Das Ende Saddam Husseins würde den Amerikanern wirtschaftlich nicht
nützen – ein ZEIT-Gespräch mit dem Wirtschaftsforscher William
Nordhaus
die zeit: Professor Nordhaus, Kritiker in aller Welt behaupten, der
amerikanische Präsident George Bush wolle den Irak nur wegen des Öls
angreifen.
William D. Nordhaus: Das ist ökonomischer Unsinn. Es dürfte für die
USA sehr schwer werden, von diesem Krieg zu profitieren. Im
Gegenteil, mit Kriegsbeginn wird wahrscheinlich der Ölpreis weiter
steigen, das Konsumentenvertrauen einbrechen, und das wird der
amerikanischen Volkswirtschaft schaden. Der europäischen übrigens
auch.
zeit: Obwohl es im Augenblick so aussieht, als würden sich die
Europäer kaum an diesem Krieg beteiligen. In der Bush-Administration
fiel bereits das Wort „Trittbrettfahrer“…
Nordhaus: Richtig, die direkten Kriegskosten werden womöglich allein
die USA tragen. Aber die machen ja nur einen Teil der gesamten Kosten
aus. Die indirekten Kosten sind größer, und sie entstehen durch die
Auswirkungen auf die Konjunktur. Ich habe das einmal durchgerechnet:
Bei einem kurzen Krieg lägen die rein militärischen Kosten bei rund
50 Milliarden Dollar und damit bei etwa der Hälfte der
volkswirtschaftlichen Gesamtkosten von 100 Milliarden Dollar. Bei
einem längeren, schwierigen Krieg beliefen sich die Kriegskosten
hingegen auf 140 Milliarden, aber das wäre weniger als ein Zehntel
der dann zu erwartenden Gesamtkosten von 1,9 Billionen Dollar.
Wohlgemerkt, das sind nur die Kosten für die USA. Die konjunkturellen
Schäden blieben natürlich nicht auf ein Land beschränkt.
zeit: Demnach fallen kurzfristig hohe Kosten an. Aber zahlt es sich
nicht langfristig doch aus, wenn die USA und die westliche Welt sich
das irakische Öl sichern?
Nordhaus: Kann ich mir nicht vorstellen. Es sei denn, der Krieg führt
zum Auseinanderbrechen des Opec-Ölkartells. Wenn dann ein neues
Regime im Irak wie verrückt Öl förderte, fiele der Ölpreis
dramatisch. Zugleich stiege allerdings unsere Abhängigkeit vom Öl aus
dem Persischen Golf noch mehr.
zeit: Auch ohne eine Zunahme der Fördermengen – ist die langfristige
Sicherung der Ölversorgung nicht allein schon ein ökonomisch
sinnvoller Kriegsgrund für die USA?
Nordhaus: Ich glaube nicht, dass die politische Ausrichtung eines
irakischen Regimes einen wirklichen Unterschied macht. Öl ist das
Hauptexportprodukt des Irak, die Iraker müssen es einfach
exportieren. Der Westen bekommt das Öl also in jedem Fall. Wenn die
amerikanische Regierung einigermaßen klar über diese Dinge nachdenkt
– was ich nicht garantieren kann, aber nehmen wir es einmal an –,
dann ist Öl kein wesentlicher Kriegsgrund.
zeit: Auch ohne Öl haben Kriege in der Vergangenheit oft
Wirtschaftsaufschwünge ausgelöst. Schon allein weil der Staat
plötzlich so viel für Waffen ausgibt.
Nordhaus: Historisch gesehen stimmt das. Kriegszeiten waren oft
Zeiten der Vollbeschäftigung und des schnellen Wirtschaftswachstums
in Amerika, siehe die beiden Weltkriege, den Koreakrieg, den
Vietnamkrieg. Aber schon im ersten Golfkrieg 1990/91 war es nicht
mehr so. Ganz im Gegenteil, die Wirtschaft rutschte in eine
Rezession.
zeit: Worin lag der Unterschied?
