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Avatar von auf_der_hut
  • auf_der_hut

mehr als 1000 Beiträge seit 07.05.2008

Re: Manipulation ist eben keine Information

Ein schöner Beitrag, danke dafür.

Wie kommt eigentlich die Auffassung zustande, alleine das negative Russlandbild sei das Ergebnis von absichtlicher Verkürzung und Manipulation im Sinne irgendwelcher Interessen, nicht aber das positive "Taiga / Literatur /menschliche Werte" Bild?

Woran sich die Frage anschließt: was ist mit dem negativen Amerikabild, könnte das nicht auch das Ergebnis von Manipulation sein?

Und wie kommt das Bild der Ukraine zustande? Im Sinne der "Ost"-Prägung war die Ukraine ja einfach ein Bestandteil (Sowjet)-Russlands und kein richtiger Staat. Wie Moskau mit denen umgeht ist eine innere Angelegenheit, die Deutschland nichts angeht. Für "Wessis" ist die Ukraine hingegen eher so etwas wie Polen oder das Baltikum, eine Nation aus dem sowjetischen Machtbereich, die jetzt mit etwas Verspätung von Russland abnabelt und den Anschluss an den Westen sucht.

Es ist auf jeden Fall nützlich, sich über diese Stereotypen, die eigenen genauso wie die fremden, klar zu werden, weil sie unterschwellig unsere Interpretation von Wirklichkeit bestimmen. Es ist gut für die Diskussion, sich gerade auch mit den "Bildern der Anderen" auseinanderzusetzen.

Ich bezweifle, dass solche Bilder / Stereotypen wirklich durch Manipulation erzeugt werden - sie bilden eher ein Einfallstor dafür. Bestätigungen und Verstärkungen eines Stereotyps werden bereitwilliger geglaubt - Bestätigung fühlt sich einfach besser an als Zweifel. Manipulation kann weitergehende Botschaften an diese Bildern quasi als Nutzlast koppeln und z.B. mit einem positiven Russlandbild eine Assoziation von Demokratie mit "Chaos" und "Dekadenz" (oder neudeutsch "Wokeness") verbinden, autoritäre Führung und Intoleranz hingegen mit Recht und Ordnung.

Für beide Bilder- bleiben wir mal dabei sie verkürzt "West" und "Ost" zu nennen- gab es Momente der Erschütterung gefolgt von Phasen der Restauration. Im Westen wären da der Vietnamkrieg, 9/11 mit dem folgenden "Krieg gegen den Terror" mit Irakkrieg, Guantanamo, Abu Ghraib usw. und zuletzt Trump zu nennen, im Osten der Zusammenbruch der Sowjetunion und zuletzt der Angriff auf die Ukraine.

Auf einen fundamentalen Unterschied zwischen "Ost" und "West" sei noch hingewiesen: der Zusammenbruch der sozialistischen Welt 1990 war eine Zäsur, die einen direkten Einbruch der Politik in das Leben jedes Einzelnen bedeutete . Etwas Vergleichbares gibt es in West-Biografien nicht, jedenfalls nicht als kollektive Erfahrung.

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