Weltreiche gab es schon vor dem Aufstieg des Kapitalismus und sie waren alle imperialistisch. Der Klassiker ist dabei das Imperium Romanum, also der Inbwegriff des Imperiums überhaupt. Insoweit ist die Frage, ob ein Land, das einen Angriffskrieg gegen ein anderes führt, dabei imperialistisch ist oder nicht, weil in ihm klassische Elemente des Spätkapitalismus fehlen, eine weitgehend akademische Frage mit wenig Realitätsbezug.
Großmachtstreben mit kolonialistischen Ambitionen gab es schon vor der ausgereiften Entwicklung des Kapitalismus. Dies gilt besonders für das zaristische Großmachtstreben, das innerhalb der Feudalordnung einer aristokratischen Klassengesellschaft stattfand, wo der Adel den unermesslichen Reichtum, Landbesitz und die Leibeigenschaft der Untertanen konsumierte.
Der moderne Despotismus hat die alten Elemente des Untertanentums aufgenommen und umgewandelt. Heute beherrscht man die Untertanen durch Manipulationsinstrumente der Propagandabeschallung, die einer Gehirnwäsche nahe kommt und schickt die Zombies dann in den Untergang als Kanonenfutter oder sonstige Verfügungsmasse. Der legendäre Kommunisten-Spruch dazu ist ja von "ich liebe Väterchen Stalin" ins neurussische "ich liebe Putin" gerutscht.
Was dem Angriffskrieg einen Bürgerkriegscharakter beschert, ist vor allem der völkische Ansatz Putins von der Einigkeit der gesamtrussischen Bevölkerung, bestehend aus Weißrussen, ukrainischen Kleinrussen und den dominierenden Großrussen. In Klartext bedeutet es, alles was russisch ist, muss dem russischen Despoten gehören. Aber das ist der Faschismus par excellence. Das kommunistische Sowjetreich wird als simple Fortsetzung des großrusssichen Kolonialstaats verstanden, man holt sich zurück, was einem historisch zustehen würde. Tatsächlich ist diese faschistische großrusssiche Idee kaum sinnvoller als die Naziidee vom Germanentum oder noch weitläufiger, zum Ariertum, das ja slawische Elemente, die es immer schon in Ostdeutschland gab, mit einschloss. Im Grunde hat Putinrussland faschistischen Quark umgerubelt, wenn er die Ukrainer zu Nazis umetikettiert, um damit ihre Nichtigkeit zu behaupten. Bei Hitlerdeutschland war die Legitimation der Aggression noch im Kulturbolschewismus begründet. Das war auch schon Quark.
Was den Spätkapitalismus des Westens betrifft, hat er seine imperiale Phase längst überschritten und befindet sich im Verfallsstadium und zwar in zweierlei Hinsicht, erstens nach außen hin auf dem Rückzug unter Verlust seiner Dominanz und zweitens nach innen vom Zerfall bedroht, dem Ansturm des inzwischen von keiner Staatsintervention mehr gebremsten globalisierten Finanzkapitals zu erliegen. Die Volksherrschaft, die sich mal freiheitlich demokratisch nannte, löst sich auf im Herrenmenschentum der Privatinteressen der international operierenden Geldaristokratie, die schert sich um die Völker einen Dreck.
Die faschistischen Zuckungen des Nationalismus im Ukrainekonflikt werden nicht nur Russland ruinieren, sondern gleichermaßen den europäischen Westen. Es wird nach meiner Meinung so eine Art Wettlauf des Zerfalls eintreten zwischen dem Westen und Putinrussland. Wobei Putinrussland wenigstens noch die Atombombe auf seiner Seite hat, die Europäer haben nur die USA in ihrer postkolonialistisch zerrütteten inneren Struktur, sozusagen Trump statt die Atombombe als Garantie ihres Daseins. Man kann nur pessimistisch sein.