Nordhaus: In der Vergangenheit gingen amerikanische Kriege
tatsächlich mit einem rapiden Anstieg der Verteidigungsausgaben
einher. Im Zweiten Weltkrieg betrugen die zusätzlichen
Rüstungsausgaben 41 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, im Koreakrieg
acht Prozent, im Vietnamkrieg immerhin noch zwei Prozent. Aber Sie
merken schon, diese Zahl sinkt, und im Golfkrieg 1990/91 gab es kaum
noch einen Anstieg der Verteidigungsausgaben über das Normalmaß
hinaus. Also dominieren in der Wirkung auf die Wirtschaft andere
Faktoren – die Psychologie, der Ölpreis. Im Golfkrieg fiel die Börse,
das Konsumentenvertrauen verschwand, der Dollar fiel. Die Lage
besserte sich erst wieder, als der Krieg vorbei war. Diesmal wird es
uns nicht anders ergehen.
zeit: Aber die Börsenkurse sind ja bereits im Keller, die Zuversicht
der Verbraucher und der Unternehmer ist gedrückt wegen der Furcht vor
einem Krieg, der Ölpreis steigt. Könnte nicht allein der Ausbruch
eines Krieges die Spannung lösen und die Stimmung wieder anheben?
Ganz zu schweigen von frühen militärischen Erfolgen?
Nordhaus: Im Fall eines kurzen, günstig verlaufenden Krieges rechne
ich in der Tat mit einer kurzfristig positiven Wirkung. Aber, ehrlich
gesagt, mit keiner besonders großen. Wir reden hier von Bruchteilen
eines Prozents an zusätzlichem Wachstum. Wenn es andererseits einen
längeren, komplizierten Krieg gibt, werden wir erneut in eine
Rezession schlittern.
zeit: Nun hat Präsident Bush ja vorgesorgt und in den vergangenen
Monaten gleich mehrere Steuersenkungs- und „Stimulations“-Programme
verabschiedet. Werden die das Schlimmste verhindern?
Nordhaus: Möglich, aber ich sehe es mit Sorge, dass die Regierung
Bush zugleich den Bundeshaushalt plündert. Aus Überschüssen in Höhe
von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sind inzwischen Defizite in
derselben Größenordnung geworden, und es wird noch deutlich schlimmer
kommen. Diese Verschlechterung kann man nur zur Hälfte dem
Konjunkturzyklus zuschreiben.
zeit: In der jetzigen Lage ist ein unausgeglichener Haushalt wohl das
kleinere Problem.
Nordhaus: Ich glaube, dass wir mittelfristig einen ausgeglichenen
Haushalt anstreben sollten. Aber in der Tat, in einem
wirtschaftlichen Abschwung hat das nicht unbedingt Priorität. Sie
kennen dieses Problem ja aus Deutschland: Ausgerechnet in Zeiten
ökonomischer Probleme und hoher Arbeitslosigkeit fordert der
Stabilitätspakt, die Haushalte zu beschneiden, was die Krise nur noch
verschlimmert.
zeit: Sprich, die amerikanischen Steuersenkungen kommen zur rechten
Zeit.
Nordhaus: Das eine Problem ist, dass die Regierung Bush, wie einst
die frühe Regierung Reagan, das Haushaltsdefizit praktisch ignoriert.
Das andere Problem liegt darin, dass die jüngsten Steuersenkungen
relativ wenig Wirkung zeigen werden. Um die Konjunktur anzukurbeln,
müsste man die Steuern viel schneller senken oder sie stärker den
Mittelschichten und den ärmeren Amerikanern zugute kommen lassen.
Denn die tragen einen deutlich größeren Anteil ihres Einkommens in
die Geschäfte als die reichen Amerikaner.
zeit: Als wesentlichen Kostenpunkt eines Golfkriegs haben Sie in
Ihrer Studie die längere Besetzung des Iraks aufgeführt, die
möglichen Kosten einer „Nationenbildung“. Wird es dazu wirklich
kommen? Eigentlich will sich die US-Regierung aus solchen Dingen doch
heraushalten.
Nordhaus: Allmählich begreift sie, dass sie zumindest kurzfristig um
solche Kosten nicht herumkommt. Die letzte offizielle Schätzung geht
von 18 Monaten Besetzungszeit aus, persönlich glaube ich an ein
realistisches Minimum von fünf Jahren. Warum sollte der Aufbau eines
neuen Staates im Irak einfacher sein als in Jugoslawien?
zeit: Man könnte die Besetzung den Vereinten Nationen überlassen oder
einzelnen anderen Ländern.
