Wahrnehmung bedeutet nicht anderes, als die Deutung eines Außenreizes, der bis in unseren Neokortex vorgedrungen ist, als wahr anzunehmen. Daher ist alles, was wir denken, symbolhaft. Gedanken sind Symbole, oft recht komplexe, richtiggehende Ideengebäude. Das bedeutet nichts mehr und nichts weniger als daß unser Denken lediglich ein Herumfuhrwerken auf unserer inneren Landkarte von der Welt »da draußen« darstellt. Doch die Landkarte ist nicht das Gelände, ebenso wenig, wie die Speisekarte das Essen ist. So lange wir also denken, oder immer wenn wir denken, sind wir nicht in Kontakt mir der Wirklichkeit, sondern vielmehr in Kontakt mit unserer Vorstellung von der Wirklichkeit, sprich: mit der Landkarte, die wir uns im Laufe unseres Lebens von dem, was wir als Realität vermuten, erstellt haben oder in uns haben erstellen lassen. Die Behauptung angeblicher objektiver Wahrnehmung wird lediglich durch herrschende Übereinkünfte (breiter Konsens) gestützt, weil so die Illusion entsteht, jeder würde diese bestimmte Sache genau so wahrnehmen, wie man sie selbst wahrzunehmen glaubt.
Eine Landkarte ist nichts anderes als eine symbolische Darstellung eines Geländes. Der Mensch kann Landkarten nicht von Natur aus lesen und daraus Vorstellungen in seinem Geist bilden; das Lesen von Landkarten muß ebenso erlernt werden wie das Lesen von Text und zuvor das Sprechen und Denken in einer bestimmten Sprache. Worte sind nicht die Dinge, die sie bezeichnen, sondern symbolhafte Platzhalter, mit denen wir in unserem Geist operieren, indem wir ihnen gefühlsmäßige Wertungen beimessen und so testweise gewissermaßen abzuschmecken suchen, wie sich eine derart konstruierte Wirklichkeit wohl anfühlen möge. Manche sind aber bereits so weit entfremdet, daß sie nahezu ohne Gefühlsbeteiligung denken, allen voran die Psychopathen.
Es gibt ein Buch, das sich genau mit diesen Dingen befaßt, indem es mit zahlreichen Vorurteilen und übernommenen Sichtweisen aufräumt:
Hubert Dreyfus & Charles Taylor: Die Wiedergewinnung des Realismus
irwish.de/Epub/Dreyfus+Taylor-Die_Wiedergewinnung_des_Realismus.epub
Als René Descartes im 17. Jahrhundert die Erkenntnistheorie neu erfand, revolutionierte er mehr als eine philosophische Disziplin. Er begründete ein Denkschema, das das metaphysische und ethische Selbstverständnis der westlichen Moderne umfassend geprägt hat und uns – so Hubert Dreyfus und Charles Taylor – bis heute beherrscht. Da es aber auf falschen Voraussetzungen ruht, muß es final dekonstruiert werden. Dies ist das Ziel ihres Buches. Dazu gilt es, Descartes' wirkmächtigste Idee vom Tisch zu nehmen. Sie lautet, daß wir nie in direkten Kontakt mit der Außenwelt treten, sondern stets vermittelt durch Vorstellungen in unserem Geist. Dreyfus und Taylor zeigen, daß diese Idee bis in die Gegenwart überlebt hat, sogar bei den Philosophen, die behaupten, sie überwunden zu haben. Und sie entwickeln eine Alternative in Rückbesinnung auf eine Traditionslinie, die von Aristoteles bis zu Heidegger und Merleau-Ponty reicht. Anhand von Begriffen wie Dasein, Zeitlichkeit und Verkörperung skizzieren sie ein radikal neues Paradigma, das den Menschen als immer schon in direktem Kontakt mit der Welt begreift: einen robusten pluralen Realismus, der auch in ethisch-politischer Hinsicht einheitsstiftende Kraft hat. Es ist der endgültige Abschied von Descartes – souverän inszeniert von zwei der bedeutendsten Denker unserer Zeit.
