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  • Irwisch

mehr als 1000 Beiträge seit 22.03.2005

Faschistische Ideologen

Vielen ist der Begriff "Faschismus" zwar als Begriff geläufig, doch
nur selten erlebe ich, daß Menschen auch genau wissen, was sich
hinter diesem Wort tatsächlich verbirgt. Meist wird Faschismus mit
Zuständen wie im Dritten Reich gleichgesetzt und verstanden:
Gewaltherrschaft eines marodierenden Pöbels, der durch ausgeprägte
Fremdenfeindlichkeit (Xenophobie, eine Krankheit) sowie der
Verwendung eines Sündenbocks gekennzeichnet ist. Dabei steckt in uns
allen im Grunde ein kleiner Faschist, wenn man es genau betrachtet.

"Jeder Mensch trägt in irgendeiner Form einen kleinen Faschisten in
sich. Dieser Umstand leitet sich aus den tiefreichendsten Schichten
der Persönlichkeit (dem Kindheits-Ich im Kindheits-Ich) ab. Bei
zivilisierten Menschen ist dieser kleine Faschist tief vergraben
unter einer Plattform von sozialen Idealen, aber – wie die Geschichte
gezeigt hat – kann er mit Hilfe der entsprechenden Direktiven und der
Erlaubnis befreit und zu voller Blüte gebracht werden. In dem weniger
zivilisierten Teil der Bevölkerung tritt er ganz offen zutage und
wartet nur darauf, sich in periodischen Abständen bei passender
Gelegenheit zum Ausdruck zu bringen. In beiden Fällen stellt er eine
starke Kraft zur Förderung des jeweiligen Skripts dar; im ersten Fall
geschieht das heimlich; im zweiten Fall dagegen geschieht das in
vergröberter Form und wird dabei auch noch voller Stolz öffentlich
zugegeben. Man kann aber auch sagen, daß jeder, der sich dieser Kraft
seiner Persönlichkeit nicht bewußt ist, die Kontrolle über sie
verloren hat. Er hat sich nicht mit sich selber auseinandergesetzt
und kann daher nicht wissen, wohin die Reise geht.

Einen Faschisten kann man als einen Menschen bezeichnen, der keinen
Respekt vor allem Lebendigen hat, und das er dann als seine
persönliche Beute betrachtet. Diese arrogante Einstellung ist
zweifellos ein Relikt aus der prähistorischen Zeit und auch heute
noch lebendig im Geschmack am Kannibalismus und in der Freude an
einem Massaker. Für die zu den Raubtieren zählenden Anthropoiden war,
wenn sie auf die Jagd gingen, Unbarmherzigkeit gleichbedeutend mit
Effizienz, Gier wurde durch Hunger motiviert. Als sich aber der
menschliche Geist und das Gehirn durch die natürliche Zuchtwahl
entwickelten, wurden diese Eigenschaften nicht weiter ausgebildet. Da
sie für das Überleben der menschlichen Rasse nicht mehr erforderlich
waren, lösten sie sich von ihrem ursprünglichen Ziel ab, die Beute
zum Stillen des Hungers zu erlegen. Sie degenerierten zu einer Art
Selbstzweck, d.h. sie wurden zu einem Luxus, den sich manche Menschen
auf Kosten anderer Artgenossen leisteten und an dem sie sich
vergnügten. Die Unbarmherzigkeit entwickelte sich schließlich zur
Grausamkeit, und die Freßgier zur Ausbeutung und zum Diebstahl. Da an
die Stelle der Beute – des Fleisches selbst, besonders des
menschlichen Fleisches – magenfüllende Nahrungsmittel traten, wurde
das Fleisch schließlich dazu benutzt, um den psychologischen Hunger
zu befriedigen. Die Freuden des Folterns traten an die Stelle des
Essens, oder sie gingen ihnen voraus. Es war nun nicht mehr so
wichtig, jemanden zu töten, sondern es kam jetzt vor allem darauf an,
ihn (bzw. sie) schreien zu hören bzw. im Dreck wühlen zu sehen. Diese
Prozedur wurde zum Wesenskern des Faschismus – er besteht aus einer
umherziehenden Bande von Menschen, die nach einem männlichen oder
weiblichen Opfer sucht, das sie foltern oder erniedrigen kann – und
dessen Kunst darin lag, die Schwächen eines Opfers auszukundschaften.

