Pnyx (1) schrieb am 07.02.2021 21:56:
Wessen Gedächtnis ein wenig weiter als ein Jahr reicht, kann sich erinnern, dass schon 2019 beunruhigende Nachrichten von der Wirtschaftsfront eintrafen. Selbstverständlich nutzen nun alle möglichen Unternehmer die durch die Pandemie ausgelöste ausserordentliche Lage als eine Art Paravant, hinter dem ungestört die Arbeitsplätze abgebaut werden können, die man schon zuvor für obsolet hielt aber im vollen Licht der Sonne nicht zu eliminieren wagte. Rationalisierung, Gewinnsteigerung sind nicht Gründe, die bei Betroffenen und auch die Allgemeinheit auf Gegenliebe stossen. Der Virus kann in dieser Verlegenheit als Rettungsanker fungieren. 'Wegen der staatlichen Massnahmen können wir jetzt leider nicht anders... abbauen, kürzen, blabla, schlimme Verluste, blabla existenziell gefährdet...' tönt es von überall her und willfährige Journalisten halten gern ein Mikro hin.
Das ökonomische System befindet sich seit über einem Jahrzehnt in der dritten oder vierten Halbzeit, die sagenhaften Margen lassen sich nur durch weitere Reduktion der Lohnkosten zugunsten von Maschinen aufrechterhalten, wenn überhaupt. Natürlich wird so die Gesamtkaufkraft reduziert, aber das ist doch nicht das Problem der Wirtschaft, das soll doch die Politik lösen... Die man praktischer Weise auch noch verantwortlich machen kann für die 'schreckliche Lage, Lockdowns und so... Gift sag ich, ganz schlimmes Gift. Wir können nix dafür. Lockerungen, Aufhebung, blabla Perspektive... nicht wirtschaften'.
Real ist das Problem ein anderes, wird durch den Virus nur akzentuiert, die Folgen beschleunigt. Wie kann man ruhigen Mutes in einem System leben, von dem man weiss, dass es vom leisesten Lüftchen aus dem Takt gebracht wird? Zwei Tage Probleme mit der Lieferkette, schon steht die Fabrik still. Und das man auch in seinem beträchtlichen Bullshit-Segment nicht pausieren kann, ohne dass die betroffenen Proletarier mit ihren Rechnungen in Rückstand geraten. Und deshalb darfs keine Krise geben und wenn doch eine kommt, schaut man krampfhaft in die andere Richtung und beginnt quer zu argumentieren. Nützt aber auch nichts.
Daß das Wirtschaftssystem wegen systemimmanenten Konstruktionsfehlern (zu Gunsten der Finanzelite) nicht dauerhaft tragbar ist sollte jedem halbwegs denkfähigen Menschen völlig klar sein.
Zu Beginn der "Pandemie" hatte ich für einige Sekunden sogar noch Hoffnungen als das Thema exponentielles Wachstum angesprochen wurde. Leider Gottes wurde die Problematik dieses exponentiellen Wachstums nicht in Bezug zu Zins und Zinseszins und dem daraus entstehenden Zwang zu permanentem Wirtschaftswachstum gesetzt, schade eigentlich.
Ein Neustart, besser noch eine neue Konstruktion unseres Wirtschafts und vor allem unseres Geldsystems ist unerläßlich aber das dürfen wir nicht denjenigen überlassen, die vom bisherigen System profitiert haben. Denn sonst bekommen wir ein neues System von dem weiterhin nur eine kleine Elite profitiert und für den großen Rest der Gesellschaft bleiben bestenfalls Überlebensrationen.
Bei allen Differenzen bezüglich der Einschätzung der Gefährlichkeit des Virus und bei den Ideen zur besten Bewältigung der Situation darf sich die Gesellschaft nicht soweit spalten lassen, daß wir am Ende in einem totalitären Überwachungsstaat ohne Freiheit enden.