Der Eindruck unverrückbarer Realität lediglich durch Beschreibung, also durch Darstellung, durch Abbildung entsteht durch die Herstellung von Konsens, der gewöhnlich durch gesellschaftlichen Druck erzeugt wird. Wir einigen uns aus welchen Gründen auch immer auf gewisse Beschreibungen, denen wir Gültigkeit beimessen. Gültigkeit ist Geltung im gesellschaftlichen Miteinander, und wer über die Deutungshoheit verfügt, der übt Macht über die Bedeutungen der Begriffe und Begriffsgebäude aus, indem er bestimmt, wie sie zu verstehen seien. Macht jedoch ist immer interessegeleitet. Es gibt keine Politik ohne Eigeninteresse.
All das, was wir nicht selbst und direkt empirisch erfahren haben, wurde uns medial vermittelt. Das heißt, wir glauben medial vermittelter Information unter bestimmten Vorasussetzungen, die individuell sehr verschieden, aber auch sehr homogen sein können, je nachdem in welchen gesellschaftlichen Zwängen wir uns befinden. Daher kommt es, daß die allermeisten unserer Vorstellungen von der Welt da draußen vermittlungsgebunden sind: sie wurden uns vermittelt, meist bevor wir selbst ein entsprechendes Interesse für die eine oder andere Sache entwickelt hatten. Das bedeutet, daß wir unsere eigene Wirklichkeit nicht nur vorwiegend durch unüberprüfte und daher lediglich durch guten Glauben angenommene Vermittlung konstruieren, sondern daß wir in der Regel nicht einmal selbst unserem eigenen Interesse entsprechend auswählen, was uns wann vermittelt wird. Bestes Beispiel dafür ist der Fernseher: Die Sendungsmacher wählen Zeitpunkt und Inhalt der Sendung, Sie können nur passiv konsumieren.
Die Freiheit der autonomen Informationsadaption hat der moderne Medienkonsument tatsächlich nicht, wenn er sich nicht aktiv selbst um die Konstruktion seiner inneren Landkarte kümmert. Dazu muß er jedoch erst einmal realisieren, daß seine Vorstellungen von der Welt nicht die Welt selbst sind, sondern ein einmaliges, individuelles Symbolsystem von Ideen und Vorstellungen – die häufig ebenfalls nicht seine eigenen sind – davon, wie die Welt da draußen beschaffen sein möge, wie was womit zusammenhängt, welche Kausalitäten herrschen und wie man von hier nach dort oder sonstwohin kommt. Die meisten Leute hängen jedoch einem gewissen Wortaberglauben nach: Wo ein Wort existiert, muß es auch die entsprechende Sache geben, die mit dem Begriff bezeichnet wird. Oft verwechseln die Menschen daher die Speisekarte mit dem Essen.
Nun habe ich jedoch oben durch den Hinweis auf das Buch von Dreyfus und Taylor angedeutet, es gäbe dennoch einen direkten Zugang zu dem, was wir gewöhnlich nur symbolisch wahrzunehmen gewohnt sind und gelernt haben. Wie paßt das jetzt zusammen? Auch wenn diese beiden Autoren sehr aufschlußreiche echte Weisheiten verbreiten, möchte ich mich ihnen nicht in allem anschließen, sondern habe meine eigenen Vorstellungen und Erkenntnisse dazu entwickelt.
Der Wahnsinn der »Realisten«
Die menschliche Haltung, die man gemeinhin als Realismus – ein Überbegriff, eine Kategorie; es gibt sehr verschiedene philosophische Richtungen des Realismus – bezeichnet, kommt zustande, indem man alles, was sich nicht dem gerade herrschenden Realismus-Paradigma unterwirft, einfach wegläßt, als irrelevant bezeichnet. Irrelevant ist dabei vor allem die innere Wirklichkeit eines jeden einzelnen Individuums. Im Grunde herrscht heute noch immer ein gewisser Positivismus vor: eine utilitaristische Lehre, die sich als die Maxime »Sehen ist glauben« fassen läßt. Alles, was er nicht mit seinen eigenen Sinnen direkt wahrnimmt, liefert dem Positivisten keinen Grund, es zu glauben. Wenn sich seine Theorien auf Konzepte oder Objekte berufen, die selbst nicht direkt beobachtbar (und daher empirisch nicht verifizierbar) sind, hat er nicht den geringsten Anlaß, an die Existenz dieser Konzepte oder Objekte zu glauben. Die Wirklichkeit wurde dem Positivisten zu einer rein empirischen Wirklichkeit – manifest in Wirkungen, die er direkt wahrnehmen, erfahren und damit verifizieren kann –, wobei jeder Versuch, darüber hinaus zu einer Art unabhängiger Wirklichkeit vorzudringen, als sinnlos und unwissenschaftlich verworfen wurde (logischer Positivismus des Wiener Kreises).
