Ein etwaiger Beitritt der Ukraine vor dem 24. Februar 2022 zur Nato würde ohnehin am eindeutigen Unwillen Deutschlands, aber auch Frankreichs scheitern. Zugespitzt formuliert, steht die Ukraine heute einem Nato-Beitritt wesentlich näher als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt vor dem 24. Februar 2022.
Über die Garantie eines deutschen oder französischen Vetos kann nur spekuliert werden. Sowohl Macron, als auch Scholz waren ja in Moskau und haben das Recht souveräner Staaten betont, sich einem Bündnis ihrer Wahl anzuschließen zu dürfen. Völkerrechtlich vollkommen korrekt, aber gerade kein Versuch, der Ukraine die NATO auszureden.
Aber es geht es hier auch nicht um den Kriegsanfang durch Russland, sondern den Zeitpunkt der Verhandlungen. Da ging es, um in der Pokersprache zu sprechen nicht mehr ums Bluffen, sondern um das offen liegende Blatt. Spätestens hier war klar, dass der Westen der Ukraine ein Versprechen einer NATO Mitgliedschaft angeboten hat.
Wie Sabine Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik treffend zusammenfasst, waren für den Abbruch der Friedensverhandlungen mehrere Faktoren ausschlaggebend: die russischen Kriegsverbrechen in Butscha, die ersten substantiellen westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine im April 2022, der aus der Sicht der Ukraine günstige Kriegsverlauf und die damit einhergehende Überzeugung, Russland Einhalt gebieten zu können.
Der Ukraine wurden also vom Westen nicht direkt Befehle erteilt, sondern das Versprechen gegeben, mit westlichen Waffen gegen Russland siegen zu können.
Kann es also sein, dass die Ukraine dieses Versprechen bis heute ernst nimmt und deshalb Verhandlungen ausschließt?
So verständlich und nachvollziehbar der Wunsch nach baldigem Frieden auch sein mag, gilt es auch für die deutschen Pazifisten am 633. Tag des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, nach den Untaten von Butscha, Kramatorsk, Mariupol, unzähligen zerstörten Orten der Ukraine und knapp 10.000 Opfern unter der Zivilbevölkerung die schlichte Wahrheit radikaler Erwartungen des Kremls ernst zu nehmen.
Ich nehme die radikalen Erwartungen ernst und will trotzdem Frieden. Eben gerade nicht, um Putin einen Gefallen zu tun, sondern die nächsten tausenden Toten zu verhindern.
Vor wenigen Tagen schrieb der ehemalige Präsident und Regierungschef Dmitri Medwedew in seinem Telegram-Kanal, dass die Nato erkennen müsse, dass die ukrainische Sprache "keine [eigenständige] Sprache" bilde, sondern nur einen Dialekt des Russischen und die Ukraine "kein Land" sei, sondern "künstlich zusammengetragene Territorien" darstelle.
Wenn die Mettwurst mal wieder Unfug redet, dann redet sie für Russland und ist ernst zu nehmen, natürlich ganz im Gegensatz zu Politikern des Westens:
Schließlich dürfen die über drei Jahrzehnte (!) verteilten, oftmals ihres Kontextes entkleideten Aussagen sowie die vorwiegend während protokollarischer Ereignisse getätigten symbol- doch nicht inhaltsträchtigen Ankündigungen einzelner Vertreter von Nato-Mitgliedstaaten keinesfalls als weitreichende Pläne für eine Erweiterung betrachtet werden.
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Doch ist die Hoffnung der Pazifisten auf Frieden mit Russland tatsächlich vergebens? Freilich gibt es eine politisch-diplomatische Lösung, die Moskau nur zu gern akzeptieren würde.
Diese besteht aus der Sicht der russischen Führung in einem Diktatfrieden, einer bedingungslosen Kapitulation und der voraussetzungslosen Unterwerfung Kiews unter die Willkür Moskaus mit darauffolgender schrittweise Auflösung der Ukraine als unabhängiger Staat und der Auslöschung der ukrainischen Kultur.
Die Alternative zu einem Sieg der Ukraine besteht jetzt allerdings nicht in einem Sieg Russlands. Das ist ein bewusster Fehlschluss, um nicht über andere Szenarien für einen Ausstieg aus dem Krieg nachdenken zu müssen.
Denn es ging Wladimir Putin bei der Invasion der Ukraine nie um die objektiven Sicherheitsinteressen Russlands. Auch die Nato-Erweiterung war niemals das Hauptproblem.
Widrigenfalls wären die russischen Reaktionen auf die durch den Überfall auf die Ukraine erst möglich gemachte Nato-Norderweiterung auf Finnland und Schweden und die damit einhergehende Verdoppelung der Nato-Russland Grenze ungleich schärfer ausgefallen.
Es geht und ging Putin aber nicht um eine generelle Erweiterung der NATO, sondern um eine Erweiterung der NATO in ehemalige Kernländer der Sowjetunion, also Belarus und eben die Ukraine. Richtig oder falsch, aber Russland will die Russen verteidigen, nicht Nicht-Russen.
Solange Wladimir Putin an der Macht bleibt, ist ein wie auch immer geartetes Kriegsende kaum zu erwarten.
Vielleicht stimmt das, vielleicht auch nicht. Was jedenfalls bekannt ist, dass es bis heute keine westlichen oder ukrainischen Forderungen nach einem Waffenstillstand an Russland gibt.
Und umgekehrt.
Also wie gehabt, die Guten müssen den Krieg weiterführen, weil die Bösen keinen Frieden vorschlagen.
Das klingt ein wenig nach dem alten Witz: Du, Dein Schutzblech klappert. Wie bitte? Ich kann Dich nicht verstehen, mein Schutzblech klappert.