Vor 1-2 Jahren hätte Wagenknecht deutlich bessere Chancen gehabt.
Die derzeitigen Umfragen, wonach sie x% holen würde, basieren allein auf den politischen Statements einer Einzelperson.
Man kennt noch nicht a) das Team, den Parteivorstand, b) die Partei hat kein Wahlprogramm, ja nicht einmal c) den Parteinamen.
Allein die Personalfragen und das Wahlprogramm werden die "Liste Wagenknecht" vor Probleme stellen.
a) Wenn zu viele zweit- und drittklassige Personen mitmischen, ist das eher hinderlich als förderlich.
b) Das Wahlprogramm muss den Spagat finden zwischen klassischen Positionen der Linken und der arbeitenden wirtschaftsliberalen Bevölkerung. In Interviews und auf Podiumsdiskussionen gelingt das Wagenknecht sehr gut, aber was ist mit anderen Parteigenossen, die vielleicht nicht diesen Spagat schaffen? Wagenknecht kann schlecht alles alleine machen.
c) "Liste Wagenknecht" als Parteinamen wäre schon extrem risikoreich.
Man würde eine Partei um eine Sonnenkönigin konstruieren.
Die neue Liste Wagenknecht wird vor allem die LINKE spalten, die sich ja - das sieht man an der Aufstellung von Profischleuserin Carola Rackete - besonders linksextrem positionieren will. Das wird Leute wie Gysi & Co. düpieren.
Und eine Frage wird Wagenknecht besonders Kopfzerbrechen bereiten, nämlich die Gretchenfrage der Politik: "Wie hältst du's mit der AfD?"
Schließt sie sich der Abgrenzeritis an, ist sie von vornherein als Oppositionsspalterin bei Protestwählern erledigt.
Die AfD ist sehr wirtschaftsliberal, ich glaube kaum, dass sie viele reine Protestwähler des Arbeitermilieus aus dem klassischen linken Lager an Zuspruch hat.
Die SPD muss da deutlich mehr zittern. Es kann sein, dass die vielleicht sogar auf 11-12% heruntergezogen wird. Denn Wagenknecht dürfte es schaffen, dass die Mitte der SPD, also jene die nicht dem Seeheimer Kreis und nicht dem klassischen linken Flügel angehören, sondern eher sozialliberal sind, sich von Wagenknecht angezogen fühlen.
Das Potential der Wagenknecht-Partei schätze ich wie folgt verteilt:
- 3% von der AfD
- 5% von der SPD
- 2% von der CDU
- 1% von den Grünen
- 2% von der LINKE
- 2% von den Sonstigen inkl. FDP
--> max. 15% bundesweit
Die Wagenknecht-Partei würde demnach massiv von den etablierten Parteien Wähler abziehen. Es würde dann langsam auf eine Weimarer Republik hinauslaufen, wo die Zersplitterung des Parlaments zunimmt und selbst eine 3er-Koalition Schwierigkeiten zur Mehrheitsbildung hat.
Oskar Lafontaine hätte dann über seine Frau endgültig das erreicht, was er damals mit der WASG begonnen hatte, nämlich die SPD als Volkspartei quasi endgültig zu zerstören.
Ob Wagenknecht diesen langen Gang wirklich antritt - vom Sammeln der Unterschriften, über Organisation von Parteitagen, Spendeneinwerben, Aufstellung von Programmen, Wahlkampfdurchführungen, Mitgliedsverwaltungen, permanente Pflege von Web- und Social-Media-Präsenzen, TV-Auftritten, usw. wird sich zeigen.
Es haben schon andere versucht - dieBasis, LKR, Bündnis Deutschland, usw.
Eine Partei zu führen ist kraftzehrend. Ich weiß, dass derzeit eine größere langjährige etablierte Partei von den Sonstigen mit den Überlegungen liebäugelt, ihren Mitgliedern den Beitritt zur AfD zu empfehlen und sich dann aufzulösen, weil es keinen Sinn macht, nur für Wahlkampfkostenerstattung permanent aktiv zu sein, politisch aber nichts zu bewegen.