Ich möchte den Leser dazu einladen, das Buch Matrix (oder: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?) von Jim Baggott zu lesen, da es den Rahmen meines Beitrags sprengen würden, wollte ich hier die komplette Geschichte des Positivismus darstellen.
irwish.de/pdf/Baggott-Matrix-Wie_wirklich_ist_die_Wirklichkeit.pdf
Ein akademischer Überblick über den Realismusbegriff findet sich bei Hugo Aust in seinem Buch Realismus – Lehrbuch Germanistik:
irwish.de/pdf/Aust-Realismus.pdf
Der Realismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen stellt letztendlich nichts anderes dar als den Versuch, die Realität dadurch zu bewältigen, indem man sie auf Äußerlichkeiten reduziert. Die Menschen, die dafür verantwortlich sind, besitzen gewöhnlich keinerlei Beziehung zu wirklichen Bedürfnissen und wirklichen Gefühlen. Doch sie bestimmen darüber, wie die Realitäten um uns her beschaffen sein und wie wir sie wahrnehmen sollen. Und die meisten von uns sind völlig zufrieden mit dieser reduzierten Realität, weil sie ihnen erlaubt, die unbequeme innere Beunruhigung zu ignorieren. Diese innere Unruhe ist Resultat direkten Kontakts mit der Realität, die aber gewöhnlich ausgeblendet bleibt, weil die gesellschaftlichen Normen dies erzwingen. Wer das anders sieht, wer sich dem gesellschaftlichen Realismus nicht unterwirft, wird ausgegrenzt und in manchen Ländern für seinen Unglauben sogar getötet.
Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Eine dem Realismus unterworfene Mutter eines Neugeborenen wickelt und füttert ihren Säugling und erwartet dann von ihm, daß er schläft und sie nicht weiter belästigt. Wenn der Säugling, nachdem die Mutter ihn in sein Bettchen gelegt hat, diese Erwartung nicht erfüllt und – in der Wahrnehmung der »realistischen« Mutter – einfach zornig weiterbrüllt, läßt sie ihn so lange schreien, bis er erschöpft aufgibt. Er hat doch eigentlich alles, er wurde frisch gewickelt, ein wenig liebkost, gefüttert, was also sollte ihm fehlen? Außerdem hat sie von ihrer eigenen Mutter gelernt, daß man Säuglingen nicht nachgeben darf in ihrem unreifen Willen, weil sie später sonst verweichlicht seien, was immer das auch bedeuten mag. Also reagiert sie ganz realistisch und unterdrückt jede noch so kleine Regung, den Kleinen doch lieber auf den Arm zu nehmen und am eigenen Körper zu halten, bis er von alleine einschläft. Dieses Bedürfnis kann die realistische Mutter nicht zulassen, weil sonst ihre eigenen damals entstandenen Ängste wieder hochkommen würden. Lesen Sie dazu vielleicht auch meinen Beitrag von gestern: Das Fremde in uns, das wir in anderen bekämpfen.
Ein anderes Beispiel: Die Hartz-IV-Gesetzgebung stellt sich insoweit als realistisch dar, indem sie vorrechnet, daß die gewährten Almosen für ein selbstbestimmtes, würdiges Dasein in unserer Gesellschaft vollkommen ausreichen würden. Jeder ALG-II-Empfänger, ganz besonders jede alleinerziehende Mutter, kann aus eigener leidvoller Erfahrung bestätigen, daß diese Mittel nicht einmal annähernd ausreichen, um diesen Zweck zu erfüllen. Doch die Deutungshoheit über die Höhe des ALG-II-Satzes liegt nicht bei den Betroffenen, sondern vielmehr bei Menschen, die weit davon entfernt sind, wirtschaftliche Not zu erleiden, ja sie nicht einmal aus eigener Erfahrung kennen. Sie rechnen ganz »realistisch« irgend einen Betrag zusammen und weigern sich konsequent, die Äußerungen der Betroffenen überhaupt wahrzunehmen. Damit verhalten sie sich grausam und unmenschlich gegenüber jenen, denen sie doch eigentlich helfen zu wollen vorgeben. Ihr Realismus blendet alles, was sich nicht ihrer eigenen reduzierten Wahrnehmung