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552 Beiträge seit 28.01.2024

Re: Statisten?

"Und bedenken Sie auch, dass das was sie als richtig empfinden muss nicht für den Rest der Welt gelten. Gesellschaften kommen aufgrund ihrer Erfahrungen und Geschichte zu verschiedenen Schlussfolgerungen und Einsichten.

Dem will ich nicht widersprechen, da ist definitiv was Wahres dran. Unterschiedliche Kulturen können tatsächlich Dinge und Zustände unterschiedlich bewerten, wenngleich es doch eine weitgehend globale Überlappung gibt in grundlegenden Dingen, wie etwa dem Wunsch, ausreichend zu essen zu haben, kein Opfer von Gewalt zu sein, keine Schmerzen zu erleiden, möglichst nicht krank sein, möglichst nicht eingesperrt oder ausgebeutet zu werden etc.

Wenn die Menschen in Russland (die ich übrigens sehr respektiere, da sie viele Genies, Schachweltmeister, grandiose Künstler und Wissenschaftler hervorgebracht haben, eine beeindruckende Anpassungs- und Improvisationsfähigkeit besitzen, extrem fleißig sind und ein beeindruckendes Durchhaltevermögen haben), überwiegend ein autoritäres System wünschen, weil sie vielleicht ein höheres Bedürfnis nach fremdbestimmter Ordnung haben, dann ist es eben so.

Wo jedoch die Plausibilitätsgrenze unterschritten wird, ist der Punkt, wenn das autoritäre System vorgibt, eine Demokratie zu sein, gewissermaßen das Label der Demokratie zur Eigenlegitimation nutzt. Das ist unredlich.
Und ganz problematisch wird es dann, wenn dieses selbe System andere Staaten angreift, deren Infrastruktur systematisch zerstört, Bürgerkrieg anzettelt, Hunderttausende ermordet und jeden zweiten Tag davon spricht, Berlin, London und Paris zu atomisieren.
Spätestens an dieser Stelle hört dann das interkulturelle Verständnis, welches Sie einfordern, schlicht auf.

Im übrigen möchte ich Sie noch auf eine innere Inkonsistenz in Ihrer Argumentation hinweisen:
Sie haben sich viel Mühe gegeben, darzulegen, wie demokratisch Putin, wie frei die Presse und wie ungehindert die politische Opposition sei.
Mit anderen Worten: "Alles ist genau so demokratisch und frei wie im Westen - und sogar noch freier und noch besser!"
Um dann im nächsten Absatz dafür zu werben, dass unterschiedliche Gesellschaften unterschiedliche Wertesysteme haben können - d.h. Wir sind doch nicht so gleich in unserer Auffassung von Demokratie?

Soweit ist alles noch im Rahmen eines Diskurses OK - let's respectfully agree to disagree.

Aber geärgert habe ich mich über Ihren letzten Absatz, der direkt einem propagandistischen Narrativ des Kremls entspricht, nämlich dem eines untergehenden Volkes - gemeint haben Sie hier offenbar Deutschland.

Meinungen aus einem verarmenden und aussterbenden Volk sind nicht notwendigerweise maßgebend für den Rest der Welt.

Hier mal zu Ihrer Information, die Sie auf RT/Sputnik/Prawda und Co. Vermutlich so nicht präsentiert bekommen: Russland hat eine niedrigere Geburtenquote als Deutschland und im Gegensatz zu uns ein negatives Bevölkerungswachstum. Bezüglich der mittleren Lebenserwartung liegt Russland auf Platz 122 weltweit, und die Lebenserwartung der Männer liegt in Russland bei 65 Jahren, die in Deutschland bei 78 Jahren.

Und wenn Sie von einem "verarmenden Volk" sprechen wollen, dann sehen die Zahlen hier für Sie vergleichsweise düster aus (BIP pro Kopf: Deutschland 51.000 USD, Russland: 12.200 USD, Stand 2021).

Wenn Sie also schon von einem untergehenden Volk sprechen wollen, sollten Sie erstmal die eigene Situation reflektieren.
Es sei denn, dass Sie hier imperiale Expansion meinen und Deutschland bald unter russischer Herrschaft wähnen?

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (25.03.2024 17:33).

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