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  • Unvorhandener Winzling

887 Beiträge seit 31.12.2018

Re: Vorreiter Schweden - Knackpunkt Energie

Der Knackpunkt ist nicht nur die Energiean sich bei Eisenverhüttung mit grünem Wasserstoff. Zwei wichtige Aspekte sind Volatilität der Energieversorgung und Verschiebung der Nachfragekurven bei fossilen Energieträgern und "grüner" Energie.
Ich will das etwas weiter ausführen.
Ein Hochofen ist ein hochkomplexes Gebilde, in der Regel wird der Hochofen angefahren und dann für eine lange Zeit betrieben, bis einzelne Komponenten eine Wartung erfahren müssen und der Hochofen nach einer bestimmten Prozedur heruntergefahren wird. (ist alles bei dem wikipedia-Artikel zu lesen). Im laufenden Betrieb muss die Energieversorgung zuverlässig funktionieren, damit es nicht zu einer Störung kommt. Das betrifft zum Beispiel die Kühlung der Hochofenwände, die Nachführung von grünem Wasserstoff etc. Betriebsstörungen können im schlimmsten Fall auch Schadstoffe in die Luft emittieren (siehe z.B. https://www.saarstahl.com/sag/de/konzern/medien/presse/hochofen-4-der-rogesa-wieder-in-normalem-betrieb-84764.shtml). Aber auch so ist das Wiederanfahren heikel (Schlacke könnte ja im Hochofen abgekühlt sein u.v.m.). Wenn ich also einen Energiefresser wie einen Hochofen mit regenerativer Energie versorge, so muss ich die Schwankungen dieser Energien irgendwie abfedern, wo wir wieder bei dem allseits beliebten Speicherproblem sind.

Punkt 2, Verschieben der Nachfragekurven. Hier will ich mal skizzieren, was ein Wechsel der Energieversorgung bei einer so energieintensiven Branche wie Eisenverhüttung bewirkt.
Einerseits fragt die Branche weniger Kohle/Koks nach. Die Preisbildung wird dafür sorgen, dass der Preis für Kohle fällt, dies wird die "Versuchung" in anderen Branchen erhöhen, mehr Kohle einzukaufen.
Genau das andere Spiel findet natürlich auf dem Markt für regenerative Energien statt, denn dort werden die Preise steigen. Die Energie, die ich für die Elektrolyse für den grünen Wasserstoff bräuchte, wirkt sich ja auch auf die Preisbildung aus.
Oje, beim Berechnen eines Beispiels ist mir ganz schwindlig geworden.
Auf die Schnelle habe ich folgende Zahlen gefunden:
Für 1t Stahl benötige ich 70kg grünen Wasserstoff.
Der Energieaufwand für 1kg grünen Wasserstoff liegt zwischen 40-80 kwH. Ich nehme mal den Durchschnitt von 60 kWh.
Ein 4-Personen-Haushalt verbraucht im Jahr ca. 3.500 kWh Strom.
Deutschland hat 2022 36,8 Mio Tonnen Stahl hergestellt, und das war offenbar ein eher schlechtes Jahr, wo die Branche bereits begonnen hat, die Produktion wegen der Energiepreise zu senken!
Um also die bundesdeutsche Stahlindustrie komplett auf grünen Wasserstoff umzustellen, müsste man soviel Strom bereitstellen, wie 42 Mio 4-Personen Haushalte pro Jahr verbrauchen.
Der zusätzliche Energieverbrauch läge also bei dem doppelten dessen, was die deutsche Zivilbevölkerung pro Jahr verbraucht. Das wäre jedenfalls bei einem regulären Preisbildungsprozess nicht gut für Ottonormalverbraucher.
Diese Rechnung habe ich jetzt nur für die Substitution von Kohle/Koks durch grünen Wasserstoff aufgemacht. Daneben gibt es noch die anderen Energiekosten für den Betrieb der Hochöfen an sich (Anfahren per 1600° heißer Luft, Kühlung etc.).
Wer will, kann die Rechnung mal für die Weltstahlproduktion aufmachen. Aber das Ergebnis wird euch nicht gefallen.
Man kann hier nur zu dem Schluss kommen, dass es schlicht unmöglich ist.

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