Nordhaus: Sicher, Pakistan zum Beispiel. Der wesentliche Punkt ist,
dass nach einem Krieg politische Stabilität im Irak herrschen muss.
Dazu sind nach meiner Einschätzung Zehntausende, vielleicht
Hunderttausende Besatzungssoldaten nötig. Und es kann passieren, dass
dies dem Kongress nach anderthalb Jahren als viel zu teuer erscheint,
dass die Truppen dann abgezogen werden und ein gewaltiges Chaos
ausbricht – sozusagen das Modell Afghanistan.
zeit: Der Irak ist aber kein armes Land. Könnte man nicht zumindest
die Kosten für die Besetzung und den Wiederaufbau mit Öl decken?
Nordhaus: Der Irak wird nach dem Krieg jährlich für 20 Milliarden
Dollar Öl exportieren. Das ist nicht sehr viel. Erst recht nicht,
wenn man von den Erträgen erst mal die Bevölkerung versorgt. Man kann
die Iraker ja kaum verhungern lassen.
zeit: Sie haben in der Vergangenheit argumentiert, die amerikanische
Öffentlichkeit werde den Krieg nur unter einer Bedingung
unterstützen: Wenn die Kosten an Menschenleben, aber auch die
ökonomischen Kosten gering bleiben.
Nordhaus: Richtig, wir müssen allerdings zwischen dem Krieg selbst
und der Zeit danach unterscheiden. Die Kosten des Krieges werden sehr
sichtbar sein. Wenn die ersten grausigen Szenen aus Bagdad über die
Bildschirme flimmern, mit getroffenen Zivilisten und zerstörten
Häusern, werden sich viele Amerikaner sehr schnell gegen den Krieg
wenden. Die Nachkriegssituation ist viel schwieriger zu analysieren.
Viel hängt von den Kosten ab, wer sich daran beteiligt, ob eine
erneute Rezession kommt oder nicht. Eines sage ich jedenfalls heute
schon sicher voraus: Wenn der Krieg schlecht verläuft und die
Konjunktur in Mitleidenschaft zieht, dann wird es politisch bald sehr
übel für George W. Bush aussehen.
Die Fragen stellte Thomas Fischermann
(c) DIE ZEIT 04/2003
nützen – ein ZEIT-Gespräch mit dem Wirtschaftsforscher William
Nordhaus
die zeit: Professor Nordhaus, Kritiker in aller Welt behaupten, der
amerikanische Präsident George Bush wolle den Irak nur wegen des Öls
angreifen.
William D. Nordhaus: Das ist ökonomischer Unsinn. Es dürfte für die
USA sehr schwer werden, von diesem Krieg zu profitieren. Im
Gegenteil, mit Kriegsbeginn wird wahrscheinlich der Ölpreis weiter
steigen, das Konsumentenvertrauen einbrechen, und das wird der
amerikanischen Volkswirtschaft schaden. Der europäischen übrigens
auch.
zeit: Obwohl es im Augenblick so aussieht, als würden sich die
Europäer kaum an diesem Krieg beteiligen. In der Bush-Administration
fiel bereits das Wort „Trittbrettfahrer“…
Nordhaus: Richtig, die direkten Kriegskosten werden womöglich allein
die USA tragen. Aber die machen ja nur einen Teil der gesamten Kosten
aus. Die indirekten Kosten sind größer, und sie entstehen durch die
Auswirkungen auf die Konjunktur. Ich habe das einmal durchgerechnet:
Bei einem kurzen Krieg lägen die rein militärischen Kosten bei rund
50 Milliarden Dollar und damit bei etwa der Hälfte der
volkswirtschaftlichen Gesamtkosten von 100 Milliarden Dollar. Bei
einem längeren, schwierigen Krieg beliefen sich die Kriegskosten
hingegen auf 140 Milliarden, aber das wäre weniger als ein Zehntel
der dann zu erwartenden Gesamtkosten von 1,9 Billionen Dollar.
Wohlgemerkt, das sind nur die Kosten für die USA. Die konjunkturellen
Schäden blieben natürlich nicht auf ein Land beschränkt.
zeit: Demnach fallen kurzfristig hohe Kosten an. Aber zahlt es sich
nicht langfristig doch aus, wenn die USA und die westliche Welt sich
das irakische Öl sichern?
