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  • OmniBus56

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nochmal

rams schrieb am 15. Januar 2006 1:17

> > > Und wie wir von Tschernobyl wissen, ist der Schaden (selbst bei
> > > groebster Schlamperei) nicht unbedingt so hoch, wie manche KKW-Gegner
> > > gerne behaupten.
> >
> > Tatsächlich? Woher hsst Du die Informationen über die Schadenshöhe
> > (Sach- und Personenschäden)? Offizielle Quellen?

> Auf Wikipedia
> (http://de.wikipedia.org/wiki/Katastrophe_von_Tschernobyl) steht
> selbiges mit 56 Toten, die IAEA rechnet mit max. noch etwa 4000 durch
> Langzeitfolgen.
> Und aehnliches ging vor mehreren Monaten auch mal durch die Medien.
> Greenpeace & Co. haben natuerlich ganz andere Zahlen.

Höre ich da wieder ein "Greenpeace & Co. sind ja parteiisch" heraus?
Vorsicht! Die Aufgabe der IAEA ist (auch) die Förderung(!) der
Nutzung der Kernenergie. Die IAEA ist definitiv nicht unparteiisch!

Man sollte alle Zahlen mit Vorsicht genießen. Unparteiische Quellen
sind IMO nicht vorhanden. Die 56 Toten sind die offiziellen Zahlen
(aus der "ehemaligen UdSSR" via UN in Wikipedia gelandet - und die
"Offiziellen" sind auch Partei, daran interessiert, dass die Zahlen
nicht zu groß ausfallen). Es waren über 200000 Liquidatoren
eingesetzt - tw. unter Bedingungen (Strahlenbelastungen), dass ich
nur den "Lottogewinnern" unter ihnen eine Überlebenschance einräume.
Dass der eine oder andere der Hochbelasteten noch lebt, ist IMO ein
Effekt der statistischen Streuung für die Überlebenszeit. Mal
abgesehen davon, dass die Lebensqualität vieler, die "nur" erkrankt
sind, gelinde gesagt "unter aller Sau" ist.

> Und? Der Nachweis von Jod ist ja auch was anderes als eine
> signifikante Erhoehung der Radioaktivitaet durch Jod.

Nein, ist es nicht! J-131 *ist* Radio-Jod! Wird J-131 nachgewiesen
besteht auch genau diese gemessene Belastung. Zur Verdeutlichung: Wir
haben *nicht* chemisch Job an sich nachgewiesen, sondern *spezifisch*
physikalisch J-131. Ich denke, jetzt ist es klar.

> Fakt ist aber,
> dass es bei westlichen Reaktoren noch keinen Stoerfall mit Ausmassen
> auch nur aehnlich zu Tschernobyl gegeben hat (obwohl die Anzahl der
> westlichen Reaktorjahre wohl in die tausende gehen duerften).

Das ist (leider) nicht wahr: Stichwort "Three Mile Island". Dieser
Unfall hatte nahezu die gleiche Zerstörung des Systems (Ausmaß). Nur
durch Glück ist (mehr oder weniger) alles eingeschlossen geblieben
und hatte man nicht die gleichen Konsequenzen wie Tschernobyl zu
tragen. (Ich empfehle den PhiuZ Artikel von vor einigen Jahren. Ich
suche das Heft gerne heraus, allerdings bin ich gerade auf
Dienstreise und komme nicht an mein Heftarchiv.)

Außerdem: Würdest Du aus der Tatsache, dass Du, bei (Achtung, das ist
nur ein Beispiel und keine Risiko-Abschätzung) vorhergesagter
Unfallquote 1/3, die letzten vier Kreuzungen bei Rot ohne Unfall
überquert hast, schließen wollen, dass bei Rot die Kreuzung zu
überqueren praktisch nie zu einem Unfall führt und die 1/3 eine
maßlose Übertreibung ist? Wenn ja, dann solltest Du Dich (noch)mal
mit Wahrscheinlichkeitsrechnung beschäftigen. Wenn nein, solltest Du
sowas wie oben nicht schreiben (ich weiß, es ist nicht dasselbe -
aber das Gleiche!)

