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  • Marcel Leutenegger

mehr als 1000 Beiträge seit 29.05.2000

Die Zerstörung des Völkerrechts

Die Angriffe der Huthis würden sofort eingestellt, würde Israel den Völkermord an Paläsinensern einstellen. Der Krieg gegen Jemen liesse sich also sehr einfach und legal vermeiden. Dem steht der israelische Anspruch auf absolute Macht gegenüber, in dessen Selbstverständnis es keinen Kompromiss geschweige denn Frieden auf Augenhöhe mit «menschlichen Tieren» geben darf.

Die Gewalt ist aber eigentlich nur ein Symptom der Zerstörung des Völkerrechts:

Die Missachtung nationalen und internationalen Rechts oder seine einseitige Anwendung zersetzt das Recht und zerstört es letztlich. Leider missachtet auch unsere Politik und Justiz internationales Recht, insbesondere in Bezug auf die Verhinderung von Folter und Völkermord sowie der Strafverfolgung bei Zuwiderhandlungen. Meines Wissens unternahm unsere Justiz keinerlei Schritte gegen die USA und ihre Handlanger, um Entführungen, Verschwindenlassen und Foltern von vorgeblichen Terroristen nach 9/11 zu ahnden, obwohl viele Opfer (beispielsweise in Guantanamo oder in sogenannten Black Sites in Osteuropa) sowie etliche Gesetzgeber, Auftraggeber und Ausführer namentlich bekannt sind. Die Strafverfolgung von Verbrechern aus befreundeten Staaten ist offensichtlich tabu, obwohl die Verträge die Strafverfolgung bei Kenntnis möglicher Zuwiderhandlungen einfordern. Die selektive und willkürliche Anwendung von Recht ist so verbreitet, dass eine Auflistung von Beispielen nur schon im Kontext der UN-Charta Bücher füllen würde. Im folgenden beschränke ich mich deshalb auf das schlimmste Verbrechen überhaupt, welches derzeit vor aller Augen durchgeführt wird.

Mearsheimers Kommentar (1) zum Bankrott des westlichen Anspruchs auf Wahrung und Förderung humanitärer Werte zitiert die wichtigsten Berichte und Beschlüsse internationaler Organisationen zum Gazakrieg, die inzwischen – wenngleich zumeist mit grotesker Verspätung – veröffentlicht wurden. Wer Israels Reaktion sofort vorhersagen wollte, brauchte jedoch nur auf die jahrzehntelange etablierte israelische Doktrin der unverhältnismässigen Vergeltung (auch und insbesondere gezielt gegen die Zivilbevölkerung) und den unmissverständlichen offiziellen israelischen Ankündigungen nach dem 7. Oktober 2023 zu verweisen. Exemplarisch sei hier Owen Jones Warnung (2) vom 9. Oktober 2023 genannt. Während Jones die Verbrechen der Hamas vom 7. Oktober 2023 verurteilte, sagte er gleichzeitig vorher, dass die angekündigte und in Ansätzen schon sichtbare israelische Vergeltung an allen Palästinensern in Gaza die Verbrechen der Hamas bei weitem übertreffen wird. Das israelische Vorgehen ist deshalb ebenfalls ein Kriegsverbrechen und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ist entsprechend zu ahnden.

Die jahrzehntelange Gewaltherrschaft Israels, die ethnische Vertreibung von Palästinensern aus ihrem Heimatland, die Besetzung Palästinas und der alltägliche Terror gegenüber Palästinensern sind die Ursache für die Gewaltspirale, die in unseren Medien mit Nahostkonflikt beschönigend umschrieben wird. Die systematische Missachtung sämtlicher UN-Nahost-Resolutionen durch Israel, inklusive der Resolution 181 zur Gründung zweier souveräner Staaten auf dem Territorium Palästinas, wäre Grund genug, Israel die Anerkennung zu entziehen. Würde die UNO ihrer Charta gerecht, hätte Israel nie UN-Mitglied werden dürfen, ohne zuvor die Bedingungen der Resolution 181 zu erfüllen. Ethische Vertreibung, Verweigerung des Rechts auf Rückkehr Vertriebener, Apartheid und aggressives Verhalten gegenüber Nachbarstaaten sind unvereinbar mit der UN-Resolution 181 zur Gründung und Anerkennung Israels als souveränem Staat.

Wer die Verbrechen der Hamas verurteilt und zu Recht ihre Ahndung fordert, andererseits aber die Verbrechen Israels weder verurteilt geschweige denn ihre Ahndung fordert, offenbart sich in den Augen der Weltöffentlichkeit als seelenloser moralischer Heuchler. Das dröhnende Schweigen unserer Regierungen gegenüber dem Verbrechen des Völkermords, während sie die Hamas und Unterstützer zu Terrororganisationen erklären und verbieten, stellt eine unmissverständliche Parteinahme dar. Jede zukünftige Ermahnung von westlicher Seite, die Menschenrechte einzuhalten und Völkerrecht zu respektieren, wird schon alleine deswegen nur noch mit einem müden Lächeln abgetan werden.

Dass Israel trotz angekündigtem und ausgeführtem Völkermord keine Sanktionen auferlegt werden, obwohl alle Vertragsstaaten der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords dazu verpflichtet wären, während andererseits gegen Russland insgesamt über 19'000 Sanktionen verhängt wurden, die mangels UN-Mandat die UN-Charta und WTO-Verträge brechen, unterstreicht nur die Rechtlosigkeit internationaler Beziehungen. Wie am Ende des Völkerbunds stehen wir heute vor den Ruinen des Völkerrechts, welches reiner Machtpolitik führender westlicher Staaten geopfert wurde. Im Ergebnis klopft der dritte Weltkrieg bereits an die Tür…

Dieses Unrecht findet nicht in meinem Namen statt!

Wer zusätzliche Argumente braucht, um das Ausmass der vollständigen Entwertung westlicher «Werte» zu erkennen, mag diesen Kommentar zu Syrien (3) von Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam lesen oder die Weihnachtsbotschaft aus Bethlehem (4) von Pfarrer Munther Isaac hören.

(1) https://mearsheimer.substack.com/p/the-moral-bankruptcy-of-the-west
(2) https://www.youtube.com/watch?v=tRHk6a12iU8
(3) https://globalbridge.ch/mit-terroristen-paktieren-ist-deutsche-staatsraeson/
(4) https://www.youtube.com/watch?v=m9u99MAIh5M

Übersetzungen von (1), (2) und (4) sind als Antworten angehängt.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (07.01.2025 10:45).

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