Was Wagenknecht zu sagen hat, klingt besser als es ist:
Der Anspruch, das zu bewahren, was für die meisten Menschen wichtig ist, was ihrem Leben Stabilität und Sicherheit gibt, ist aber nicht nur konservativ, sondern auch originär links, genau das war früher linke Politik - der Sozialstaat etwa sollte Stabilität und Planbarkeit des Lebens ermöglichen.
Das stimmt und stimmt auch nicht. Der 'Anspruch zu bewahren' ist durchaus nicht originär links. Das linke Projekt beinhaltet schliesslich eine grundlegende Umwälzung gesellschaftlicher Verhältnisse. Und auch gegen technischen Fortschritt hatte die Linke noch nie etwas einzuwenden. Wenn man beides ernst nimmt, bleibt bei Erfolg kein Stein mehr auf dem anderen.
Aber die Identifizierung mit dem eigenen Land als solche ist noch lange kein Nationalismus und auch nicht reaktionär. Sie ist eine unerlässliche Ressource für Solidarität und sozialen Ausgleich. Eine Solidargemeinschaft setzt voraus, dass es ein Wir-Gefühl gibt. Wenn Menschen miteinander nichts verbindet,...
Das ist eine bedenkliche Behauptung. Es klingt, als wäre Identifikation mit dem 'eigenen Land' das einzige, was Menschen miteinander verbinden kann. Hier wirft Wagenknecht durchaus verschiedene Grössenordnungen von Gemeinschaftlichkeit durcheinander. In Wirklichkeit taugt ein moderner Staat dafür nicht. Er ist zu gross, setzt sich aus einer konkret nicht fassbaren Menge Menschen zusammen. Notgedrungen wird dieses Defizit durch Abstraktionen ersetzt und dann ist man doch schnell beim Nationalismus. Solidarität, sozialer Ausgleich, Wir-Gefühl entstehen nur in überschaubaren Gemeinschaften, allenfalls mittelgrossen Städten, in denen man immer mal wieder auf Menschen trifft, die man schon kennt.
Wenn es ums Ökologische geht, gerät Wagenknecht endgültig auf Abwege:
Aber noch wichtiger ist der Umgang mit den Betroffenen, deren soziale Existenz heute am Kohlebergbau hängt.
An der deutschen Photovoltaikindustrie hingen schon mal dreimal so viele Menschen, wie an der bereits weitgehend abgewickelten Kohle. Natürlich ist das für jeden konkret Betroffenen kein Trost und müssen individuelle Lösungen gefunden werden, aber aus der politischen Warte ist eine solche Aussage absurd. Der Abbau deutscher Braunkohle ist unter keinen Umständen zu rechtfertigen und wird auch brüsk eingestellt werden, sobald es sich definitiv nicht mehr rentiert. Dieser Zeitpunkt ist schon recht nah und es empfiehlt sich, von diesem Zug abzuspringen, solange noch Zeit dafür ist. Das scheint Wagenknecht allerdings derart gegen den Strich zu gehen, dass sie dafür geradezu polemisch wird:
Also erstens brauchen wir erst mal Technologien, die fossile Energieträger komplett überflüssig machen, die gibt es gegenwärtig nicht mal ansatzweise.
Erstens hat die Einstellung des Braunkohlebergbaus wenig zu tun mit dem komplett Überflüssigmachen fossiler Energieträgen. Zweitens, und wichtiger, doch die Technologien gibts, es kommen laufend neue hinzu und, sogar wenns nicht so wäre, müsste man drittens dann eben auf gewisse Tätigkeiten verzichten.
Wer so daherredet, hat ganz offensichtlich den Ernst der klimatischen Lage nicht verstanden. Die Ökologie, in Form noch intakter Lebensgrundlagen, ist die Basis fürs Soziale. Es ist diese eklatante ökologische Sehschwäche, die die traditionelle Linke mit ihren bürgerlichen Kontrahenten sozusagen unterirdisch vereint. Wagenknecht hat schon ein Stück dieses unterirdischen Weges zurückgelegt, der rheinische Kapitalismus, von dem Wagenknecht hier implizit schwärmt, ist genauso wenig nachhaltig wie jede andere Kapitalismusform.