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  • ÖKOKOM

mehr als 1000 Beiträge seit 03.12.2014

Was ist die SPD?

Während alle darüber debattieren wer die SPD retten könnte wird vergessen was die SPD eigentlich ist, wofür sie steht.
Wir hatten ja gerade erst das 100jährige Jubiläum der Novemberrevolution, wo dieses Thema eigentlich auf die Tagesordnung gehört hätte aber natürlich nicht kam.

Es gab in der SPD von Anfang an einen Grundkonflikt zwischen jenen, die einen realen knallharten Machtkampf mit dem Kapital ausfechten wollten und jenen, die meinten es gäbe einen Weg diesen Konflikt zu vermeiden und trotzdem für die Arbeiterschaft positiv zu wirken. Letztere haben sich durchgesetzt und die anderen rausgemobbt aus der Partei (USDP) und anschließend verraten an die Ultrarechten, die sie umgebracht haben (Liebknecht, Luxemburg und weitere hunderte, die namenlos blieben).
Seitdem marschiert die SPD im Gleichschritt mit der jeweiligen (kapitalistischen) Macht. Diese hat die SPD mal gekauft, mal bekämpft, je nach Opportunität und Notwendigkeit der Gewinne an den Kapitalmärkten.
In der Weimarer Rep. wo sie ja die erste Regierung stellten, aber auch einen Keil in die linke Bewegung trieben wurden sie bald von den neuen alten reaktionären Kräften abgelöst, die Linke war ja zersplittert und für die Notstandsgeschäfte nicht mehr notwendig. Die Rechte hat dann mit dem Begriff des Sozialen Schindluder getrieben, was dem Kapital sehr gelegen kam, die Gewinne sprudelten. Dank des fordistisch beschleunigten Arbeitsregime war linke Kritik mundtot zu machen und die Arbeitslosigkeit tat das übrige. Die inzwischen gegründete KPD, in die all die aus der SPD geflüchteten eine neue politische Heimat fanden wurde von der SPD allerdings härter bekämpft als alle rechten Parteien. Einen Wiedergänger jener Politik fanden wir in den 90ern, als die SPD kategorisch jede Zusammenarbeit mit der neuen Linken (damals noch PDS) ausschloss. Dies bewies erneut die ideologische Verbohrtheit der Parteispitze wie schon 70 Jahre zuvor, wo man sich einem formell/informellem Bündnis aller linken Kräfte verweigerte und damit den Aufstieg der NSDAP beförderte.

Nach dem Krieg kramte man erstmal die verbliebenen Reste an Personal zusammen und entsann sich der Tradition der Teile der SPD, die man im Novemberputsch verraten hatte und gab sich ein kämpferisches das linke Lager verbindendes Programm. Aber die SPD wäre nicht die Partei, die sie nun mal ist, wenn der nächste Verrat nicht schon vor der Tür stand. Der Verbot der KPD, der alles andere als rechtsstaatlich war, glich dem alten Verrat von 1918. Tausende KPD-Mitglieder wurden verhaftet, verurteilt und jede politische Tätigkeit verboten. Wenn heute ein Erdogan so etwas macht heulen alle laut auf. In der guten alten Adenauerzeit war es gute patriotische Pflicht. Nun gut, der alte Nazikern war ja noch vorhanden, bei den Parteien wie bei der Bevölkerung. Da hatte man wenig Probleme mit Gesinnungsjustiz.

Die Arbeiterschaft war komplett geblendet vom sog. Wirtschaftswunder und ließ sich kaufen und verkaufen. Damals begann die Erosion des politischen Bewustseins, der von den bürgerlichen Parteien nach Kräften befördert wurde. Der Rückzug ins Private, vor dem Krieg das Privileg von Bohemians wurde zum allseits propagierten Lebensmodell. Mein Haus, mein Auto, meine Frau, meine Kinder, alles meins. Da hat Solidarität keinen Platz mehr, erscheint überholt. Der einfache Arbeiter konnte sich plötzlich eine Unmenge an Dingen kaufen, die Löhne schienen üppig, vor allem der Bausektor boomte ohne Ende, bis 1968.

