` "In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten."
Der erste Satz dürfte wohl ziemlich zutreffen. Der zweite ist neunzehntes Jahrhundert, vielleicht ja noch halbes zwanzigstes, doch war er selbst damals im Wesentlichen Propaganda. Er suggeriert, ein "Staat" sei eine Art monolithisches Gebilde, eine Art "Organismus" gar, mit einem gegen die Außenwelt gerichteten einheitlichen Interesse oder zumindest einer entsprechenden gemeinsamen Resultante seiner inneren Interessenstrukturen.
Dass es mit zunehmender, auch supranationaler Kapitalkonzentration keinen derartigen Vektor mehr geben kann, reduziert dieses "Nationalinteresse" auf pure reaktionäre Propaganda, ansonsten taugt es höchstens noch für Sportligen.
Zur Propaganda muss es natürlich noch immer herhalten, wenngleich die Chose mittlerweile einen beachtlichen Bart aufweist. "Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche", plärrte einst der bärtige Kaiser Wilhelm. Die tatsächlichen Interessen waren einerseits die der Eigentümer der Privatwirtschaft und andererseits die diesen entgegenstehenden des zum Kanonenfutter bestimmten Staatsvolks.
Noch älter sind die Anmerkungen des britischen Lexikographen Samuel Johnson ("Nationalism is the last refuge of a scoundrel") und die Korrektur des US-Autors und konföderierten Soldaten Ambrose Bierce ("not the last, the first refuge").
Dass es zu unseren Zeiten noch gelingt, Menschen mit solchem nichtexistentem Zeug wie "Staatsinteresse" besoffen zu machen, sollte jeden Nichtbildzeitungsbuchstabierer nachdenklich machen.
Aber...
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