Man ist geneigt, dem Artikel eine gewisse Plausibilität zuzubilligen, insbesondere dann, wenn man selbst eine solche Parteigründung befürwortet und sie kaum noch erwarten kann. Allerdings werfen einzelne Punkte die Frage auf, wie sauber der Autor tatsächlich recherchiert hat. Sollte ein Verein gegründet werden, wie es in dem Artikel beschrieben wird, dann ist die Behauptung, dass eine solche Konstruktion vor Sanktionen aus den eigenen Reihen schützen könne, in dieser Absolutheit falsch. Letztlich käme es auf den Vereinszweck an, den sollte sich dieser gegen die existierende Partei richten, wären Ausschlussverfahren durchaus denkbar.
Arbeitsrechtlich völliger Unsinn ist die Behauptung des Artikels, dass Angestellte der Fraktion, die dem Wagenknecht-Lager zuzurechnen sind, im Falle einer Parteigründung mit ihrer sofortigen Freistellung rechnen müssten, sodass auch diese durch das Konstrukt eines Vereins besser geschützt seien. Die Zugehörigkeit zu diesem sogenannten „Wagenknecht-Lager“ allein reicht für eine Freistellung bei weitem nicht, ein aktives Einsetzen für eine Neugründung und ein offenes Bekenntnis dazu wäre mindestens vorauszusetzen. Was die staatliche „Wahlkampfkostenerstattung“ anbelangt, die so schon lange nicht mehr heißt, sondern als staatliche Teilfinanzierung bezeichnet wird, sollte sich der Autor Harald Neuber vielleicht noch einmal über die gesetzlichen Rahmenbedingungen informieren, denn zu sagen, dass diese nur in dem Maße erfolge, wie man zum Zeitpunkt der Wahl hat Geld aufbringen können, ist dann doch etwas holzschnittartig und im Großen und Ganzen falsch. Auf diesem Hintergrund kann ich mir auch nicht vorstellen, dass die Partei in den Wochen vor dem Jahreswechsel gegründet werden sollte. Das schätze ich als definitiv falsch ein.
Insoweit lässt einen der Artikel mit zwiespältigen Gefühlen zurück, denn so sehr, wie man sich eine Neugründung auch wünschen mag, so wenig kann man sich sicher sein, dass er wirklich auf einer gründlichen Recherche beruht. Aber wenn man den Artikel glauben will, dann gibt es zur Unruhe und Ungeduld keinen Anlass, denn dann wäre ja mit der angeblichen Vereinsgründung schon unmittelbar nach der Sommerpause zu rechnen. Lassen wir uns also überraschen.