Im Gegensatz zu Europäischen Union, wo Aktiengesellschaften mit Inhaberaktien funktionieren, sind auf der anderen Seite des Atlantiks Namensaktien die Regel. In Europa wissen nicht einmal die Regierungen, in wessen Besitz sich etwa die DAX-Firmen befinden.
Der Versuch des Herbeifabulierens eines großartigen Unterschieds diesbezüglich ist reichlich absurd und offenbart nur ein Unverständnis der verschiedenen Gesellschaftsformen von Kapitalgesellschaften auf beiden Seiten und ihrer Aktien bzw ihrer Unternehmens-Anteile. Tatsächlich sind gerade diesbezüglich die kontrollrechtlichen Instrumente des Staates bzgl. des Aktienbesitzes selbst nach Sarbanes-Oxley noch in DE in vielen Punkten sogar schärfer als in den USA. Insbes. hat unser Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) schon gestaffelte Meldepflichten ab 3 Prozent Aktienbesitz, während das entsprechende unterste Limit für eine Meldepflicht in den USA (SEC Schedule 13D) erst bei 5% greift.
Der tatsächlich relevante Unterschied, der den Autor offensichtlich zu diesem Fehlschluss geleitet hat, liegt ganz woanders:
Dass in den USA ein viel größerer Anteil der im deutschen Sprachgebrauch als Aktiengesellschaften titulierten Gesellschaften Namensaktien hat liegt schon mal schlicht daran, dass in den USA und den meisten anderen Staaten angelsächsischer Gesellschaftsrechts-Tradition ALLE Kapitalgesellschaften formal Aktiengesellschaften sind und es dort nicht die bei uns bestehende künstliche formale Unterscheidung zwischen AG und GmbH gibt. (dass auch drüben die Möglichkeit des freien Handels mit den Aktien oder die Notierung an der Börse an weitere Hürden verknüpft ist, bleibt davon unberührt) Im übrigen sind dort der Aufwand, die Bürokratie, und Kosten was die Gründung und den Betrieb von Aktiengesellschaften angeht deutlich niedriger als bei uns für die GmbH (von einer AG ganz zu schweigen).
In Konsequenz gibt es dort halt mal schlicht einen viel höheren Anteil an Aktiengesellschaften, weil halt eine Menge von dem, was bei uns als GmbH gegründet würde eben als Aktiengesellschaft gegründet wird, während sich bei uns der im Vergleich dazu total aufgeblasene Aufwand und Kosten einer Aktiengesellschaft ggü der GmbH (oder einer Gründung in einem anderen Staat) fast nur für Gesellschaften rentieren, die entweder am breiteren Kapitalmarkt Aktien ausgeben wollen… oder eben (v.a. bei der sog. "kleinen" AG) Ableger innerhalb von Konzernstrukturen sind.
Dass angesichts dessen die überwältigende Mehrheit der Aktien in den USA Namensaktien sind, liegt v.a. daran, dass (solange man kann und keinen Anlass zum großartigen Handel mit Aktien hat) in den USA damit eine Menge Vorteile einhergehen… insbes. die Möglichkeit, als S-Corp eine steuerliche Veranlagung als Pass-Through-Taxation zu haben also einteilige Besteuerung bei den Anteilseignern mit Möglichkeit der persönlichen Verlustverrechnung wie bei unseren Personengesellschaften statt zweiteilig erstmal auf die Körperschaft und dann nochmal bei Gewinnausschüttung bei den Anteilseignern. Ob der Autor das auch deutschen AGs ermöglichen möchte?
Und da ich UK und Irland erwähnte: dort liegt's vor allem daran, dass unterschieden wird zwischen privater Aktiengesellschaft (private limited company by shares) und öffentlicher Aktiengesellschaft (public limited company by shares) wobei erstere nur Namensaktien ausgeben kann während letztere auch offen damit handeln und sie an der Börse notieren lassen kann… dafür allerdings zusätzliche höhere Hürden und Kosten (insbes. für Audits) hat.
Dass die bei uns immer noch bestehende künstliche konzeptuelle und Unterscheidung zwischen AG und GmbH total obsolet ist, zeigt sich auch daran, dass sie den ursprünglichen Kern-Gedanken dieser konzeptuellen Unterscheidung bzgl. der frei (etwa börslich) handelbaren vs namentlichen Handelstiteln auch schon länger nicht mehr trifft: spätestens mit der Einführung der halbherzig konzipierten sog. "kleinen Aktiengesellschaft" haben wir ja de fakto auch eine Gesellschaftsform, die ebenfalls als Aktiengesellschaft gilt aber deren Aktien nicht frei gehandelt oder börslich notiert werden können…
…was diesbezüglich also den entsprechenden angelsächsischen Gesellschaftsformen bzw (in den USA an steuerliche Veranlagung geknüpften Subformen) entspricht… bis auf die Tatsache natürlich, dass die deutsche Staatsbüroktatie-Hürden immer noch darauf ausgelegt sind, der Mehrheit der Gründer möglichst die Gründung einer Aktiengesellschaft (auch wenn's nur eine "kleine" AG ist) zu erschweren… und den Club der Aktiengesellschaften möglichst auf größere Unternehmen und deren Ableger zu beschränken, während die angelsächsischen Systeme darauf ausgelegt sind, möglichst jedem Gründer die Gründung einer Aktiengesellschaft einfach und mit niedrigen Hürden möglich zu machen.
Funktional ist im Vergleich zu den angelsächsischen Formen der Kapitalgesellschaften die Konstruktion der deutschen Kapitalgesellschafts-Formen darauf ausgelegt, Die Mobilität von klein nach Groß zu erschweren (fast könnte man sagen: um den Großen Konkurrenz von aufstrebenden Neuankömmlingen vom Hals zu halten) und außer den größeren Konzernen (für die damit verbundenen Kosten auf die Gesamtgröße gerechnet überschaubar klein bleiben) die Unternehmen eher zu möglichst kleinen Formen zu pushen, die sich bitteschön in eine an altertümliches Zunftdenken orientierte Ordnung fügen sollen.
… Was auch mit der total schrägen (als schlechte Antwort auf den Exodus deutscher Gründer zur britischen Limited erdachten) Schaffung der UG damals schön zu sehen war… statt das Gesellschaftsrecht diesbezüglich mal endlich zu modernisieren.
Vor allem aber hat dieses dämliche UG-Projekt die deutsche CDU-Regierung auch noch dazu veranlasst, das EU-Projekt zur längst überfälligen Schaffung einer europaweit einheitlichen Gesellschaftsform mit beschränkter Haftung (SPE: Societas privata Europaea) zu torpedieren, die eigentlich ab 2011 hätte existieren sollen.
Nebenbei: Auch da sind die großen Konzern-Aktiengesellschaften im Vorteil: für die gibt's schon seit 2004 eine europaweit gängige Aktiengesellschafts-Form, die SE (Societas Europaea). Wohlbemerkt: den Schwarzen Peter kann man bzgl. der SPE nicht der EU zuschieben. Die hat da mal durchaus gute Arbeit geleistet und es wäre ein großer Schritt in Richtung Wettbewerbsfähigkeit, Zukunft und Erleichterung von Neugründungen in Europa und deren Aufstieg in die höhere Liga gewesen. Offensichtlich hatte unsere deutsche CDU aber genau davor Angst. Warum wohl?
ref:
https://en.wikipedia.org/wiki/Societas_privata_Europaea
https://en.wikipedia.org/wiki/Societas_Europaea
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (26.01.2021 09:37).