Ich gehöre zu den ersten, die 1990 mit einem handgeschriebenen Visum des ersten lettischen Botschafters in Deutschland, Andrejs Urdze, nach Lettland gereist und die Unabhängigkeitsbewegung vor Ort durch teilnehmende Beobachtung unterstützt haben.
Auch in den Folgejahren war ich immer wieder vor Ort und kenne die Situation.
Viele der Rentner/innen, um die es hier geht, sind im Lettland geboren und haben ihr Leben lang unter wenig privilegierten Bedingungen für Lettland gearbeitet und Steuern gezahlt. Trotzdem hat die EU zugelassen, dass sie mit Ausweisen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) ausgestattet wurden oder sich mit ungültig gewordenen sowjetischen Ausweisen behelfen mussten. Der lettische (und estnische) Staat hat ihnen 25 Jahre lang die Staatsbürgerschaft verweigert.
Von den Palästinensern - der weltweit größten Gruppe mit Staatenlosen-Ausweisen der UNO - unterscheiden sich die russischen Letten (und Esten) nur dadurch, dass ihnen Russland und Weißrussland erlaubt haben, GUS-Ausweise zu beantragen, obwohl sie nicht in Russland oder Weißrussland geboren sind. Erst seit 2014 dürfen sie, obwohl im Land geboren, überhaupt eine lettische (estnische) Staatsbürgerschaft beantragen.
Es ist eine Schande. Des "Wertewesten" tritt elementare Menschenrechte der Unterprivilegierten mit Füßen!
Diese Rentner haben ihre Kinder und Enkel in den lettischen Staat integriert, haben ihr Leben lang in Lettland gearbeitet und dürfen als "Dank" im fortgeschrittenen Rentenalter sehr umfangreiche und strenge Sprach- und Schreibtests absolvieren, bei denen auch viele Menschen, die mit lettischer Muttersprache aufgewachsen sind, durchfallen würden.
Wer sich im heutigen neoliberalen Lettland die privaten "Nachhilfe"-Kurse, die speziell für die Einbürgerungs-Sprachtests eingerichtet sind, nicht leisten kann, fällt durch.