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  • zweifuss

257 Beiträge seit 13.10.2001

Re: Internationales Recht

maningi schrieb am 04.05.2022 17:13:

Mein Tip an den dt. UN-Botschafter Christoph Heusgen: lesen Sie sich mal Artikel 51 der UN-Charta durch, denn dieser ist Grundlage des int. Rechts für das Eingreifen Russlands in die Ukraine nach Anerkennung der separatistischen Gebiete u. Unterzeichnung eines Abkommens zur gegenseitigen Unterstützung u. Verteidigung.

Ich glaube du bist auf dem Holzweg. tl;dr unten.

Linkt zur UN-Charta: https://unric.org/de/wp-content/uploads/sites/4/2020/01/charta-1.pdf
Art. 51 ist auf Seite 10

Die Auslegung von Artikel 51 der UN-Charta gilt als schwierig.
Laut Internationalem Gerichthof (IGH) kann dieser Artikel nur als Reaktion auf einen „bewaffneten Angriff”, also dadurch dass der Angreiferstaat zuerst militärische Gewalt gegen den Opferstaat ausgeübt hat, ausgelöst werden. Das war in 2014 auf der Krim nicht so ganz klar. Dass die Ukraine aber heute nach Art. 51 Krim und Donbass zurückerobern darf, ist aber mittlerweile allgemeiner Konsens.
Nach herrschender Auffassung gilt außerdem, dass das Selbstverteidigungsrecht allen Staaten, auch Nicht-UN-Mitgliedern, zusteht.
Zu herrschenden Auffassung gehört auch, dass das Recht auf Selbstverteidigung nur ausgeübt werden darf, bis das Ziel, die Abwehr des Angriffs, erreicht ist. Auch dürfen nur Mittel eingesetzt werden, die dafür erforderlich sind. Vergeltungs- und Bestrafungsaktionen sind nicht von Art. 51 abgedeckt.
Damit andere Staaten sich an der kollektiven Verteidigung beteiligen können, muss der Opferstaat offiziell erklären, bewaffnet angegriffen worden zu sein. Das wurde am 24.02.2022 von der ukrainischen Regierung verkündet.

Die Ukraine war 1922 als Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik UN-Gründungsmitglied. Aus verschieden Gründen gilt heute die die Ukraine als souveräner Staat und UN-Mitglied gemäß Artikel 3 der UN-Charta https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/russland-vereinte-nationen-staendiges-mitglied-sitz-entziehen-veto-sicherheitsrat/

Mit Art. 51 wurde übrigens auch der Vietnamkrieg gerechtfertigt.

Die Anerkennung der Volksrepublik Donezk und der Volksrepublik Luhansk als eigenständige Staaten durch Russland (und außerdem Syrien) war der endgültige Bruch des Minsker Abkommens. Weißrussland hat DNR & LNR anscheinend noch nicht anerkannt.
Damit DNR und LNR UN-Mitglieder werden könnten, müsste der UN-Sicherheitsrat das gem. Artikel 4.2 UN-Charta beschließen. Dazu wird es voraussichtlich nie kommen. Russland argumentiert hier also mit dem natürlichen Selbstverteidigungsrecht von Nicht-UN-Mitgliedern (also nicht genau nach Art. 51), ist aber der einzige Staat außer Syrien, der DNR und LNR anerkennt.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres hat sich am 21.02.2022 so dazu geäußert: "Der Generalsekretär betrachtet die Entscheidung der Russischen Föderation als eine Verletzung der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine und als unvereinbar mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen."

Durch die Besetzung der Krim 2014 hat Russland auch das Budapester Memorandum gebrochen. Problem ist, dass es keine verbindlichen Maßnahmen zur Durchsetzung dessen enthält.
Wie später auch beim Minsker Abkommen, lässt sich feststellen, dass in diesem Punkt zu Lasten von Kiew und zugunsten Moskaus verhandelt wurde.
https://de.wikipedia.org/wiki/Budapester_Memorandum

Es gibt aber noch mind. 10 weitere Internationale Verträge, die ebenfalls betroffen sind, auf die ich hier aber nicht eingehe.

tl;dr
Die rechtliche Lage ist sehr klar und zuungunsten Russlands. Die Ukraine darf sich gegen Russland Selbstverteidigen und alle UN-Mitglieder dürften sie dabei militärisch unterstützen.

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