Es ist bekannt, dass der Kreml über soziologische Institute Umfragen durchführen lässt, um die Stimmung der eigenen Bevölkerung zu erkunden. Der kreml-eigene Geheimdienst FSO, vergleichbar mit dem US-amerikanischen Secret Service unterhält zu diesem Zweck sogar eine eigene soziologische Abteilung.
Auch das staatliche Institut WZIOM und das regierungsnahe Privatinstitut FOM sind in diese Arbeit eingebunden. Die Ergebnisse der Umfragen werden nur zum Teil veröffentlicht, etwa wenn die Befragten mehrheitlich Regierungsnarrative unterstützen.
Unterscheidet sich das denn von den Aktivitäten des Verfassungsschutzes bei uns. Ich gehe mal davon aus, dass der genau so die Stimmung in der Bevölkerung analysiert. Wenn nicht, auf welcher Basis sollte er dann verfassungswidrige Tendenzen erkennen? Wenn der Verfassungsschutz keine soziologische Abteilung betreibt, dann gehört er wegen Dilettantismus dicht gemacht.
Befragt nach ihren aktuellen Emotionen war die häufigste Antwort der Studenten und Pädagogen "Angst und Furcht" mit 36 Prozent, hoffnungsvoll blickten nur 25 % in die Zukunft, "empört und enttäuscht" 20 Prozent. Interessanterweise erntete Putin selbst bei der Umfrage dennoch die Unterstützung von 64 Prozent der Teilnehmenden, wobei diese Frage an der kritischen Higher School of Economics aufgrund eines Beschlusses der Hochschulleitung nicht gestellt wurde.
War nur eine Antwort möglich und damit etwa 56% ängstlich oder empört/enttäuscht oder waren Mehrfachnennungen möglich und damit der Anteil der Enttäuschten eine Teilmenge der Ängstlichen und damit nur 36%?
Neben dieser Verfälschung muss man einschränkend sagen, dass nichteinverstandene Russen etwa nach Einschätzung des Moskauer Soziologen Boris Kagarlizky ihnen persönlich unbekannten Interviewern nur selten wahre Antworten geben.
Hoffnungsvoll blickten nur 25% in die Zukunft ... das heißt 75% trauten sich ihre Hoffnungslosigkeit/wenig Hoffnung offen zu artikulieren, hatten also keine Angst wahre Antworten zu geben, oder haben die etwa auch gelogen?
Die nichteinverstandenen Russen, die "nur selten wahre Antworten geben" sind also ein Teil aus den 25% der "hoffnungsvollen" Antworten.
Will der Artikel damit zum Ausdruck bringen, dass es annähernd überhaupt keine ehrlich hoffnungsvoll in die Zukunft schauenden Russen gibt?
"Interessanterweise erntete Putin selbst bei der Umfrage dennoch die Unterstützung von 64 Prozent der Teilnehmenden"
Könnte es sein, dass "das Interessante" lediglich aus der ungeordneten und undifferenzierten Nennung der Prozentzahlen resultiert? Denn ob jemand ängstlich oder wenig hoffnungsvoll ist weil ihn die russische Politik ängstigt, oder weil er ängstlich und wenig hoffnungsvoll ist weil die NATO offen gegen Russland vorgeht dürfte wohl ein Unterschied bei der Bewertung Putins machen.
Wäre es denn seriös, wenn ich sagen würde 89% der wahlberechtigten Bundesbürger lehnen Klimaschutz ab, sind für extraterritoriale Sanktionen und für Lieferungen von Waffen in Konfliktgebiete, denn die Grünen, die das in Ihrem Parteiprogramm propagiert oder abgelehnt haben kamen nur auf 15% x 0,75 (Wahlbeteiligung) also nur 11% der Wahlberechtigten. 89% wollten das nicht wählen.