Zusam schrieb am 21.03.2024 17:36:
Frau Wagenknecht steht nicht in erster Linie an der Seite der Armen, sondern an der Seite der Arbeitnehmer.
Wer ihr sehr empfehlenswertes Buch "Die Selbstgerechten" gelesen hat weiß, dass sie eine klassische Sozialdemokratin ist. Da sich die Sozialdemokratie sich in erster Linie für abhängig Beschäftigten und kleine Handwerker einsetzt, ist ihre Kritik am Bürgergeld in seiner jetzigen Form verständlich. Arbeitnehmer mit denen ich gesprochen habe, sehen das Bürgergeld ebenfalls kritisch, schließlich müssen sie es mit ihrer Arbeit erwirtschaften.Überhaupt sehe ich alles was aktuell von Sahra Wagenknecht kommt in der guten(!) Tradition der SPD der 70er Jahre. Ob dieses Tradition heute noch funktioniert, weiß ich aber nicht.
Zustimmung, obwohl ich kein Buch von Sahra Wagenknecht gelesen habe; das BSW möchte zurück zu den einstigen Werten der Sozialdemokratie, denn so etwas fehlt aktuell im Spektrum.
Interessant ist dennoch die Frage, was unter einem Missbrauch des Bürgergeld-Gesetzes (https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/arbeit-und-soziales/regelsaetze-erhoehung-2222924) überhaupt zu verstehen sein soll und wie sich ein solcher finanziell auswirkte. Wie ich es verstehe, macht das Bürgergeld – keine Ahnung, ob mit oder ohne Sozialhilfe – ungefähr 5,5 Prozent des aktuell rund 477 Milliarden schweren Bundeshaushalts (https://www.bundeshaushalt.de/DE/Home/home.html) aus, prognostiziert irgendetwas zwischen 26 und 27 Milliarden Euro (https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/buergergeld-wird-rund-zwei-milliarden-euro-teurer-als-geplant-a-59d52fdb-2172-43b0-850f-a009758e480a) für das laufende Jahr. Nicht gerade wenig, doch welcher Anteil wird missbräuchlich bezogen?
Aus meiner Sicht kann man von vielleicht 18 Euro am Tag zwar ziemlich gesund leben, nämlich zwangsläufig unter weitgehendem Verzicht auf Alkohol oder Tabak, wird jedoch auch auf den Luxus manchen Sozialkontakts in der Kneipe ums Eck beim bloßen Mineralwasser verzichten müssen. Niemand lebt gern länger auf einem finanziell derart bescheidenen Niveau, und die Grenze zwischen theoretischer Arbeitsfähigkeit, also dem einzigen Indiz für missbräuchlichen Bürgergeldbezug, und Sozialhilfebedürftigkeit aus psychischen Gründen ist vermutlich fließend.
Sicher trifft man manchmal auf Menschen, die sich, warum auch immer, jeder geregelten Arbeit total verweigern, aber die haben meist auch eine viel zu problematische Persönlichkeitsstruktur, als dass man mit ihnen zusammenarbeiten wollte. Zur Frage des Handlungsbedarfs müsste man zunächst das Ausmaß des missbräuchlichen Leistungsbezugs irgendwie quantitativ abschätzen, doch selbst dann vielleicht als gesellschaftlich leider unvermeidliches Übel genervt tolerieren.