> Und auch die Windkraft soll
> ja die Grundstueckspreise eher senken, selbiges gilt fuer den schon
> angesprochenen Autoverkehr, oder Mobilfunkmasten, ... Insofern waere
> natuerlich die Entvoelkerung eine tragische Sache, aber nichts, was
> man nicht heute im Prinzip schon kennen wuerde.

Der Vergleich von (temporär) sinkenden Grundstückspreisen beim Bau
von Windkraftanlagen mit der Unbewohnbarkeit wegen Verstrahlung...
Das ist unter Deinem Niveau!

> Ausserdem sollte man vielleicht hinzufuegen, dass Hiroshima und
> Nagasaki heute florierende Staedte sind.

Auch wenn manche Kernkraft-Gegner das auch sagen: Man kann einen GAU
nicht mit einer nuklearen Explosion vergleichen! In einer nuklearen
Explosion in der Luft wird das Inventar der Bombe (der Spaltstoff und
die daraus entstehenden Produkte) in dem Feuerball bis weit in die
oberen Atmosphäreschichten getragen, die eine wetterbedingte
"Entsorgung" vom Expolsionsort ermöglicht.

Die Uranmenge in Hiroshima war zudem nur 64kg.

In Tschernobyl siedelt immer noch niemand und die Strahlenbelastung
ist auch nicht wesentlich zurück gegangen. Allerdings sind die
Schwellen (zuläßige Jahresdosis) hochgesetzt worden... Solche
Schwellen sind aber nicht nur wissenschaftlich, sondern vor allem
auch politisch motiviert! Eine Meldung "die Strahlung beträgt nur
noch 10% der jährlich zulässigen Dosis" ist den Medien lieber als
eine abstrakte außer vom Fachmann oder interessierten Laien nicht zu
verstehende Zahl. Das ist aber nicht unproblematisch, wenn man dies
nicht zu Veränderungen in den "jährlich zulässigen Dosen" ins
Verhältnis setzt.

> Ich halte generell nicht so viel von Ankuendigungen auf
> wissenschaftlich/technischem Gebiet. Erfahrungsgemaess ist da viel
> Werbung und Vereinfachung dabei.

Eine wissenschaftliche Arbeit mag einen selbstwerbenden Effekt haben.
Aber das ist nicht der triebende Grund für die Veröffentlichung.

Manchmal werden auch sinnvolle Entwicklungen nicht eingesetzt. Jetzt
kann man darüber streiten, wie "wissenschaftlich" oder "technisch"
das ist:

Bekanntlich sind Flugzeugreifen starker Belastung bei der Landung
ausgesetzt, weil die Reifen stehen und das Flugzeug mit hoher
Geschwindigkeit aufsetzt. Das führt zu einem starken Abrieb und auch
zu Reifen-Platzern, die grundsätzlich gefährlich, wenn auch zumeist
beherrschbar, sind. Bei Jugend-forscht haben zwei Schüler eine
Modifikation der Reifenflanken vorgeschlagen, die die Räder durch die
anströmende Luft auf eine hohe Drehzahl bringen, so dass die
Belastung und der Abrieb nahezu verschwindet. Tolle Idee! Einfach und
funktioniert beweisbar.

Werden aber trotzdem nicht gebaut! Warum? Jedenfalls nicht, weil es
nicht geht. Ich vermute mal eine drastische Reduktion des Abriebs ist
nicht im Sinne der Reifenhersteller. Und auch ohne Kartell-Absprache:
Jeder, der diese Reifen herausbrächte, würde nur kurzfristig davon
profitieren, weil die Flug-Gesellschaften vielleicht auf seine Reifen
umstiegen, danach würde der Umsatz wegen der deutlich geringeren
Abnutzung auf das oder unter das heutige Niveau einbrechen.

Dass eine funktionierende Technik nicht genutzt wird, hat oft mehr
mit Eigeninteressen der möglichen Produzenten, die auch den "Stand
der Technik" produzieren, zu tun, als mit der grundsätzlichen
Machbarkeit oder dem Sinn...