fügt, vollkommen aus, behaupten aber, die korrekte und vollkommene Berücksichtung dessen, was sie als Realität bezeichnen, zu wahren. Das sind dumme, reduzierte Menschen, die es verstehen, anderen etwas vorzumachen und sich als Sachverständige gerieren, wo sie in Wirklichkeit keinen blassen Schimmer haben. – Was so natürlich nicht ganz richtig ist, denn tatsächlich wurde der Hartz-IV-Satz aus mehreren »realistischen« Gründen so niedrig gewählt: Erstens will man damit die noch arbeitende Bevölkerung einschüchtern mit der Angst vor diesem niedrigen Satz, den sie unter Umständen riskiert, wenn sie nicht spurt, sich gegen unbezahlte Überstunden auflehnt oder gar ihre Vorgesetzten kritisiert. Die Macher dieser Gesetzgebung (regierungsfremde Anwälte) sind sich zudem der Tatsache bewußt, daß die unweigerlich entstehende kognitive Dissonanz in der arbeitenden Bevölkerung, wenn sie Abmachungen zu ihrem eigenen Nachteil zustimmen sollen, dafür sorgt, daß sich das daraus entstehende Empörungspotential nicht gegen die Verursacher richtet, sondern gegen jene, die ohne Arbeit, weil sie angeblich zu faul seien, leben dürfen, wenn auch auf geringstem wirtschaftlichen Niveau. Daher richtet sich zweitens die Empörung auf die in Armut lebenden Menschen, einfach weil diese ein Ventil bieten für die nicht erlaubten Wutgefühle gegen die Obrigkeit. So schlägt man aus Psychopathensicht zwei Fliegen mit einer Klappe. Tatsächlich stellen für diese Un-Menschen die Hartz-IV-Empfänger nicht mehr dar als Sozialschmarotzer: Insektengleiches Ungeziefer, das man vernichten muß. Realismus eben.
Wenn man Ereignisse bagatellisiert und banalisiert, kann man sie ebenfalls von den Gefühlen trennen, die möglicherweise entstehen könnten. Man kann das Leben auf nichtssagende Statistik reduzieren, man kann es aber auch den technischen Neuerungen unterwerfen – der sicherste Weg, sich keine Rechenschaft mehr über das ablegen zu müssen, was man tut. Das schrecklichste Beispiel dafür sind wohl die technischen Fortschritte der modernen Kriegführung, die den Krieg zu einer beiläufigen und erträglichen Angelegenheit gemacht haben, zumindest für jene, die nicht durch Bomben zerfetzt und von Maschinengewehren durchlöchert werden. Früher mußten jene, die töteten, auch damit rechnen, selbst getötet zu werden. Heute dagegen bedienen sie eine hochkomplexe Apparatur, durch die sie kaum mehr bemerken, daß sie töten, und nur ein geringes persönliches Risiko eingehen. Drohnenpiloten töten in einer Art Videospiel täglich Unschuldige. Heute kann man daher Kriege führen, ohne daß es ins Bewußtsein zu dringen braucht, daß es sich um Töten handelt. Bereits mit der Einführung des Luftkrieges war es den Bomberpiloten kaum noch bewußt, was ihre Bomben am Boden anrichteten. Die beiden Atombomben auf Japan waren ebenfalls nur deshalb möglich, weil die Verantwortlichen dem Realismus frönten.
Der Prototyp des Realisten ist der Psychopath: Bar jeglicher Gefühlsbeteiligung an seinen Handlungen, vollkommen frei von Empathie und Moral agiert er systematisch wir ein Roboter. Von dieser Art Mensch sind die meisten hochrangigen Führer und ihre Hintermänner: Sie zerstören die Verbindung zwischen den Ereignissen und den Gefühlen, die sie uns auslösen, oder sie lenken die Aufmerksamkeit auf ein stark gefühlsbetontes Detail um und damit von einer ernsthaften Gefahr ab. So werden wir in unserer Wahrnehmung irre: Wir spüren Zweifel, ob wir nicht falsch fühlen, wenn wir angesichts einer rührenden Geschichte, wie sie z.B. die Brutkastenlüge darstellte, darauf bestehen, die tatsächliche Notwendigkeit einer US-Krieges gegen den Irak zu untersuchen.
