Es ist kein Populismus, wenn man Leute ernst nimmt, die den in gewissen Kreisen herrschenden woken Zeitgeist mit guten Gründen, oder auch nur aus dem Bauch heraus ablehnen. Der damit einhergehende Hypermoralismus ist, spätestens da, wo es um reale Politik geht, ein permanenter Akt der Verlogenheit, die wahren Handlungsmotivationen werden verdunkelt.
Wagenknecht muss man für ihre nostalgische Zuwendung zu einem rheinischen Kapitalismus, den es so, wie sie ihn vorstellt, gar nie gegeben hat, deutlich kritisieren. Aber die heutige Führung der Linken ist ein einziges Selbstmissverständnis. Mit ihrer massiven Überbetonung identitätsbezogener Inhalte geht sie an der Lebensrealität desjenigen Teils der Bevölkerung, der ihr natürliches Wählerreservoir darstellt, weitgehend vorbei. Natürlich hören Leute wie Klaus Ernst die ökologische Warnglocke nicht, aber wenn alle Gesetzesänderungen, die mit ökologischen Begründungen daherkommen, weitere Kostenbelastungen nach sich ziehen, die allerdings für das oberste vielleicht Viertel nicht ins Gewicht fallen und sich eine angeblich linke Partei darum nicht kümmert, ist eine deutliche Distanzierung von dieser Partei angezeigt. Sie verliert ihre Existenzberechtigung.
Und dann ist da aktuell noch der Elefant namens Ukraine-Krieg im Raum. Viele machen aufgrund des herrschenden Klimas die Faust im Sack und das nächste Mal ihr Kreuzchen bei den Rechten. Schlicht, weil diese die einzigen sind, die hörbar eine andere Ansicht vertreten, aus welchen Gründen und wie ernsthaft auch immer. Wagenknechts Vorwurf, man treibe so einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung ins rechte Lager, ist offensichtlich berechtigt. Dazu muss man sich nur die Entwicklung der Parteienpräferenz seit Ausbruch des Krieges anschauen.