Aber nein, Putins Vorschläge im Winter, zu Abrüstungsgesprächen, die können wir getrost ignorieren, der würde NIE die Ukraine angreifen.
Aber nein, Minsk II braucht man nicht ein zu halten, Russland hat eh keine Möglichkeit, Druck zu machen, und wenn der Ukraine als unabhängiges Land steht es selbstverständlich frei, Verträge ein zu halten oder nicht.
Aber nein, Russland hat gar kein Recht, den Donbass als "unabhängig" an zu erkennen. Und überhaupt, was soll Putin denn machen - in die Ukraine einmarschieren? Lächerlich!
Aber nein, Russland wird uns das Gas schon nicht abdrehen, der braucht schließlich unser Geld. Ausserdem ist der ja dermassen blöd, dass der nie nie nie auf die Idee käme, auf unsere Sanktionen zu reagieren.
Aber nein, natürlich würde Russland nie Atomwaffen einsetzen. Die werden sich in aller Ruhe, vielleicht mit zusammengebissenen Zähnen anschauen, wie wir der Ukraine Waffen liefern, mit denen Russlands Armee dezimiert sind. Die werden wie die letzten Volltrottel noch ihr letztes Flugzeug, ihren letzten Panzer in den Donbass schicken, wo wir sie (von unseren ukrainischen Freunden) abschießen können wie Tontauben.
Aber nein - ganz aktuell von heute morgen, B. Johnson - wir brauchen nicht überlegen, wie man den Krieg so zu Ende kriegt, dass beide Seiten halbwegs das Gesicht werden. Wir können Putin nach Belieben demütigen und erniedrigen, seine zensierten Staatsmedien verkaufen ihm das schon als glorreichen Sieg.
Möglich, dass wir richtig liegen. Bei den ersten beiden Punkten allerdings haben wir uns grandios verschätzt, viel zu hoch gepokert.
Vor drei Monaten war der Einsatz beim Pokern die Ukraine, die haben wir verloren, weil wir unsere Position überschätzt haben.
Jetzt ist der Einsatz unsere (Deutschlands) Zukunft. Wir sitzen auf dem Pulverfass.
Möglich, dass unsere Regierungen Recht haben, dass unser Blatt jetzt besser ist, und das Putin sich unsere Provokationen, pardon, die dringend notwendige Unterstützung der Ukraine, ohne Gegenreaktion gefallen lässt.
Aber wenn wir falsch liegen, dann haben wir ein Problem.
Und, was unsere Strategen in den Redaktionsstuben ignorieren: Je erfolgreicher unsere Strategie ist, je stärker wir Putin in Richtung Niederlage zwingen - desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass er eben doch die Gaslieferungen einstellt oder Atomwaffen einsetzt. (Die vorigen Verteidiungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hielt taktische Atomwaffen für die angemessene Antwort etwa auf Russlands Drohungen gegen NATO-Kriegsschiffe im schwarzen Meer. Warum sollte Putin genau so denken, wenn seine Soldaten tatsächlich ernsthaft unter Druck kommen sollten? Wäre ja nur ein Warnschuss ...)