2015 waren laut offizieller Statistik Beispielsweise 68% (1.676 von 2.457) der Opfer männlich: Das heißt, auf jedes weibliche Opfer kommen mehr als zwei männliche.
Meine Freundin brachte letztens auch das Thema häusliche Gewalt auf und auch ich verwies darauf, dass wenn man die Gesamtzahl der Opfer von Gewalt betrachtet, es deutlich mehr Männer sind und ich forderte, dass wir als Gesellschaft auch mehr darüber reden müssten und dass an die ganzen männlichen Opfer mehr gedacht werden müsste. Ich tat dies sehr vehement und lautstark.
Sie entgegnete sinngemäß: "Ja das stimmt schon was du sagst, aber diese Männer sind ebenso wie viele Frauen Opfer von Gewalt die deutlich überwiegend von Männern ausgeht. Es sind weit mehr Männer die Gewalt ausüben - vor allem Männer müssen sich mäßigen und weniger Gewalt ausüben, ihre Rolle reflektieren und der Fokus der Öffentlichkeit sollte vor allem auf dieser Problematik liegen".
Nun ich gebe es ungern zu, aber es ist schon zum Großteil ein hausgemachtes Problem. Wenn ich Nachts die Wohnung verlasse und mit leicht devoter etwas unsicherer Körperhaltung in bestimmten Stadtteilen unterwegs bin und wiederum einem bestimmten Schlag Mann oder eine Gruppe begegne, habe ich sicher ein größeres Risiko Opfer von männlicher Gewalt zu werden als eine Frau.
Als ich Anfang 20 war, ich kam vom Land, war neu in der Stadt, unsicher und von eher schmächtigem Körperbau, wurde mir häufiger von anderen Männern Gewalt angedroht, ohne mir ersichtlichen Anlass. Da reicht ein unsicherer Blick der wohl etwas zu lange auf der anderen Person ruhte, manchmal auch nur ein Lachen, vielleicht meine Art zu lachen oder einfach zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Wie auch immer aber ich könnte sicher ein dutzend solcher Begebenheiten aufzählen ohne dass ich jemals irgendetwas provoziert hätte. Es waren ohne Ausnahme Männer, die mir Gewalt androhten oder mir zumindest signalisierten, dass Sie nicht scheuten Gewalt anzuwenden oder "sie wollten mit mir vor die Türe gehen".
Das ging mir dann irgendwann zunehmenden auf den Keks. Inzwischen habe ich entsprechende Körperkraft, Kenntnisse in Anatomie und Selbstverteidigung, so dass ich mir zu helfen weiß, vor allem habe ich auch eine mentale Stärke, an welcher es mir damals sicher auch mangelte. Von meiner "Stärke" gebrauch zu machen ist jetzt gar nicht nötig, denn das bestimmte Klientel riecht förmlich wenn es den kürzeren ziehen würde und meidet von sich aus dann die Konfrontation wie die Pest. Ich würde mich gerne auch als schwacher Mann sicher fühlen und wünsche es Männern wie Frauen gleichermaßen, dass sie sich draußen ohne Gefahr durch Gewalt von wem auch immer bewegen können.
Es ist schade. Gerne würde ich auf solche Leute, man muss ehrlicherweise sagen, Männer, verzichten.
Von denen mag dann der eine oder andere dann auch so drauf sein seine Frau und/oder die Kinder zu schlagen, die fallen nämlich in gleiche Kategorie wie ich damals. Körperlich und vlt. auch mental - im dem Sinne eine Konfrontation die meine physische Integrität akut gefährdet aushalten zu können - nicht in der Lage zu sein Paroli bieten zu können.
Das erinnert mich dann auch an meinen Vater, zufälligerweise ein Mann, der mich nicht oft aber zu gegeben Anlass schlug, just bis zu dem Tag, als ich die Nase voll hatte und mich wehrte und mich wehren konnte. Das war dann das letzte mal.
Ich tue es ungern, ich gebe meiner Freundin recht. Es sind vor allem Männer die ein Problem mit Gewalt haben, auf der Geber- und Nehmerseite. Es ist schwer anzuerkennen, dass zuvorderst von unserem Geschlecht die Gewalt ausgeht, noch schwerer ist es anzuerkennen obwohl es so offensichtlich ist, dass wir vor allem Opfer der Gewalt unseres eigenen Geschlechts sind und uns fragen müssen warum und wie wir das ändern könnten und ob wir das überhaupt wollen.
Zweifellos gibt es hierfür biologische und ich vermute sogar noch deutlicher kulturelle/gesellschaftliche Dispositionen. Alles ziemlich messy.
Eine öffentliche Debatte um den beschriebenen Sachverhalt wäre äußerst sinnvoll, doch sind vor allem wir Männer denke ich noch nicht soweit dem vorgebrachten Sachverhalt in aller Klarheit ins Auge zu sehen, verletzt dies doch auf mehrfache Weise unser Selbstbild. Frauen fällt es leichter sich als Opfer von Männern zu begreifen und in diesem Belang solidarisch zu sein und die öffentliche Debatte immer wieder darauf zu lenken.
Meine Freundin entgegnete noch in diesem Zusammenhang: Nun wenn wir Frauen die Debatte weiter voran bringen, die Gesellschaft sensibilisieren für die Gewalt gegen uns, bereiten wir euch möglicherweise den Weg auch die Gewalt gegen euer eigenes Geschlecht zu reflektieren und zu ändern.