Nordhaus: Kann ich mir nicht vorstellen. Es sei denn, der Krieg führt
zum Auseinanderbrechen des Opec-Ölkartells. Wenn dann ein neues
Regime im Irak wie verrückt Öl förderte, fiele der Ölpreis
dramatisch. Zugleich stiege allerdings unsere Abhängigkeit vom Öl aus
dem Persischen Golf noch mehr.
zeit: Auch ohne eine Zunahme der Fördermengen – ist die langfristige
Sicherung der Ölversorgung nicht allein schon ein ökonomisch
sinnvoller Kriegsgrund für die USA?
Nordhaus: Ich glaube nicht, dass die politische Ausrichtung eines
irakischen Regimes einen wirklichen Unterschied macht. Öl ist das
Hauptexportprodukt des Irak, die Iraker müssen es einfach
exportieren. Der Westen bekommt das Öl also in jedem Fall. Wenn die
amerikanische Regierung einigermaßen klar über diese Dinge nachdenkt
– was ich nicht garantieren kann, aber nehmen wir es einmal an –,
dann ist Öl kein wesentlicher Kriegsgrund.
zeit: Auch ohne Öl haben Kriege in der Vergangenheit oft
Wirtschaftsaufschwünge ausgelöst. Schon allein weil der Staat
plötzlich so viel für Waffen ausgibt.
Nordhaus: Historisch gesehen stimmt das. Kriegszeiten waren oft
Zeiten der Vollbeschäftigung und des schnellen Wirtschaftswachstums
in Amerika, siehe die beiden Weltkriege, den Koreakrieg, den
Vietnamkrieg. Aber schon im ersten Golfkrieg 1990/91 war es nicht
mehr so. Ganz im Gegenteil, die Wirtschaft rutschte in eine
Rezession.
zeit: Worin lag der Unterschied?
Nordhaus: In der Vergangenheit gingen amerikanische Kriege
tatsächlich mit einem rapiden Anstieg der Verteidigungsausgaben
einher. Im Zweiten Weltkrieg betrugen die zusätzlichen
Rüstungsausgaben 41 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, im Koreakrieg
acht Prozent, im Vietnamkrieg immerhin noch zwei Prozent. Aber Sie
merken schon, diese Zahl sinkt, und im Golfkrieg 1990/91 gab es kaum
noch einen Anstieg der Verteidigungsausgaben über das Normalmaß
hinaus. Also dominieren in der Wirkung auf die Wirtschaft andere
Faktoren – die Psychologie, der Ölpreis. Im Golfkrieg fiel die Börse,
das Konsumentenvertrauen verschwand, der Dollar fiel. Die Lage
besserte sich erst wieder, als der Krieg vorbei war. Diesmal wird es
uns nicht anders ergehen.
zeit: Aber die Börsenkurse sind ja bereits im Keller, die Zuversicht
der Verbraucher und der Unternehmer ist gedrückt wegen der Furcht vor
einem Krieg, der Ölpreis steigt. Könnte nicht allein der Ausbruch
eines Krieges die Spannung lösen und die Stimmung wieder anheben?
Ganz zu schweigen von frühen militärischen Erfolgen?
Nordhaus: Im Fall eines kurzen, günstig verlaufenden Krieges rechne
ich in der Tat mit einer kurzfristig positiven Wirkung. Aber, ehrlich
gesagt, mit keiner besonders großen. Wir reden hier von Bruchteilen
eines Prozents an zusätzlichem Wachstum. Wenn es andererseits einen
längeren, komplizierten Krieg gibt, werden wir erneut in eine
Rezession schlittern.
zeit: Nun hat Präsident Bush ja vorgesorgt und in den vergangenen
Monaten gleich mehrere Steuersenkungs- und „Stimulations“-Programme
verabschiedet. Werden die das Schlimmste verhindern?
Nordhaus: Möglich, aber ich sehe es mit Sorge, dass die Regierung
Bush zugleich den Bundeshaushalt plündert. Aus Überschüssen in Höhe
von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sind inzwischen Defizite in
derselben Größenordnung geworden, und es wird noch deutlich schlimmer
kommen. Diese Verschlechterung kann man nur zur Hälfte dem
Konjunkturzyklus zuschreiben.
zeit: In der jetzigen Lage ist ein unausgeglichener Haushalt wohl das
kleinere Problem.
