Sein konkretes Verhalten diktieren ihm nur nicht die Evolution und die Gene, sondern seine Vernunft, auf der Basis einer Analyse der vorgefundenen Umstände und wahrgenommenen Handlungsoptionen.
So stellst du dir das vor: Der Mensch analysiert kühl und vernünftig seine Handlungsoptionen und wählt dann kraft seines freien Willens die beste aus. Abgesehen davon, dass niemand dazu berufen ist, zu beurteilen, welche denn nun die beste / vernünftigste ist: Es läuft nicht so. Es kann gar nicht so laufen, weil es einen freien Willen (im strengen Sinne) nicht gibt und auch nicht geben kann. Denn das würde bedeuten, dass sich das Kausalitätsprinzip außer Kraft setzen lässt, und das schafft nicht mal David Copperfield. Ein wirklich freier Wille würde voraussetzen, dass ein Mensch unter exakt gleichen Bedingungen zu verschiedenen Entscheidungen gelangen kann. Es führte also A in dem einen Fall zu B, in dem anderen zu C. Und das halte ich für abenteuerlich.
Der Mensch ist nicht von der Natur entkoppelt. Von seinem engsten noch lebenden Verwandten trennt ihn genetisch nur ein klitzekleiner Teil. Seine Kulturleistungen, die er aufgrund seines Gehirns vollbracht hat, mögen beeindruckend sein und den Schluss nahelegen, er könne grundsätzliche Beschränkungen, denen alles Leben unterworfen ist, entfliehen. Das ist ein Irrtum, ein gefährlicher Irrtum, weil es regelmäßig zu grundfalschen Diagnosen führt.
Der Freie Wille ist sehr umstritten. Die meisten Philosophen gehen durchaus davon aus, dass es so etwas wie einen freien Willen gibt. (Vergleiche dazu Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Freier_Wille). Außerdem sollte es nicht als Ausrede dazu dienen, nicht mehr nachdenken zu wollen oder für falsche Entscheidungen.
So etwas wie immer gleiche Voraussetzungen, bei zwei verschiedenen Entscheidungen, kann es auch gar nicht geben, weil sich dabei Ort oder Zeit unterscheiden. Außerdem hat dabei auch noch die Quantenphysik ein Wörtchen mitzureden (wegen des Zufalls).
Die Genetik (vor allem der Vergleich mit anderen Tierarten) hat auch kaum eine Aussagekraft in Bezug auf das Verhalten. Epigenetik und Umwelt haben da auch noch einen starken Einfluss. Selbst eineiige Zwillinge können sich unterschiedlich Verhalten. Und unser Gehirn ist durchaus zur Selbstreflexion fähig, auch wenn du das oben abstreitest.
So weit, so richtig. Es bleibt dennoch dabei, dass immer nur ein paar Profiteure die entscheidenden Entwicklungen angestoßen haben, was gar nichts mit "Verschwörung" zu tun hat. Die von den Entwicklungen betroffenen Bevölkerungen hatten nichts zu melden.
Der Kapitalismus lebt davon, dass Investoren ("ein paar Profiteure" von mir aus) ihr Geld in Kapital verwandeln, indem sie es in Technik stecken, die die Produktivität erhöht, also zu mehr Effizienz führt. Anders ausgedrückt: Pro Arbeitskraft wird mehr hergestellt. Die Investoren tun das, um hinterher mehr herauszubekommen und nicht, weil sie auf Technik stehen. Klar. Andererseits kann Kapitalismus nur funktionieren, wenn die Massenproduktion auch ihre Abnehmer findet. Dass der moderne Kapitalismus - entgegen der Prognose von Marx - nun schon über 200 Jahre auf dem Buckel hat, liegt an der segensreichen Erfindung von Gewerkschaften, Arbeitnehmerrechten und Sozialgesetzen.
Marx hat scheinbar nicht mit der Dummheit der Menschen gerechnet, ihr rechtloses Sklaventum immer noch gut zu finden, auch wenn ihnen ihre Situation offengelegt wird.
Außerdem ist die Gefahr in einer Revolution auch ziemlich groß. Die Hoffnung, hinterher wird etwas besser wird gegen die Gefahr, bei der Revolution umzukommen oder zumindest verletzt zu werden oder ins Gefängnis zu kommen gegen gerechnet.
Gewerkschaften und Soziale Errungenschaften sollen übrigens meiner Meinung nach nur ablenken von den wahren Machtverhältnissen.
Hätte kein Mensch erfunden?
Einen solch ungeheuren dynamischen Selbstläufer? Das ist schwer zu glauben. Und der Kapitalismus ist ja tatsächlich auch nicht auf dem Reißbrett entstanden, sondern auf einen historischen Zufall zurückzuführen. Dabei wollten die Engländer nicht die Produktivität erhöhen, der Effizienzgedanke - heute selbstverständlich - war damals gänzlich unbekannt. Es ging nur darum, eine Möglichkeit zu finden, trotz hoher Löhne konkurrenzfähig zu bleiben. Da verfiel man auf die Idee, Arbeiter durch Maschinen zu ersetzen...
Den Kapitalismus gab es auch schon vor der industriellen Revolution. Das hat angefangen mit dem Aufkommen des ersten ‚Geldes’ und die hierarchische Gesellschaftsordnung ist sogar noch älter.
Der Mensch hat allein in den letzten hundert Jahren weit mehr erfunden.
Ja, im Kapitalismus.
Der Kapitalismus ist dabei nebensächlich. Der Mensch an sich ist neugierig und experimentiert gerne herum. Dabei passieren dann Erfindungen. Das hat mit dem Kapitalismus erst einmal nichts zu tun.