Es gibt zwei Nebenerscheinungen bei der Erniedrigung von Menschen,
von denen beide dem Aggressor Vorteile bringen. Die biologische
Wirkung aus sexueller Freude und Erregung, da das Opfer schließlich
bereit ist, auch auf die erfindungsreichsten Perversionen einzugehen,
von denen die anale Vergewaltigung zu den Lieblingsbeschäftigungen
zählt. Die Folter führt zu einer seltsamen Intimität zwischen dem
Peiniger und seinem Opfer und auch zu einer tiefgreifenden Einsicht
in die Seele des jeweiligen anderen Menschen – eine Intimität und
eine Einsichtstiefe, die ansonsten im Leben der beiden beteiligten
Personen nicht vorhanden sind. Das zweite Nebenprodukt ist rein
kommerzieller Natur. Das Opfer besitzt stets irgendwelche
Wertgegenstände, die gewinnbringend verwendet werden können.

Wenn das menschliche Embryo wächst, verlebendigt es noch einmal den
ganzen Evolutionsprozeß. Wenn die Kinder heranwachsen, verlebendigen
sie noch einmal die prähistorische Phase. Sie durchlaufen die Phasen
des Jagens, des Ackerns und Pflanzens sowie der Herstellung von Waren
und Gerät und können in jeder einzelnen dieser Phasen völlig
hängenbleiben. Schließlich behalten wir alle irgendwelche Spuren von
all diesen prähistorischen Phasen in uns zurück.

Der kleine Faschist in jedem menschlichen Wesen ist ein kleiner
Peiniger, der die Schwäche seines Opfers herauszubekommen sucht und
sie dann so richtig genießt. Bricht diese Eigenschaft offen in ihm
aus, dann wird er zu einem Menschen, der Krüppel schlägt, Mädchen und
Frauen vergewaltigt und andere Gewalttaten begeht; manchmal dient ihm
dabei irgendeine Entschuldigung als Rechtfertigung wie 'Gelobt sei,
was hart macht' oder ähnliche absurde Vorwände. Meistens unterdrücken
jedoch die Menschen solche Tendenzen in sich selbst, sie tun so, als
seien sie gar nicht existent, sie entschuldigen sich, wenn ungewollt
etwas davon äußerlich erkennbar wird, und sie tarnen diese Tendenzen
ängstlich und angstvoll.

Diese primitiven Bestrebungen vermengen sich mit den Geboten,
Vorschriften und der Erlaubnis des jeweiligen Skripts und bilden die
Basis für Spiele dritten Grades, die Blut nach sich ziehen. Wer so
tut, als existierten derartige Kräfte nicht, der fällt ihnen meist
selbst zum Opfer. Sein ganzes Skript kann zu einem Projekt werden,
mit dessen Hilfe er demonstrieren will, daß er selbst frei von
solchen Tendenzen ist. Da das jedoch höchstwahrscheinlich nicht der
Fall ist, handelt es sich hier um eine Leugnung seiner selbst und
damit auch um die Verneinung seines Rechts auf ein selbstgewähltes
Schicksal. Die Lösung besteht nicht darin, daß man, wie das viele
tun, einfach sagt: 'Das ist ja erschreckend!', sondern indem man sich
fragt: 'Was kann ich tun, um damit fertig zu werden?' Es ist wichtig
zu erkennen, daß gewisse 'genozide' Anlagen der menschlichen Natur
während der vergangenen fünftausend Jahre im Grunde unverändert
geblieben sind – ohne Rücksicht auf jede Art von genetischer
Evolution, die während dieses Zeitraums inzwischen stattgefunden hat.
Sie bleiben auch gegenüber Umwelteinflüssen und sozialen Einflüssen
völlig immun. Eine dieser Anlagen bildet das Vorurteil gegenüber
Menschen mit dunkler Hautfarbe, das seit Anbeginn der uns bekannten
Geschichte im alten Ägypten unverändert bestehen geblieben ist; an
die Stelle der von den Ägyptern damals so verachteten dunkelhäutigen
'Kuschiten' sind heute die unterdrückten Negerstämme in der ganzen
Welt getreten."

Dr. med. Eric Berne
"Was sagen Sie, nachdem Sie guten Tag gesagt haben?"
Psychologie des menschlichen Verhaltens
ISBN 3463006243
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