kp7 schrieb am 16. Januar 2003 14:41
> Was an der ganzen Sache noch am meisten verwundert, ist, daß sowohl
> die USA, als auch eine Reihe anderer Regierungen, Argumente suchen,
> um ihr Verhalten gegenüber der eigenen Bevölkerung zu legitimieren.
> Spielt da Scham eine Rolle? Das Umdeuten eigener, bewußter "Fehler"
> in gute Taten hat ja eine lange Tradition...
Scham sicher nicht. Es gibt ja durchaus eine lange Tradition (auch
wenn man Krieg als Mittel der Politik gutheißt) der
Bewertung/Rangfolge von Motiven entlang einer Legitimitätsskala.
Verteidigung ist immer ok (das nehmen ja Israelis und Palästinenser
wecheslseitig in Anspruch), Hilfe zur Verteidigung ebenso (Irak
1991), Eingriffe auf der Grundlage der Menschenrechte sind umstritten
(zu Recht, weil extrem selbstwidersprüchlich), und was 'niedere
Motive' wie Habgier angeht, so gilt in der Weltpolitik dasselbe wie
im privaten Bereich: ein niederes Motiv bleibt ein niederes Motiv.
Nicht einmal Bush kann seinen Leuten (und schon gar nicht den Russen
oder Franzosen) klarmachen, daß ein Krieg, der einzig die Kontrolle
über das irakische Öl zum Ziel hat, legitim sei. Darf also nur ein
»Nebenprodukt« sein. Rückhalt in der eigenen Bevölkerung ist aber
wichtig (siehe Vietnam), schließlich möchte man ja auch mal
wiedergewählt werden. Und mit der Bedrohungs-Rhetorik lassen sich die
Leute leichter mobilisieren - und das gesamte Arsenal (schon wieder
eine Militärmetapher) der moralistischen Argumentation zum Einsatz
bringen: Von freien, stolzen Amerikanern, die es »ablehnen«, in Furch
zu leben (wer wollte das nicht ablehnen?) über die feigen Europäer
(»eurowimp«), die sich weigern, »den Feind beim Namen zu nennen« oder
»Verantwortung zu übernehmen«.
So wird die Überwindung der kognitiven Dissonanz (»Es ist doch nicht
ok, für den Zugriff auf Ölfelder Leute umzubringen?«) auch noch zur
Abgrenzung der eigenen Position und zur Schaffung des Gefühls einer
nicht nur militärischen, sondern auch moralischen Überlegenheit
genutzt - zwei Fliegen mit einer Klappe.
> und gezielte Fehlinformation läßt sich nicht
> auf Dauer aufrecht erhalten...
Im Fall Jugoslawien hat das aber bemerkenswert gut geklappt (und
klappt immer noch), Rathfelder und Fischer usw. sei dank.
> Was an der ganzen Sache noch am meisten verwundert, ist, daß sowohl
> die USA, als auch eine Reihe anderer Regierungen, Argumente suchen,
> um ihr Verhalten gegenüber der eigenen Bevölkerung zu legitimieren.
> Spielt da Scham eine Rolle? Das Umdeuten eigener, bewußter "Fehler"
> in gute Taten hat ja eine lange Tradition...
Scham sicher nicht. Es gibt ja durchaus eine lange Tradition (auch
wenn man Krieg als Mittel der Politik gutheißt) der
Bewertung/Rangfolge von Motiven entlang einer Legitimitätsskala.
Verteidigung ist immer ok (das nehmen ja Israelis und Palästinenser
wecheslseitig in Anspruch), Hilfe zur Verteidigung ebenso (Irak
1991), Eingriffe auf der Grundlage der Menschenrechte sind umstritten
(zu Recht, weil extrem selbstwidersprüchlich), und was 'niedere
Motive' wie Habgier angeht, so gilt in der Weltpolitik dasselbe wie
im privaten Bereich: ein niederes Motiv bleibt ein niederes Motiv.
Nicht einmal Bush kann seinen Leuten (und schon gar nicht den Russen
oder Franzosen) klarmachen, daß ein Krieg, der einzig die Kontrolle
über das irakische Öl zum Ziel hat, legitim sei. Darf also nur ein
»Nebenprodukt« sein. Rückhalt in der eigenen Bevölkerung ist aber
wichtig (siehe Vietnam), schließlich möchte man ja auch mal
wiedergewählt werden. Und mit der Bedrohungs-Rhetorik lassen sich die
Leute leichter mobilisieren - und das gesamte Arsenal (schon wieder
eine Militärmetapher) der moralistischen Argumentation zum Einsatz
bringen: Von freien, stolzen Amerikanern, die es »ablehnen«, in Furch
zu leben (wer wollte das nicht ablehnen?) über die feigen Europäer
(»eurowimp«), die sich weigern, »den Feind beim Namen zu nennen« oder
»Verantwortung zu übernehmen«.
So wird die Überwindung der kognitiven Dissonanz (»Es ist doch nicht
ok, für den Zugriff auf Ölfelder Leute umzubringen?«) auch noch zur
Abgrenzung der eigenen Position und zur Schaffung des Gefühls einer
nicht nur militärischen, sondern auch moralischen Überlegenheit
genutzt - zwei Fliegen mit einer Klappe.
> und gezielte Fehlinformation läßt sich nicht
> auf Dauer aufrecht erhalten...
Im Fall Jugoslawien hat das aber bemerkenswert gut geklappt (und
klappt immer noch), Rathfelder und Fischer usw. sei dank.