Es gab aber zugegebenermaßen so etwas wie eine Verstärkung durch den Kapitalismus, weil reiche Kapitalgeber Erfinder unterstützten und ihnen so mehr Zeit als vorher zur Verfügung stand.
Heutzutage wird Forschung und Entwicklung (vor allem im Grundlagenbereich) aber häufig eher von staatlichen oder staatsnahen Institutionen durchgeführt, weil es selbst für die Kapitalisten zu Teuer ist, bzw. die Ergebnisse nicht so schnell in Produkte und damit Gewinn zurückgeführt werden können.
Glück, Massenwohlstand?
Sag mal, geht's noch?
Ist dir der brutale Unterschied zwischen einer stagnierenden Wirtschaft, wie es sie bis zum Ausbruch des Kapitalismus gab, und einer Wachstumswirtschaft überhaupt klar? Vor dem Kapitalismus wurde geschuftet bis zum Umkippen, und es reichte zum Leben gerade so. Jetzt hast du eine Arbeit, die dich nicht schon mit Mitte 30 zum Wrack werden lässt, immer zu essen, Freizeit, eine medizinische Rumdumversorgung (auf einem unvergleichlich hohen Niveau) und ein Smartphone. Das es nur geben kann, weil in den letzten 30 Jahren Investoren immer wieder in die Entwicklung schnellerer Prozessoren und leistungsfähigerer Speicherchips investiert haben.
Die stagnierende Wirtschaft, wie du es nennst, hat aber immerhin von der Steinzeit, bis zum Mittelalter durchaus einiges an Veränderungen gebracht. ;-)
Und am Anfang der industriellen Revolution ist das durchschnittliche Sterbealter auch erst einmal nach unten gegangen.
Und es hat auch innerhalb des Kapitalismus so ungefähr 150 Jahre gebraucht, bis an so etwas wie Wohlstand für alle überhaupt zu denken war.
Und Wohlstand für alle bezieht sich auch nur auf die reichen Industrieländer.
Und in den letzten Jahren ist Dank deines Kapitalismus der Wohlstand, selbst hier in den Entwickelten Ländern, auch etwas zurück gegangen.
Und ...
Zwei Drittel der Menschheit haben kaum Anlass, dieses tolle System als ihr "Glück" zu empfinden,
Das ist richtig, es ist aber kein systemisches Problem. Kapitalismus braucht Wachstum, aber nicht zwingend Kriege oder die Ausbeutung von Menschen in anderen Ländern.
Ein Kapitalistisches System führt erst einmal dazu, dass jemand mehr haben möchte, als jemand anderes. Das ist unabhängig von Leistung oder Verdienst, sondern hat rein mit Egoismus zu tun. Das Ausnützen der Arbeitskraft anderer, das Übersehen der Nöte anderer, das Ausnutzen von Ressourcen anderer (Länder) gehört einfach zum Kapitalismus.
Insofern kann es durchaus als systemisches Versagen des Kapitalismus ausgelegt werden, nicht für ein allgemeines Wohlbefinden aller zu sorgen.
Kriege werden übrigens häufig angefangen um Ressourcen in anderen Ländern für die eigene Industrie zu besorgen oder zu verhindern, dass andere Länder Ressourcen erhalten.
Dem Kapitalisten ist es egal, wo er seine billigen Arbeiter, seine billigen Ressourcen etc her bekommt. Hauptsache billig und viel Gewinn. Auf Umweltschutz, Sozialleistungen etc. kann der Kapitalist gut verzichten.
Dies mag, genauso wie Krieg, vielleicht nicht zwingend sein, kommt aber immer wieder vor.
Und dass mit dem Wachstum hat sich ja wohl auch bald erledigt (siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Grenzen_des_Wachstums)
und selbst in den höchstentwickelten Ländern verliert es die Eigenschaft, "Massenwohlstand" für die Bevölkerungen zu produzieren, seit mehreren Jahrzehnten zusehends.
Auch das ist kein systembedingtes Problem. Neoliberalismus ist eben ziemlich blöde, eine Torheit geradezu. Ursache dafür ist eine verrückte Marktgläubigkeit, die Politiker und Wähler zu teilen scheinen. Ursache für die Marktgläubigkeit ist ein falsches, wenn auch schmeichelhaftes Menschenbild in Kombination mit einer falschen Einschätzung unseres Wirtschaftssystems. Den Markt, wo alle fair mit Karotten und Tomaten handeln, haben wir hier nicht, sondern Kapitalismus - was ganz anderes. Einem Markt kann jede Liberalisierung nur guttun, sicherlich. Der Kapitalismus braucht aber genau das Gegenteil: sehr stramme Zügel, damit er nicht implodiert!
Der Kapitalismus braucht nicht den Neoliberalismus um schlecht zu sein. Das Konzept des Kapitalismus, mit seinem „Ich will mehr haben als andere“ ist schon das grundlegende Problem, also Systembedingt.
Der Neoliberalismus setzt da nur noch einen drauf, indem er (vereinfacht gesagt) zusätzliches Geld in das ganze System hineinpumpt.
Der Markt hat damit erst einmal gar nichts zu tun. Es geht auch nicht um Marktgläubigkeit beim Neoliberalismus. Du hast aber recht, wenn du sagst: „Ein wirklich freier, transparenter Markt würde dem Kapitalismus schaden“.
Du kannst übrigens dem Kapitalismus so viele Zügel anlegen wie du willst, er wird doch immer noch durchgehen (wollen). Das ist ein Herumdoktern an den Symptomen statt die Ursachen zu bekämpfen.