> Sie haben noch nie z.B. von Transmutation gehoert? Da gab's auch
> schon einige "wird bald Stand der Technik sein"-Ankuendigungen in den
> Medien.

Doch, aber: "However, it should not be considered as an alternative
to deep geological disposal, and should not be presented as such."
(http://www.nea.fr/html/trw/)

Ich denke bei "Veröffentlichungen" nur sehr begrenzt an die "Medien"
im Sinne von Fernsehen, Tages- oder Wochenpresse, sondern vielmehr an
Fachzeitschriften (also den Orginalartikel).

> Schluessig sind viele wissenschaft.de-Artikel. Dennoch verschwindet
> vieles davon wieder in der Versenkung. Labor, Prognosen und reale
> Anwendungen sind halt nicht dasselbe (oder das Gleiche, wenn Sie so
> wollen).

s.o.

> > Mit Laien in dem Bereich geht es in Diskussion aber fast immer um die
> > Beträge der Schäden und Eintrittswahrscheinlichkeiten, und nicht so
> > sehr die Entscheidungschwelle ab der das Risiko inakzeptabel ist. Es
> > wird die statistische Häufigkeit der Ereignisse und die
> > Interpretation von Wahrscheinlichkeiten überhaupt angezweifelt. Oder
> > es werden auch unangenehme Szenarien als "kommt faktisch nicht vor"
> > (sic) versucht verbal zu eliminieren...

> Mir ist auch schon viel von KKW-Gegnern untergekommen. Da wird ja oft
> von hunderttausenden Toten und aehnliches geredet...

Tja, es wird viel dummes Zeug geredet... Manchmal um der Sache zu
dienen - und es wird ein Bärendienst daraus. ;-)

> Und ich wollte Ihnen eigentlich nur
> zeigen, dass es allgemein akzeptierte Risiken gibt, die die Risiken
> der Kernkraft leicht in den Schatten stellen koennen.

Das ist wohl wahr!

Es ist schon ein "bisschen" her (tatsächlich schon ziemlich
lange...), da habe ich folgende Frage in einer Diskussionsrunde
gehört (sinngemäß wiedergegeben):

"Stellen Sie sich vor, ich habe eine neue Technik entwickelt.
Unglaublich was man daraus machen kann. Sie wird die Menschen näher
zusammen bringen, die Mobilität auf unbekanntes Ausmaß bringen.
Allerdings hat sie einen kleinen Haken: Alle zehn Jahre wird in
Deutschland eine Stadt wie Heidelberg komplett entvölkert - alle tot.
Ähnliches wird in allen Ländern geschehen, die die Technik einsetzen.
Aber nur alle zehn Jahre! Und die Vorteile sind wirklich immens! Also
in Wirklichkeit doch nicht *so* schlimm, oder? Möchten Sie diese
Technik haben?"

Die Antwort war (sinngemäß wiedergegeben): "Um Gottes Willen nein!
Sind Sie verrückt?"

Ersterer: "Nun, dann sind Sie also der Ansicht, man hätte nie
Automobile bauen sollen? Denn die Zahl der Toten im Straßenverkehr in
Deutschland jährlich entspricht dem angegebenen Schaden." (Wie
gesagt, schon etwas her, damals stimmte das Verhältnis.)

Ich fand damals (und immer  noch) interessant, wie sich die Sicht
ändert, wenn man von abstrakten Toten (Zahl im Straßenverkehr) zu
konkreten Toten (Auslöschen einer Stadt) wechselt, obwohl außer der
Konkretisierung, wer stirbt, sich eigentlich nichts ändert...

Ich werde eine etwaige Antwort noch lesen und auf Wunsch die Nummer
des PhiuZ-Hefts posten (sobald ich wieder daheim bin - kann aber noch
dauern...), aber die Diskussion (hier! ;-)) nicht weiterführen. Ich
denke, die Standpunkte sind klar - und ich habe schon lange die
Hoffnung aufgegeben "Überzeugungstäter" (wirklich *nicht* böse
gemeint!!!) zu bekehren.

In diesem Sinne!

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