Die Frge, inwiefern ein soziokulturelles "Existenzminimum" noch gekürzt werden kann und darf, ist ja schon des öfteren aufgekommen. Leider hat, so wie ich das sehen konnte, die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht sich damit beschäftigen wird, noch kaum mediale Aufmerksamkeit erfahren.
Interessant ist dies in mehrerlei Hinsicht.
1. kommt die Eingabe nicht von einer Privatperson, sondern vom Sozialgericht Gotha, das selbst die Sanktionen für verfassungswidrig hält.
dabei ist das Sozialgericht nicht allein mit seiner Ansicht -
es gibt Ansichten und Darstellungen der Bundesregierung, der Agentur für Arbeit und des Städte- und Landkreistags, die die bisherige Sanktionspraxis verteidigen,
aber: es gibt 13 andere Gutachten deren Verfasser schwere verfassungsrechtliche Bedenken äußern. Neben dem Deutschen Sozialgerichtstag und dem Deutschen Anwaltsverein gehören vor allem Sozialverbände zu den Verfassern kritischer Stellungnahmen, darunter auch der Sozialhilfeverein Tacheles.
2. das Bundesverfassungsgericht hat die Eingabe zuerst wegen Formfehlern abgelehnt, das SG Gotha hat sofort nachgebessert und wieder eingereicht und das BVerfG will sich ab Ende des Jahres damit beschäftigen - es wirkt auf einige so als wollte man das heiße Eisen nicht vor der Bundestagswahl in die Hand nehmen.
3. ebenfalls interessant ist die Rolle des DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund). Dieser hat in seinem Gutachten recht deutliche Worte gefunden. Er forderte ein sofortiges Moratorium in Bezug auf das Sanktionsregime und ein Ende der bisherigen Sanktionspraxis
Aber er war gar nicht damit einverstanden, dass dieses Stellungnahme im Netz auftauchte und forderte, dass diese weider aus dem Netz verschwindet. Dabei ist wichtig, dass der Bundesvorstand des DGB 2015 noch die Sanktionen verteidigte und ein Moratorium ablehnte, aber:
damals war Andrea Nahles von der SPD für eine Entschärfung der Sanktionen für die U25, die Linke war für eine Abschaffung der Sanktionen.
der DGB, der imBundestagsausschuss gehört wurde, sprach sich eindeutig für eine Beibehaltung des Status Quo aus.
die DGB-Rechtsabteilung aber sieht dies eben, wie geschrieben, ganz anders.
Das ist ein wichtiger, ungeklärter Punkt beim Thema ALG II, dessen "Fehler" noch lange nicht korrigiert wurden, im Gegenteil. Es ist ja auch seltsam, dass, obgleich ja seit Martin Schulz groß ankündigte, dass die Fehler der Agenda2010 korrigiert werden müssen, nichts passierte, es nun heißt, dass sie korrigiert wurden. wie denn? Es gibt ja seitdem keine Veränderunge.
Selbst das Arbeitslosengeld Q, so absurd es auch sein mag, wurde ja nicht eingeführt - wo sollen also die Korrekturen herkommen?