Insgesamt pflegte Paschinjan seit seinem Amtsantritt eine großsprecherische Rhetorik. So erklärte er, er werde dafür sorgen, dass die Bevölkerung Armeniens auf mindestens fünf Millionen Staatsbürger anwachsen würde, die Zahl der jährlichen Touristen auf fünfzehn Millionen.
Die Arbeitslosigkeit und Armut würden beseitigt, das Bruttoinlandsprodukt verfünfzehnfacht, der Durchschnittslohn versiebenfacht, das Bildungsbudget verzwanzigfacht werden. Armenien würde Fußballeuropa- und Weltmeister werden, bei den Olympischen Spielen fünfundzwanzig Medaillen erringen und ein Armenier wieder Schachweltmeister werden.
Ferner würden zehntausend Start-ups und mindestens fünf Technologieunternehmen mit einem Wert von über fünf Milliarden US-Dollar geschaffen und die armenische zu einer der zwanzig schlagkräftigsten Armeen der Welt aufsteigen.
Wenn das stimmt, muss man sich eigentlich wundern, warum die Leute dort den Paschinjan nicht ins Irrenhaus gesteckt haben, sondern im Gegenteil ihn weiter im Präsidentenamt belassen haben.
Offenbar hielten - und halten - sie diese Rhetorik für realistisch, weil sie so sehr von der Großartigkeit ihrer eigenen Nation überzeugt sind. Die zugehörige andere Seite der Medaille ist, dass sie nach einem Grund suchen, wieso die Großartigkeit der armenischen Nation bisher nicht zum Tragen gekommen ist. Die Antwort ist natürlich einfach: die Russen waren es, die sie vermeintlich zu Sowjetzeiten niedergehalten haben. Deshalb ist Russland der Erzfeind, und damit ist dann der Feind des Feindes, also der Westen, der Freund.
Nur blöd, dass der Westen sich zwar gewiss gern als Freund hofieren lässt, es dann aber doch von eigenen Kalkulationen abhängig macht, ob - und wenn ja in welcher Weise - er solche Anbiederungen erwidern will. Wo es ihm ins Konzept passt, hilft er mit "farbigen" Revolutionen nach, wo nicht, lässt er den Dingen ihren Lauf, zumal wenn er sich wie in diesem Fall darauf verlassen kann, dass ihm am Ende doch die Früchte in den Schoß fallen.