Einerseits
könnte es sich um ein, gemessen an den Folgen, bisher vergleichsweise harmloses Wiederaufleben paradoxer disziplinarischer Übungen handeln, die in den 70-er Jahren in der Ostsee nicht ganz selten waren. Damals versuchten Flieger beider Seiten, mit gelegentlichem Erfolg, Marineeinheiten der Gegenseite mit den Druckwellen von niedrig geflogenen Schallmauerdurchgängen von ihren Radaranlagen zu "rasieren", und die Marinen wehrten sich in Einzelfällen mit Übungsmunition. Auch Abdrängungskämpfe zwischen den Luftwaffen gab es aus diesem Anlaß und mehrere Unfälle, bei denen es mindestens zwei Todesopfer gab, von denen ich aus Augenzeugenberichten weiß.
Es gab auf beiden Seiten Kommandeure, die diese Praxis duldeten, weil sie sie als Ergänzung des Motivierungsprogrammes willkommen hießen, es gab andere, die sie schärfstens mißbilligten und gelegentlich zu Bestrafungen schritten, wenn sie die Schweigemauern des Corpsgeistes durchbrechen konnten.
Andererseits
Andererseits sind das obige "Wildwest-Wildost"-Geschichten aus Halbstarkentagen der Militarisierung des Weltmarktes. Es freut mich, das Florian Rötzer den hochgradig aggressiven Symbolgehalt der NATO-Präsenz und der Übungen im Umkreis der Exklave Kaliningrad immerhin angedeutet hat. Doch es handelt sich, nach allem, was wir wissen können, nicht nur um Symbolik.
Ohne weitere Recherche erinnere ich aus dem Gedächtnis nur an zwei Vorkommnisse. Das eine ist die kürzliche Bedrängung einer russischen Öl-Rigg durch türkische Handelsschiffe im Schwarzen Meer, die einen russischen Marineeinsatz mit Abdrängungsmanövern und Warnschüssen berief.
Das andere ist der angebliche Fund eines Sprengsatzes an der North Stream Pipeline.
Doch das Wichtigste ist mir die Schwarzmeerübung "Breeze" von 2014, die planmäßig am 15. Juli hätte enden sollen und wenige Stunden vorher um zwei Tage, bis zum 17. Juli verlängert wurde. An diesem Tag wurde MH17 abgeschossen.
Um mich ganz vorsichtig auszudrücken: Diesen zeitlichen Zusammenfall kann und darf kein Militärpolitiker als Zufall behandeln, so lange er nicht Gewißheit darüber hat, wer den Zivilflieger mit welchen Mitteln unter welchen Begleitumständen abgeschossen hat, und solche Sicherheit gibt es nicht, wie wir von der zuständigen Stelle wissen, nämlich dem Leiter der holländischen JIT, Fred Westerbeke, der erst kürzlich den Angehörigen der Opfer schriftlich mitteilte, die Ermittlungen zur Absturzursache seien weiterhin offen, einschließlich der Möglichkeit eines Abschusses durch AAM's, die bislang nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen worden sei.
Um nur einen Punkt aus dem "Phasenraum" des "Zufalles" der Verlängerung von "Breeze" zu nennen, muß ein ehrlicher Ermittler bis dato von der Möglichkeit ausgehen, daß an "Breeze" beteiligte Einheiten elektronische Störmanöver im ukrainischen Luftraum ausgeübt oder verursacht haben, wie sie im westeuropäischen Luftraum im Gefolge von NATO-Übungen mehrfach von zivilen Radaranlagen registriert worden sind. Daß die russische Seite dies vermutet, wissen wir von unbeantwortet gebliebenen Anfragen an das OMV und der Dringlichkeit, mit der die russische, aber auch die malaysische Luftfahrtbehörde vergeblich auf die Offenlegung der ukrainischen Funk- und Radardaten bestanden haben. Es gibt Unklarheiten in der bisherigen Timeline, der angeblichen Abschußposition, des Trümmerfeldes und des Zeitpunkts des ELT-Signales, die es angezeigt sein lassen, die bodengebundenen Zeitsignaturen und Positionsdaten mit den entsprechenden Originaldaten (nicht Abschriften derselben!) aus den Flugrecordern zu vergleichen, was m.W. bis auf den Tag an ukrainischem Widerstand scheiterte.
Zusätzlich könnte man die angebliche Unverfügbarkeit der Originaldaten ukrainischer und russischer Radardaten hypothetisch als Folge von beiderseits verheimlichten Störungen seitens der NATO-Übung deuten.
Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß auf russischer Seite keine "Spielchen" getrieben, keine "Provokationen" aufgelegt worden sein könnten, sondern ernst gemeinte Abschreckungsmaßnahmen gegen eine Wiederholung oder Variierung der "Nummer" stattfinden, die möglicherweise beim Abschuß von MH17 eine Rolle gespielt hat. Wäre das so, wäre die Lage um Längen brisanter, als alle Seiten wahr haben wollen. Dann könnte anläßlich solcher NATO-Manöver in jedem Augenblick ein Schießkrieg zwischen NATO und Russischer Armee beginnen.