Die heutige Informationsdichte täuscht darüber hinweg, daß den meisten Medienkonsumenten Information immer nur bruchstückhaft angeboten wird, ohne lebendige Verknüpfung mit dem Ganzen, mit dem Leben, mit der lebendigen Wahrnehmung durch Organismen, die wir nunmal sind. Rainer Mausfeld nennt das Informationsfragmentierung, die es uns unmöglich macht, ein komplettes Bild der Welt und der Geschehnisse in ihr zu entwickeln. Letzteres ist im Grunde nur jenen Menschen möglich, die sich aktiv darum bemühen, die sich das nötige Basiswissen selbständig aneignen, wie ich das als Autodidakt seit Jahrzehnten mache. Wenn man keine Zeit dafür hat, dann muß man sich diese Zeit nehmen. Kaum etwas ist wichtiger als das! Zeit vor dem Fernseher zu verbringen ist vollkommen verschwendete Zeit, ebenso die Zeit, die man mit Videospielen verbringt. Das bringt nichts. Unsere Zeit auf Erden ist endlich. Irgendwann sind wir zu alt dafür, nochmal von vorne zu beginnen. Wer im Rentenalter noch kein gutes Sachbuch gelesen hat, wird dann wohl auch nicht mehr damit anfangen ...
Zerstörung ist der unmittelbare Ausdruck des Wahnsinns derer, die sich ganz ausschließlich der »Realität« widmen. Ideologische Verkleidungen verschleiern gewöhnlich diesen Zusammenhang. Der Wahnsinn der »Realisten« ist ihre Leugnung des Menschlichen unter dem Deckmantel der Sorge für den Menschen. Sie verstehen, sich ein menschliches Antlitz zu geben, haben aber keinerlei entsprechende Gefühle. Ihr Inneres ist ein Hexenkessel von Rache und Mordlust; anstelle eines lebendigen Selbst fühlen sie nur Leere. Um dieser Leere und dem inneren Chaos zu entkommen, müssen sie Leben um sich her zerstören, nur dadurch fühlen sie sich lebendig. Der Erfolg der »Realisten« beruht nicht nur auf ihrer Kunst, sich als Führer unentbehrlich zu machen, sondern auch auf der Natur des Gehorsams jener, die solche Führer benötigen, um ihr Selbst abgeben zu können. Deren Bedürfnis nach Anpassung richtet ihr gesamtes Sein danach aus, daß sie Regeln erfüllen. Sie hängen an den Buchstaben des Gesetzes und der Verordnungen und zerstören so die Realität unserer Gefühlswelt. Auf diese Weise brauchen sie ihre eigenen zerstörerischen Impulse nicht zu erkennen. Sie finden oft ihren Ort in der Bürokratie, wo sie im Namen von Gesetz und Ordnung Gefühle niederwalzen und sich selbst dabei völlig im Recht fühlen können. Diese Konformisten sind die Fußsoldaten der psychopathischen Führernaturen und helfen ihnen, die Welt in den Abgrund zu treiben. Diese Kollaboration erst macht die Lage so bedrohlich. Die Bereitschaft, die Regeln höher zu achten als das Leben, macht die unheilige Allianz von Konformist und Psychopath möglich.
Fazit
Es gibt keine freiwillige Einigung darüber, was Realität sei und was nicht. Die beobachtbaren Übereinkünfte sind gewöhnlich erzwungene bzw. unterwürfig erduldete, sieht man einmal von dem allein in der akademischen Welt herrschenden Konsens ab in naturwissenschaftlichen Fragen ab, obwohl auch dort Unterwürfigkeit und vorauseilender Gehorsam herrschen. In der Gesellschaft, in den Städten und Dörfern leben Menschen, die sich mehr oder weniger dem herrschenden Gesellschaftsdruck anpassen müssen, um Nachteile zu vermeiden. Was sie wirklich denken, behalten sie gwöhnlich für sich, und geben öffentlich nur das kund, was erlaubt ist, was dem Status Quo entspricht und ihre jeweilige Stellung nicht gefährdet. Das ist eine gesellschaftliche Realität, die von den meisten sogenannten Realisten strikt geleugnet wird. Die Bücher des amerikanischen Soziologen Erving Goffman können dabei behilflich sein, diese Realität zu erkennen.
http://www.irwish.de/Site/Biblio/Goffman.htm
Wer Interesse an tiefergehenden erkenntnistheoritischen und sprachkritischen Werken verspürt, dem sei die excellente Site von Werner Petschko empfohlen, die man sich auch komplett herunterladen und offline durchstöbern kann.
http://www.gleichsatz.de/
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (17.05.2018 05:14).