neue*
> > Sachverhalte darzustellen
>
> Ist das wirklich so? Ich glaube, dann dürften sich weltweit höchstens
> ein paar hundert Leute "Wissenschaftler" schimpfen. Wieviel ist schon
> wirklich neu?
ziemlich viel; sogar ein "das hat noch niemand ausprobiert weil
niemand glaubt dass es funktioniert, aber wir haben es jetzt
ausprobiert und es funktioniert tatsächlich nicht" würde ich noch so
gerade als "neu" akzeptieren; dummerweise ist das, was gelegentlich
publiziert wird, weitaus stumpfsinniger
[snip]
> ... Verbrennungsmotor ...
[snip]
gegen die Kombination aus Bekanntem um etwas Neues zu schaffen habe
ich auch nix; allerdings begnügen sich zu viele Arbeiten damit, nur
Bekanntes wiederzukäuen, mit einer absolut minimalen eigenen Idee.
Besonders beliebt sind "Vergleichspapers": da werden zwei
Unterschiedliche Positionen zitiert, verglichen, festgestellt dass
sie gegensätzliche Aussagen treffen, und schlussgefolgert dass da
Forschungsbedarf ist -- fertig ist die Veröffentlichung!
> schon so revolutionär gewesen? Druck in Bewegung umwandeln konnten
> schon Dampfmaschinen, und das ein Benzin-Luft-Gemisch explodiert
> dürfte auch schon vorher bekannt gewesen sein. Auch z.B. neue
> chemische Verbindungen in der Pharmaindustrie fallen i.a. nicht vom
> Himmel in das Hirn eines Wissenschaftlers.
>
> > -- dass die beschriebenen Inhalte nicht abgeschrieben sein dürfen
> > ergibt sich aus der Forderung der "Neuheit"
>
> Aber wie soll es einen Fortschritt ohne Basis geben? Wie hätte das
vielleicht durch Gebrauch des eigenen Gehirns?
> Rad erfunden werden sollen, wenn man die zu zersägenden Baumstämme
> nicht erwähnen darf?
die Baumstämme kann man erwähnen wenn's für's Verständnis des Rads
notwendig ist. Ein "modernes" wissenschaftliches Paper würde
allerdings ersteinmal Seitenlang über Wachstumsbedingungen
verschiedene Hölzer referieren (mit korrektem Zitat versteht sich),
danach Sägeblätter und geeignete Materialien, Sägetechniken. Inmitten
einer solchen zehnseitigen Arbeit würde sich dann die Erkenntnis
verstecken, dass eine zur Wachstumsrichtung senkrecht gesägte Scheibe
eines Baumes prima rollt. (Das ist eine super Erkenntnis. Dafür hätte
ich aber nicht zehn Seiten Mist durchlesen müssen).
Das ist der "Stil", in dem oft veröffentlicht wird, und ist darauf
ausgerichtet die "Zitationshäufigkeit" zu maximieren (anstatt, wie es
sein sollte, gute Ideen zu produzieren und "Zitationshäufigkeit" als
Seiteneffekt und als Indiz zu betrachten): minimale Ideen in ein
Paper stecken, ganz viel Zitieren um von den Kollegen im Gegenzug
ebenfalls zitiert zu werden (in Arbeiten, die dann gleichermaßen
gehaltvoll sind).
Aber genau diese Einstellung (aus formalen Gründen irgendeinen Text
produzieren, Inhalt ist egal weil eh niemand was Neues erwartet)
macht plagiieren lukrativ.
> > Bei einem Mangel an "Neuheit" einer Arbeit spielt es für mich
> > überhaupt dann eigentlich keine Rolle mehr ob's nu abgeschrieben ist
> > oder nicht, der Fehler ist schon viel früher
>
> Jepp. Schon der Anspruch von "Neuheit" ist meist eine Farce.
Nein ist es nicht. Wenn man jetzt mal nicht Forschung zum Selbstzweck
betreiben will sondern mit Praxisbezug dann macht man ja eine
Literatur-Recherche nicht zum Selbstzweck, sondern um bei einem
konkreten Problem weiterzukommen, Ideen oder konkrete Lösungen zu
finden. Toll finde ich z.B. immer Paper die helfen "tote Enden"
auszuschließen (weil sie zeigen dass etwas prinzipiell nicht gehen
kann o.ä.). Und da gibt es natürlich immer ne handvoll guter Paper
die nur so vor Kreativität strotzen, aber ich rege mich jedesmal über
den veröffentlichten geistigen Dünnschiss auf, durch den ich waten
muss bevor ich diese gefunden habe.
> Aber: Wenn's schon nicht wirklich neu ist, sollten doch wenigstens
> die Lieferanten der Basisarbeit erwähnt werden. Allerdings würde die
> Liste bei manchen Bereichen dann irgendwann doch ziemlich lang...
Wenn's nicht neu ist, sollte es nicht veröffentlicht werden. Das ist
völlig verschwendete Zeit und bringt die Menschheit nicht weiter.
"Wissenschaft" heißt "Wissen schaffen", und nicht "Therapiegruppe".