Plötzlich schien sich alles zu wiederholen. Die Wirtschaft stockte, weil der Absatz zurück ging. Gesättigte Märkte, sinkende Renditen, Kapitalflucht. Man brauchte wieder einmal die SPD in Regierungsverantwortung um schlimmeres (Streiks, Aufstände, soziale Politik) zu verhindern. Erst als GroKo mit dem Altnazi Kiesinger, dann mit den Liberalen. Erst versuchte man es mit Keynes und antizyklischer Ausgabenpolitik, was der Beschäftigung auch half, allerdings spielte die Außenpolitik eine immer dominantere Rolle und hier begann der Siegeszug der Neoliberalen (die damals aber noch niemand so nannte). Brandt versuchte seinen dritten Weg zwischen den Fronten des kalten Krieges und wurde geheimdienstlich abgeräumt, bevor er wirkliche Weichen stellen konnte. Sein Nachfolger Schmidt dagegen war ein Nachfolger von Ebert und Noske und betrieb den erneuten Verrat an den Wählern. Die sog. Sozialpartnerschaft entpuppte sich als perfides Korruptionsprogramm von Gewerkschaften, die immer häufiger Lohnverzicht verordneten und Standortvorteile berücksichtigen mussten. Dann wurde noch die massenhafte Frühverrentung der (überflüssigen) Arbeiterschaft auf Kosten der Steuerzahler organisiert und der allgemeine Sozialabbau nahm seinen Lauf. Als das in den sog. trockenen Tüchern war wurde die SPD wieder in die Opposition geschickt und die Bürgerlichen übernahmen (geistig moralische Wende - Kohl). Zum Teil konnte der sich auch darauf stützen, dass das Personal der SPD inzwischen so korrupt war, dass sich selbst die Wohlmeinenden von der Partei mit Grausen abwandten (Bauskandale, Müllverbrennungsanlagen, roter Filz).
Die eigentliche linke Opposition hatte sich inzwischen eine neue Partei gegründet, die Grünen. Angetreten all die Fehler der SPD nicht zu wiederholen, setzte man sich hohe Ziele, wie zB die Ämterrotation (gegen Korruption und Berufspolitiker), man betrieb kompromisslose Friedenspolitik (durchaus im Sinne von Brandt) und natürlich der Schutz der Umwelt mit der Anti-Akw-Bewegung, Kritik an chemischer Turbolandwirtschaft, Kritik am Autowahn, Solidarität mit der (von uns mittels unfairer Handelsabkommen) ausgebeuteten sog. dritten Welt. Alles Themen, die genuin linke SPD Themen waren, aber von dieser längst anderen Werten geopfert wurden.
Ich will es nicht so lang machen, die Geschichte seit der Wende '89 ist ja bekannt und viel diskutiert. Nur so viel: Die SPD blieb sich treu und übte abermals den Verrat an der linken Bewegung, diesmal in Komplizenschaft mit der neoliberal gewendeten grünen Partei, deren ehemalige Gründer inzwischen eine weitere Partei gegründet haben, die LINKE. Es scheint ein Muster in der deutschen Politik zu existieren, jedes mal, wenn der Topf am Überkochen ist, weil die kapitalistischen Verhältnisse so krass geworden sind, dass die Menschen nach wirklichen, also linken Veränderungen verlangen eine linke Partei bereit steht diesen Protest aufzufangen und am Ende zu verraten. Die Linke steht ja inzwischen auch schon bereit alles genuin Linke, antikapitalistische aufzugeben um die Nachfolge der SPD anzutreten, die diese Aufgabe fast ein Jahrhundert zum Wohle der Besitzenden Klasse erfüllt hat.
Nun ist das Verratspotential der SPD wohl am Ende, sie wird nicht mehr gewählt und kann daher auch ihre Aufgabe als Gesundbeterin des Kapitals nicht mehr erfüllen. Jedoch, welch Fügung die nächste (grüne) Partei, die ihre genuine Verratsbereitschaft schon mehrfach unter Beweis stellte übernimmt den Staffelstab des Verrats. Auch die Linke ist schon fast gespalten und der Kipping/Rixinger-Teil begreift sich ja schon jetzt als legitimer Erbe der SPD und deren Verratstradition am linken Wähler.

Und dennoch bleib ich Demokrat im Herzen und Links.
Gewählt habe ich die PARTEI (erstmals), weil man diesem zynischen Treiben wirklich nur noch mit Humor und kompromissloser Ironie begegnen kann. Inzwischen bin ich auch ein fan der aleatorischen Demokratie, weil in unseren Zeiten nichts mehr unkorrumpierbar scheint.

Ökokom - gleiche Teilhabe für alle

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