Ansicht umschalten
Avatar von Irwisch
  • Irwisch

mehr als 1000 Beiträge seit 22.03.2005

Re: Unga-Unga-Biologismus

THE ME ME schrieb am 15. Februar 2011 22:58

> Der Ausbruch des Vorposters sollte wohl eine marxistische Kritik am
> kapitalistischen Biologismus sein.

Von einem kapitalistischen Biologismus ist bei Berne und anderen
Vertretern der Psychoanalyse nichts zu finden. Offenbar hat der
Vorposter den Text entweder erst gar nicht gelesen, oder, wenn doch,
nicht verstanden. Vermutlich fehlte ihm zum Verständnis eine gewisse
psychologische Vorbildung.

> Das ganze aber komplett undifferenziert auf typischem Bahamas Niveau.
> Also reduziert auf Triggerworte und Phrasen die unreflektiert
> bleiben.

Mir drängte sich der Eindruck eines heftig Reagierenden auf, der
selbst nicht so recht weiß, warum er so ausflippt und seinen
Kommentar mit einer Beschimpfung beginnt ... irgend ein
Abwehrmechanismus scheint mir hier am Laufen gewesen zu sein.

> Ich fand die Analyse sehr gut und schlüssig und sie widerspricht auch
> nicht den marxistischen Faschismus-Theorien.

> Faschismus war und ist immer ein Akt der Entzivilisierung.

So wie bei uns seit Generationen junge Menschen zivilisiert
(sozialisiert, erzogen) werden, ist es kein Wunder, daß die Schicht
zivilen Verhaltens bei den meisten recht dünn ist. Die Sozialisierung
in den heutigen Zivilisationen findet ja vor allem durch
Unterdrückung, Denk- und Wahrnehmungsverbote und durch die daraus
resultierende Entwicklung eines dominanten Über-Ichs statt, woraus
ständige, meist unbewußte Schuldgefühle resultieren, den
Anforderungen des elterlichen Über-Ichs nicht zu genügen.

> Daraus zieht er ja gerade bei
> Menschen die sich durch die komplexer werdende Welt überfordert
> fühlen seine Attraktivität.
> Da kann man so richtig schön und ungehemmt die Sau rauslassen. Am
> liebsten unter Alkoholgenuss der ja auch retardierend wirkt.

Meist reagieren solche Leute, die ihr psychisches Gleichgewicht
hauptsächlich dadurch aufrecht erhalten, indem sie andere quälen,
recht empfindlich auf diese spezielle Analyse: sie fühlen sich
getroffen und durchschaut, dürfen das aber nicht wahrnehmen und
reagieren deshalb abwehrend-aggressiv.

Für mich stellt Faschismus vor allem eine Haltung dar, wie sie mental
und psychisch wenig entwickelten Individuen eignet, die bei Gefahr –
ob eingebildet oder real – sehr schnell regredieren. Dieser Rückfall
in beim echten Erwachsenen längst überwundene Verhaltensweisen
bewahrt sie vor unangenehmer Wahrnehmung.

> Jeder Erdenbürger muß sich diesen seinen angeborenen Dämonen selbst
> stellen.

Das tun aber nur sehr wenige, wie ich inzwischen glaube.

> Leider führen kapitalistische Untertanenverhältnisse fast
> automatisch zum nicht reflektierten fremdbestimmten
> Massen-Individuum, dessen letztlich einziger ihm selbst erkennbarer
> Ausbruch nur noch in der Entzivilisierung, dem Faschismus zu finden
> ist...

Ich denke da an die Maslovsche Bedürfnis-Pyramide:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bed%C3%BCrfnis-Pyramide

Selbstverwirklichung
Individualbedürfnisse
Soziale Bedürfnisse
Sicherheit
Physiologische Bedürfnisse

Solange Basis-Bedürfnisse nicht erfüllt sind, ist an die Befriedigung
darauf aufbauender Bedürfnisse nicht zu denken. Als Herrscher kann
man dieses Wissen sehr zielgerichtet einsetzen, um sich z.B. vor
unliebsamen Veränderungen durch eine breit angelegte gebildete
Bürgerschicht zu schützen. Man muß als Herrscher, der um seine
Machtfülle besorgt ist, stets darauf achten, daß es den Untertanen
nicht zu gut geht, weil sie dann nämlich weitere Bedürfnisse
entwickeln, die dem Machtanspruch des Herrschers – bzw. bei uns der
herrschenden Klasse – diametral entgegenstehen. So dürfen Menschen,
die nicht täglich arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu
bestreiten, nicht zur Ruhe kommen und müssen deshalb in einem
ständigen Zustand der Not und des Elends gehalten werden. Menschen,
die arbeiten und denen daher kaum Zeit für die eigene
Weiterentwicklung bleibt, sind den Herrschenden am liebsten, denn
diese Bevölkerungsgruppe lebt in aktiver Abhängigkeit von den
Herrschenden, wogegen die Arbeitslosen und ALG-II-Empfänger in
passiver Abhängigkeit verbleiben. Man hört z.B. allein deswegen so
wenig von politischer Gegenwehr aus den Reihen der ALG-II-Empfänger,
weil diese Menschen zahlreiche unbefriedigte physiologische
Bedürfnisse haben, die sie quasi daran hindern, über "höhere" Ziele
und Werte nachzudenken.

Faschistische Systeme bieten daher gerade jenen, die so gut wie
nichts mehr zu verlieren haben, weil sie sich in ständiger
materieller Not befinden, interessante Anreize: "Gehorche blind und
füge dich, so wird dir gegeben und deine Not beendet." Darin besteht
letztendlich der Sinn und Zweck einer Bildung sozial schwacher und
ständig notleidender Bevölkerungsschicht: Gefügigmachen und
Herstellen von Fraglosigkeit.

Die Entzivilisierung hat beim langjährigen ALG-II-Empfänger, der
aufgrund seines sozialen Status ausgegrenzt und quasi entsozialisiert
ist, längst stattgefunden. Schaut man sich z.B. in den Elendsvierteln
amerikanischer Großstädte um, dann kann man sich das, was ich oben
skizziert habe, anschaulich machen: Krawalle, Plünderungen, Raub- und
Gewaltdelikte findet man vor allem dort, wo große Armut herrscht und
als Folge dieser Armut höhergelegene Bedürfnisse wie z.B. nach
ethischem Verhalten (soziales Bedürfnis) gar nicht erst entstehen.
Hier finden die Rekruteure der US-Armee stets willige Untertanen.

Bewerten
- +
Ansicht umschalten