Nordhaus: Ich glaube, dass wir mittelfristig einen ausgeglichenen
Haushalt anstreben sollten. Aber in der Tat, in einem
wirtschaftlichen Abschwung hat das nicht unbedingt Priorität. Sie
kennen dieses Problem ja aus Deutschland: Ausgerechnet in Zeiten
ökonomischer Probleme und hoher Arbeitslosigkeit fordert der
Stabilitätspakt, die Haushalte zu beschneiden, was die Krise nur noch
verschlimmert.
zeit: Sprich, die amerikanischen Steuersenkungen kommen zur rechten
Zeit.
Nordhaus: Das eine Problem ist, dass die Regierung Bush, wie einst
die frühe Regierung Reagan, das Haushaltsdefizit praktisch ignoriert.
Das andere Problem liegt darin, dass die jüngsten Steuersenkungen
relativ wenig Wirkung zeigen werden. Um die Konjunktur anzukurbeln,
müsste man die Steuern viel schneller senken oder sie stärker den
Mittelschichten und den ärmeren Amerikanern zugute kommen lassen.
Denn die tragen einen deutlich größeren Anteil ihres Einkommens in
die Geschäfte als die reichen Amerikaner.
zeit: Als wesentlichen Kostenpunkt eines Golfkriegs haben Sie in
Ihrer Studie die längere Besetzung des Iraks aufgeführt, die
möglichen Kosten einer „Nationenbildung“. Wird es dazu wirklich
kommen? Eigentlich will sich die US-Regierung aus solchen Dingen doch
heraushalten.
Nordhaus: Allmählich begreift sie, dass sie zumindest kurzfristig um
solche Kosten nicht herumkommt. Die letzte offizielle Schätzung geht
von 18 Monaten Besetzungszeit aus, persönlich glaube ich an ein
realistisches Minimum von fünf Jahren. Warum sollte der Aufbau eines
neuen Staates im Irak einfacher sein als in Jugoslawien?
zeit: Man könnte die Besetzung den Vereinten Nationen überlassen oder
einzelnen anderen Ländern.
Nordhaus: Sicher, Pakistan zum Beispiel. Der wesentliche Punkt ist,
dass nach einem Krieg politische Stabilität im Irak herrschen muss.
Dazu sind nach meiner Einschätzung Zehntausende, vielleicht
Hunderttausende Besatzungssoldaten nötig. Und es kann passieren, dass
dies dem Kongress nach anderthalb Jahren als viel zu teuer erscheint,
dass die Truppen dann abgezogen werden und ein gewaltiges Chaos
ausbricht – sozusagen das Modell Afghanistan.
zeit: Der Irak ist aber kein armes Land. Könnte man nicht zumindest
die Kosten für die Besetzung und den Wiederaufbau mit Öl decken?
Nordhaus: Der Irak wird nach dem Krieg jährlich für 20 Milliarden
Dollar Öl exportieren. Das ist nicht sehr viel. Erst recht nicht,
wenn man von den Erträgen erst mal die Bevölkerung versorgt. Man kann
die Iraker ja kaum verhungern lassen.
zeit: Sie haben in der Vergangenheit argumentiert, die amerikanische
Öffentlichkeit werde den Krieg nur unter einer Bedingung
unterstützen: Wenn die Kosten an Menschenleben, aber auch die
ökonomischen Kosten gering bleiben.
Nordhaus: Richtig, wir müssen allerdings zwischen dem Krieg selbst
und der Zeit danach unterscheiden. Die Kosten des Krieges werden sehr
sichtbar sein. Wenn die ersten grausigen Szenen aus Bagdad über die
Bildschirme flimmern, mit getroffenen Zivilisten und zerstörten
Häusern, werden sich viele Amerikaner sehr schnell gegen den Krieg
wenden. Die Nachkriegssituation ist viel schwieriger zu analysieren.
Viel hängt von den Kosten ab, wer sich daran beteiligt, ob eine
erneute Rezession kommt oder nicht. Eines sage ich jedenfalls heute
schon sicher voraus: Wenn der Krieg schlecht verläuft und die
Konjunktur in Mitleidenschaft zieht, dann wird es politisch bald sehr
übel für George W. Bush aussehen.
Die Fragen stellte Thomas Fischermann
(c) DIE ZEIT 04/2003