Ansicht umschalten
Avatar von Karl-Katja Krach
  • Karl-Katja Krach

528 Beiträge seit 09.07.2019

Naturrecht generiert wie jedes Recht Fehlurteile...

Recht ist keine prinzipiell ewige verbale Rede und Gegenrede. Recht ist die Anwendung von allgemeinen, schriftlich verfassten Gesetzen auf konkrete Situationen. Bei der Interpretation von Gesetzen gibt es notwendig Unschärfen und Fehlurteile. Deswegen gibt es kein "gerechtes Gesetz".
Vgl. der Dialog von Derrida und Habermas in "Philosophie in Zeiten des Terrors", wo Habermas den Glauben an das "gerechte Gesetz" für notwendig erklärt und Derrida eine metaphysikkritische Perspektive einnimmt, ohne jeden Relativismus.

Durch die Umsetzung von Gesetzen kann keine Gerechtigkeit erreicht werden. Gesetze können nur eine noch größere Ungerechtigkeit verhindern. Gerechtigkeit wird in dem Maße erreicht, indem eine Gesellschaft befähigt wird, die Werte der Menschenrechte zu leben, ohne dass sie dabei soweit scheitert, dass Gerichte Urteile sprechen müssen.

Diese Werte sind in ihrem universalen Anspruch notwendig, denn Gerechtigkeit ist ein Versprechen allen Menschen gegenüber. Quasi-metaphysisch argumentiert: Wenn es Gerechtigkeit gibt, dann ist sie Gerechtigkeit allen Menschen gegenüber. Eine "Gerechtigkeit", die manchen Menschen gegenüber ungerecht wäre, wäre eine ungerechte Gerechtigkeit, also ein Widerspruch in sich.

Diese Dekonstruktion des Konzeptes des "gerechten Gesetzes" ist "solidarisch mit der Metaphysik im Augenblick ihres Sturzes" (Adorno).

Die Werte der Menschenrechte müssen aber auch hinterfragbar bleiben. So ist die Rede von der "Brüderlichkeit" patriarchal und deswegen sprechen deswegen die meisten Linken von "Solidarität" oder "Geschwisterlichkeit".
Aus christlicher "Nächstenliebe" lässt man Menschen mit anderen Hautfarben im Mittelmeer ertrinken. Andreas Scheuer: "Das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese, der über drei Jahre da ist. Weil den wirst Du nie wieder abschieben."
Nietzsche sprach sich schon im "Zarathustra" für den Wert den gegenchristlichen Wert der "Fernstenliebe" aus, weil dieser zu Selbstüberwindung führe, wie der Wert der Nächstenliebe es in seinen besseren Zeiten, vor seiner Abnutzung (seiner Inflation), getan hätte.

Dass also die Gewaltanwendung durch das Gesetz, die Gerichte und die Polizei in dieser Gesellschaft Normalität ist, dass eine jede kapitalistische Gesellschaft auf systematischer Gewaltanwendung zum Erhalt des Sondereigentums beruht und diese nicht als Scheitern des Bemühens um Gerechtigkeit, sondern als Bedingung des Erfolges und der Gerechtigkeit gewertet wird, ist aus dieser hier beschriebenen Sicht das quasimetaphysische Argument gegen den Kapitalismus und für die Internationale, das das metaphysische Naturrechtsargument ersetzt (als Ersetzung, nicht als Ersatz).

Fazit: Der Natur der Menschen (nicht des Menschen) können Menschen nicht durch Recht und Gesetz gerecht werden, denn das geht notwendig mit Ungerechtigkeit einher. Die Menschenrechte sind dann durchgesetzt, wenn kein Gericht mehr angerufen werden muss, um sie zu gewährleisten. Um diese Aporie der Menschenrechte zu wissen, gehört zur einer Aufklärung dazu, die nicht in die Falle ihrer eigenen Dialektik gehen will. In diesem Sinne deute ich das, was Marx über einen Staat geschrieben hat, der sich selbst abschafft.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (09.05.2021 04:24).

Bewerten
- +
Ansicht umschalten